Es war ein glücklicher Zufall, der Tesehay Feke vor einer Erblindung rettete. Die 32-Jährige wartete wegen Rückenschmerzen im Gesundheitszentrums von Wore Illu, einer Kleinstadt im äthiopischen Hochland, auf ihren Termin. Eine kleine, freundliche Frau ging auf sie zu: Dabash Bekele. „Tut dir dein Auge weh?“, fragte sie. Seit mehr als 15 Jahren arbeitet die Krankenschwester für Menschen für Menschen in der Augenheilkunde. Schon aus der Ferne erkannte sie Tesehays gerötetes linkes Auge, die verklebten Wimpern. Nach einer kurzen Untersuchung war sich Dabash sicher: Tesehay litt an einem fortgeschrittenen Trachom, einer bakteriellen Augeninfektion.
Zuerst setzen sich die Bakterien (Chlamydia trachomatis) an der Innenseite des oberen Lides fest. Kleine Lymphknötchen bilden sich, sie platzen mit der Zeit. Das Augenlid vernarbt, zieht sich dadurch zusammen und dreht sich nach innen ein. Bei jedem Blinzeln kratzen die Wimpern auf der Hornhaut. Es brennt und juckt. Kann die Infektion zu Beginn noch mit einer antibiotischen Salbe behandelt werden, lässt sich das Auge in diesem Zustand, als Trichiasis bezeichnet, nur durch eine Operation retten. Ansonsten trübt sich die Hornhaut – der Betroffene erblindet langsam und schmerzhaft.
Noch immer ist Äthiopien das am stärksten von dieser Erkrankung betroffene Land. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) leben knapp zwei Drittel der äthiopischen Gesamtbevölkerung, also 75 Millionen Menschen, in Gebieten, in denen die höchst ansteckende Augeninfektion verbreitet ist. Etwa 700 000 Personen im Land brauchen dringend eine Operation. So wie Tesehay.