Welche Vorteile sind das denn?
Currle: Die Arbeit von Menschen für Menschen zeichnet sich ja dadurch aus, dass sie in verschiedenen Bereichen Impulse für Veränderungen gibt: Die zentralen Säulen sind Landwirtschaft, Gesundheit, Wasser und Hygiene, Bildung sowie die Verbesserung der Einkommen der Menschen. Ich muss zugeben, dass ich zunächst ein wenig skeptisch war, ob es möglich ist, an so vielen Fronten gleichzeitig tätig zu sein. Die Ergebnisse zeigen aber, dass es gelingen kann. Die Erfolge in den einzelnen Bereichen hängen sogar voneinander ab und verstärken sich so gegenseitig.
Können Sie Beispiele nennen?
Currle: In Äthiopien ist die Mitarbeit der Kinder in Haushalt und Landwirtschaft weit verbreitet. Deswegen bleibt ihnen häufig wenig Zeit, zur Schule zu gehen. In Merhabete konnten die Getreideerträge zwischen 2004 und 2014 um 150 Prozent gesteigert werden, zudem wurden viele Brunnen gebaut. Das brachte nicht nur Ernährungssicherheit und sauberes Trinkwasser unweit der Häuser, sondern war auch die Voraussetzung dafür, dass die Kinder weniger Arbeit aufgebürdet bekamen und plötzlich mehr Zeit hatten, sich ihrer Ausbildung zu widmen.
An dieser Stelle kommen die Schulen ins Spiel, die Menschen für Menschen gebaut hat. Sie sind modern und intakt, was wiederum attraktiv für fähige Lehrkräfte ist. Die Zahl der Schüler und die Qualität des Unterrichts steigen, die Zahl der Schulabbrecher sinkt. Mehr junge Menschen, vor allem aber: mehr junge Frauen erreichen einen Schulabschluss, machen vielleicht eine Ausbildung oder studieren sogar. Dadurch nehmen die frühen Heiraten ab. Frauen bekommen im Durchschnitt später und weniger Kinder, was die Rolle der Frau insgesamt verändert. In Gesprächen, die wir geführt haben, wurde deutlich, dass die gesellschaftliche Akzeptanz von Eheschließungen im Kinder- und Jugendalter gesunken ist. Ein ganzes Wertesystem hat sich verändert. Viele Indikatoren deuten darauf hin, dass Menschen für Menschen in Merhabete einen komplexen Modernisierungsprozess in Gang gesetzt hat.