Unser Team in Äthiopien

„Ich habe bereits für viele Organisationen gearbeitet, Hilfs- und Ernährungsprogramme koordiniert. Die Arbeit von Menschen für Menschen lerne ich gerade erst richtig kennen. Doch schon jetzt ist klar: Das Einzigartige ist die enge, langjährige Zusammenarbeit mit der Bevölkerung. Ich möchte, dass wir uns auf die Ernährungsmissstände im Land konzentrieren: Aufgrund von Mangel- und Unterernährung sterben noch immer viele Kleinkinder. Auch müssen wir den Zugang zu sauberem Wasser schaffen, um Magen-Darm-Erkrankungen zu verhindern sowie den Menschen zeigen, wie sie selbst mithilfe der Landwirtschaft ihre Ernährung sichern können. Alle Bereiche der Stiftung sind gefragt.

Die Krisen der vergangenen Jahre hatten große Auswirkungen auf unsere Gesundheitsversorgung. Aus Angst vor einer Ansteckung mit Corona haben Menschen Nachsorgetermine ausfallen lassen, antiretrovirale Therapien gegen HIV oder Maßnahmen zur Familienplanung wurden unterbrochen. Große Impfkampagnen, etwa gegen Krankheiten wie Polio, konnten wir nicht wie geplant durchführen. Durch den Bürgerkrieg im Norden leiden viele an psychischen Traumata. Ich könnte da schon den Kopf in den Sand stecken, doch die jungen Menschen im Land geben mir Hoffnung: Sie wollen die Situation verbessern. Dabei müssen wir sie unterstützen.“

„Als ich zum ersten Mal die Topografie und Vegetation in Boreda sah, habe ich mich gefreut: Hier wird Kaffee gut wachsen, Gemüse und Obst gedeihen. Ich lebe direkt in dem Dorf, wo wir jetzt unsere Baumschule errichtet haben. Mein Arbeitsweg ist daher sehr kurz. Wenn ich morgens ankomme, verteile ich erstmal die Aufgaben: Pflanztöpfe vorbereiten, sie mit dem Erdgemisch oder Samen befüllen, Beete begradigen oder Setzlinge gießen. Ich bin für alle Mitarbeitenden erster Ansprechpartner. Außerdem wähle ich neue Bewerberinnen und Bewerber aus. Es ist schön, dass ich vielen einen Job geben kann. Denn die Arbeitslosigkeit hier ist sehr hoch.

In der Baumschule zu arbeiten, macht mich stolz. Hier schaffen wir die Grundlagen für viele andere Aktivitäten im Projekt: Wir forsten gerodete Berghänge wieder auf, stabilisieren Böden oder verteilen Samen und Setzlinge an Landwirtinnen und Landwirte. Einige von ihnen bauen traditionell bereits Kaffee an. Doch die Pflanzen sind wenig produktiv und kaum resistent gegen Dürre und Krankheiten. Schon jetzt besuchen uns die Menschen, um unseren Kaffee wachsen zu sehen. Sie bedanken sich und beten für uns. Das gibt mir Hoffnung, dass sie offen für Veränderung sind und wir gemeinsam viel erreichen können.“

„Es macht mich wütend zu sehen, dass die Menschen im ländlichen Äthiopien noch immer an Krankheiten leiden, die einfach zu verhindern oder leicht zu heilen sind. Viele Erkrankungen lassen sich durch Aufklärung eindämmen. Zum Beispiel ganz einfach, indem wir Schülerinnen und Schülern erklären, Hände und Gesichter zu waschen, um Augeninfektionen zu verhindern.

Während meines Studiums habe ich als Nebenjob bei einer Aufklärungskampagne gegen HIV/Aids mitgeholfen, die von der Stiftung durchgeführt wurde. Wir haben die Menschen über die Krankheit informiert, sie getestet. Dabei habe ich die Arbeit von Menschen für Menschen kennengelernt und war sofort begeistert. Seit 2015 bin ich nun bei der Stiftung angestellt. Als Leiter der Gesundheitsprojekte in Borena organisiere ich Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge für Kinder, Augenoperationen und Schulungen für das medizinische Personal in den Kliniken. Außerdem unterstützen wir Waisen, die ihre Eltern an Aids verloren haben, mit Schulmaterial und einem kleinen Taschengeld. Ich lebe in einer Mitarbeiterwohnung auf dem Gelände der Projektzentrale. Meine Frau und mein vierjähriger Sohn wohnen knapp 200 Kilometer entfernt. Ich sehe sie nur etwa alle zwei Monate und wenn ich Urlaub nehme. Ich wünsche mir, dass mein Sohn einmal Arzt wird. Am besten Augenarzt. Bei unseren Grauen Star-Operationen habe ich gesehen, wie sehr der Eingriff Leben verändern kann.“

„Ich möchte meinen Studentinnen zeigen, dass sie sich nicht hinter ihren männlichen Kommilitonen verstecken müssen. Sie können alles schaffen! Ich versuche, ein gutes Vorbild zu sein und weiß, wie wichtig gute Lehrerinnen und Lehrer für die Entwicklung der Jugendlichen sind. Vor 20 Jahren war ich selbst Studentin am ATTC. Einige meiner Dozenten sind heute meine Kollegen. Uns verbindet eine lange gemeinsame Reise.

Nach meinem Diplomabschluss habe ich damals einige Zeit in einer Speiseölfabrik gearbeitet, um schließlich wieder ans College zurückzukehren. Ich begann als Dozentin, machte hier nebenbei meinen Bachelor. Aktuell sitze ich an meiner Abschlussarbeit für einen Master, den ich an einer Universität in der Nähe absolviere.

Ich bin sehr dankbar, dass mir die Leitung des ATTC die Weiterbildung ermöglicht und ich meinen Unterricht an den Stundenplan der Universität anpassen konnte. Trotzdem kann mein Leben sehr stressig sein: Jeden Morgen stehe ich um sechs Uhr auf, bereite Frühstück und Mittagessen für meine 11-jährige Tochter vor. Ich bringe sie zum Schulbus, um wenig später pünktlich in der Arbeit zu sein oder im Hörsaal zu sitzen. Doch am Ende kann ich einfach nicht aufhören, zu lernen. Ich liebe es, Wissen anzusammeln, um dieses dann an meine Schülerinnen und Schüler weiterzugeben.“

„Aktuell bin ich für zwei Teams verantwortlich: Eines kümmert sich um den Bau von Quellfassungen, Wasserversorgungssystemen oder Bewässerungsanlagen. Das andere Team führt Tiefbohrungen durch. Nach Wasser zu bohren, kann frustrierend sein: Zwar lässt sich eingrenzen, wo wir auf Grundwasser stoßen könnten. Doch ob es ausreicht, wissen wir erst nach der Bohrung. Bis vor einem Jahr haben wir Unternehmen mit den Vorhaben beauftragt. Ging die Bohrung schief, mussten wir sie trotzdem bezahlen. Außerdem war es schwer, Firmen zu finden, die in unseren entlegenen Projektgebieten arbeiten. Daher setzte ich mich dafür ein, ein eigenes mobiles Tiefbohrgerät anzuschaffen. Ein sogenanntes Mobile Rig ist sehr teuer, die Logistik kompliziert und man braucht geschultes Personal. Doch ich rechnete aus, welche Kosten wir auf Dauer sparen könnten. Nach und nach konnte ich die Kolleginnen und Kollegen überzeugen.

Ich beginne meinen Tag im Büro zwischen sieben und acht Uhr. Als erstes erkundige ich mich beim Tiefbohrteam: Wie kommt ihr voran? Braucht ihr Ersatzteile? Gibt es Probleme? Ab und an reise ich selbst in die Projektregionen, begutachte den Bau von Wasserversorgungssystemen, treffe mich mit den örtlichen Behörden und begleite die Bohrungen. In meiner Position bin ich für viele Mitarbeitende sowie teure Maschinen verantwortlich. Da gibt es kaum Pausen. Am Wochenende nehme ich den Laptop mit nach Hause, bin jederzeit erreichbar.

Ich lebe auf dem Gelände des Kinderheims. Direkt nach dem Aufstehen um 6.30 Uhr drehe ich eine kurze Runde und schaue, ob alles in Ordnung ist. Um acht Uhr beginnt dann mein Arbeitstag. Knapp 50 Menschen sind hier im Heim beschäftigt: Erzieherinnen, Wäscherinnen, Wächter, Köchinnen. Ich bin ihr Ansprechpartner, erstelle Arbeitspläne und verantworte das Gesamtbudget der Einrichtung. Als Leiter eines Kinderheims gibt es keine geregelten Arbeitszeiten oder einen sicheren Feierabend. Manchmal muss ich zu einem Elternabend an die Schule oder begleite mitten in der Nacht eines der Kinder ins Krankenhaus. Über die vielen Jahre wachsen wir Mitarbeitende und die Kinder eng zusammen. Die größte Herausforderung für uns als Team beginnt, wenn sich die Kinder, meist als Jugendliche, fragen, wo sie herkommen und was mit ihren Eltern passiert ist. Jede und jeder hat im Büro eine eigene Akte, die sie sich im Beisein unserer Sozialarbeiterin anschauen können. Von einigen wissen wir aber kaum etwas oder aber ihre Geschichten sind sehr erschreckend. Ich fühle mich gesegnet, dass mich neben meinen drei leiblichen Kindern so viele weitere als ihren Vater ansehen. Mitzuerleben, wie sie bei uns in Sicherheit heranwachsen und sie zum ersten Mal Lachen zu sehen, macht mich sehr glücklich.

„Das Studium am ATTC hat mich gut auf meinen Job vorbereitet. Ich fühle mich sicher bei meinen täglichen Aufgaben: In der Werkstatt repariere ich zusammen mit meinen Kollegen die Fahrzeuge der Stiftung. Außerdem überprüfe ich regelmäßig den Ölstand, den Zustand der Reifen, Bremsen oder die Getriebe. Neben der unseren gibt es in allen Projektgebieten eigene kleine Werkstätten. Doch wenn die Mechaniker nicht weiterkommen oder ihnen Einzelteile fehlen, werden die Autos zu uns transportiert oder wir besuchen unsere Kollegen vor Ort. Vor einigen Monaten war ich zum Beispiel in Mettu am Abdii-Borii-Kinderheim. Auch wenn ich froh bin, meinen Abschluss zu haben und eigenes Geld zu verdienen, vermisse ich das Leben am ATTC: den Unterricht, die Freunde, das Essen und die vielen gemeinsamen Erlebnisse. Bis heute bin ich im engen Kontakt mit meinen damaligen Kommilitoninnen und Kommilitonen. Ab und an sind ehemalige Lehrer in der Projektzentrale. So habe ich das Gefühl, noch immer Teil der ATTC-Familie zu sein. Dafür bin ich sehr dankbar. Mein Vater ist vor zehn Jahren gestorben. Meine Mutter ist aus meinem Heimatdorf zu meinem Bruder nach Addis Abeba gezogen. Heute kümmere ich mich um meine Mutter: Ich habe sie bei mir aufgenommen und kann ihr so etwas für ihre jahrelange Unterstützung zurückgeben.“