Aufforstung gemeinsam mit den Menschen vor Ort im Projektgebiet Wogdi

Schneeballsystem im äthiopischen Hochland

Schneeballsystem im äthiopischen Hochland

Die eigene Landwirtschaft ist bis heute für einen Großteil der Menschen im ländlichen Äthiopien die entscheidende Einnahmequelle und Nahrungsgrundlage. Durch einseitige Bewirtschaftung sind die Böden jedoch ausgelaugt und die Ernten mager. Um mehr Fläche sowie Feuerholz zu gewinnen, wird Wald abgeholzt. Gerade in Hanglagen hat das katastrophale Folgen. Im Projektgebiet Wogdi bringen wir deshalb gemeinsam mit den Menschen vor Ort großflächige Aufforstungsprojekte auf den Weg. Die sichtbaren Erfolge rufen schnell Nachahmer auf den Plan.

Schon seit dem Morgen ist eine Gruppe von Landwirten angeregt diskutierend am Fuß des steilen Hanges. Mittlerweile haben sie sich in den Schatten der Bäume verzogen, denn es ist später Vormittag geworden und die Schirmakazien und Silbereichen bieten willkommenen Schutz vor der sengenden Sonne.

Aufforstung im Projektgebiet Wogdi am Fuße eines Berghangs
Die jungen Bäume spenden bereits Schatten. Die Landwirte erfahren, welche Vorteile eine Aufforstung bringt.

Die knapp zwei Dutzend Bäuerinnen und Bauern aus der hiesigen Gemeinde Kabiwobo und aus dem benachbarten Gelebe sind aus einem ganz besonderen Grund hier zusammengekommen: Es geht um den dichten Wald, der sich über ihnen in sattem Grün bis weit zur Hangspitze hinaufzieht, und die Frage, wie sie davon profitieren können – abgesehen von dem kühlenden Schatten.

Wenn ein Hang wieder Leben bringt

Dieser Wald ist Teil eines Aufforstungsprojektes, das Menschen für Menschen 2018 gemeinsam mit der Heinz Sielmann Stiftung gestartet hat. Jedes Jahr wird seitdem eine große Fläche des kilometerbreiten und bis dahin kahlen Hanges zunächst terrassiert und dann mit heimischen Baumarten bepflanzt.

Die Menschen in Gelebe haben aus der Ferne beobachtet, wie das Hangstück immer grüner wurde. Auch die neuen Ernteerfolge in Kabiwobo sind zu ihnen durchgedrungen. Deshalb haben heute Morgen einige von ihnen eineinhalb Stunden Fußmarsch auf sich genommen, um mehr zu erfahren darüber, wie ihre Nachbargemeinde vorgegangen ist.

Wissen, das weiter wächst

Wandiye Asafa, einer der Landwirte aus Kabiwobo, gibt gerne Auskunft. Nicht nur die Felder gäben mehr her, erzählt er. „Vieles ist besser geworden.“ Jahrelang wollten der 32-Jährige und die anderen Familien nur weg von hier.

In jeder Regenzeit brach das Wasser in Sturzfluten vom über Jahrzehnte kahl geschlagenen Hang herab, überflutete die Felder und spülte die lebenswichtigen Ernten fort. Und in jedem Jahr wurde es schlimmer. „Wir konnten unsere Familien nicht mehr ernähren. Die Landwirtschaft ist alles, was wir haben – unser Leben”, sagt Wandiye.

Die Bewohner im Projektgebiet Wodgi lernen den Nutzen von Aufforstung.
Wandiye Asefa wohnt am Fuße eines Berghangs, den Menschen für Menschen zusammen mit den Dorfbewohnern wieder aufforstet.

Heute stabilisieren verschiedene einheimische Baumarten den Boden, die Wurzeln geben dem Hang endlich Halt. Der Regen versickert geregelt und füllt die Wasserspeicher, damit genug bis zur nächsten Regenperiode da ist. Außerdem liefert der Wald Gräser als Futter für das Vieh und totes Holz, um die Küchenöfen zu befeuern. Dafür werden zusätzlich schnell wachsende Bäume wie Eukalyptus nahe der Höfe gepflanzt.

Wandiye und seine Nachbarinnen und Nachbarn haben von Anfang an zum Erfolg des Projekts beigetragen. Sie haben bei den Pflanzungen und Terrassierungen mit angepackt und das inzwischen aufgeforstete Gebiet in Parzellen aufgeteilt, sodass jede Familie nur in ihrem eigenen festgelegten Bereich Gras für das Vieh sammelt. Das Fällen von Bäumen ist streng verboten, auf die Einhaltung des Verbots achten sie hier gegenseitig.

Ein Dorf gestaltet seine Zukunft selbst

Gerne geben sie jetzt ihr gewachsenes Wissen an die Bauern der Nachbargemeinde Gelebe weiter.

„Das ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Arbeit“, erklärt Tariku Zenebe, Abteilungsleiter Landwirtschaft in Wogdi von Menschen für Menschen. „Wir vermitteln das Know-how und setzen darauf, dass es sich innerhalb der Bevölkerung von selbst weiterverbreitet.“ Ein erfolgreiches Schneeballsystem unter der heißen Sonne Ostafrikas.

Training für Aufforstung im Projektgebiet Wogdi
Tariku Zenebe ist Abteilungsleiter Landwirtschaft in Wogdi.

In Gebele haben sie deshalb ein Komitee gegründet, das mit der Unterstützung von Menschen für Menschen für die dringend benötigte Aufforstung sorgen soll. Yeshi Asafa ist Mitglied und heute auch mit dabei. „Ein bisschen neidisch bin ich schon”, gibt sie angesichts dessen, was sie in Kabiwobo sieht, zu. Noch lebt die 39-Jährige, wie viele Bäuerinnen und Bauern im zerklüfteten äthiopischen Hochland, zu Füßen eines kahlen Hanges. Alle ihre Probleme haben damit zu tun: weggespülte Ernten, vertrocknete Wasserquellen und weite Wege, um überhaupt noch an Feuerholz zu gelangen. Umso wichtiger ist es ihr, sobald sie wieder zuhause ist, von ihren heutigen Erkenntnissen zu berichten. Und wenn es dann auch bei ihnen grüner wird, sagt Yeshi beim Gehen noch, möchte sie ihr Wissen unbedingt an das nächste Dorf weitergeben.

Veröffentlicht am 14. Juli 2021

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