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Im Einsatz gegen das Erblinden

Schwerpunkt: Gesundheit
Projektgebiet: Borena
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Aus allen Himmelsrichtungen sind sie herbeigewandert. Einige Kinder, viele ältere Männer und noch mehr Frauen. Etwa 60 Menschen sitzen im Schatten eines Baumes bei der Gesundheitsstation der Kleinstadt Tewa im Projektgebiet Borena. Die meisten leiden am Trachom, einer schmerzhaften Augeninfektion, die bis zum Erblinden führen kann.

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Manche Patienten brechen von Sträuchern kleine Zweige ab, um damit vor dem Gesicht zu wedeln. Wenn sie das Wedeln unterbrechen, setzen sich sofort Fliegen auf die verklebten Wimpern und in die tränenden Augenwinkel.

In Europa ist das Trachom schon seit vielen Jahrzehnten in Vergessenheit geraten, doch in manchen Landstrichen Äthiopiens sind mehr als die Hälfte der Einwohner von dieser Armutskrankheit betroffen: “Im Hochland herrschen Wassermangel und vielerorts Unwissen”, erklärt Guade Abye, 26, Leiter der Gesundheitsprogramme von Menschen für Menschen im Projektgebiet Borena. “So können sich die Bakterien Chlamydia trachomatis über Fliegen übertragen oder direkt zwischen den Menschen ausgetauscht werden, wenn etwa Mütter die Gesichter ihrer Kinder mit dem immer gleichen Rockzipfel abwischen.”

Die Bakterien infizieren die Bindehaut der Oberlider. Der Körper wehrt sich mit der Bildung von Lymphknötchen. Wenn diese platzen, bilden sich Narben. Dadurch zieht sich das Lid zusammen und rollt sich nach innen. Das kann so weit führen, dass die Wimpern bei jedem Lidschlag an der Hornhaut des Auges scheuern. Wenn dies über Wochen und Jahre geschieht, kann die Hornhaut trübe werden und das Auge schließlich erblinden.

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55.000 Operationen

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“Meine Arbeit ist für mich eine Herzensangelegenheit”, sagt Guade Abye.

Nach Angaben der WHO brauchen weltweit 150 Millionen Menschen eine medizinische Behandlung gegen das Trachom. Sechs Millionen Menschen sind daran erblindet. Äthiopien ist eines der am schwersten betroffenen Länder. Schätzungen gehen davon aus, dass im armen Hochland über eine Million Menschen einen kleinen chirurgischen Eingriff brauchen, um vor dem Erblinden gerettet zu werden.

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Zureash Ali, eine Frau Anfang vierzig, ist eine von fünf Patienten, die an diesem Tag von Baihalu Tamerat operiert werden. Der Krankenpfleger von Menschen für Menschen hat in Addis Abeba eine Ausbildung in der Korrektur von Augenlidern erhalten. Insgesamt haben die Operateure der Äthiopienhilfe bereits rund 55.000 solcher Operationen durchgeführt.

“Keine Angst. Außer beim Stich der Betäubungsspritze werden Sie keinen Schmerz fühlen”, sagt Baihalu Tamerat zu seiner Patientin. “Ich habe keine Angst. Ich brauche diese Operation unbedingt”, antwortet die Bäuerin. “Seit vielen Jahren habe ich diese Augenschmerzen. Wenn ich koche und das Haus voll Rauch ist, sind sie kaum zu ertragen.”

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Unterricht in Hygiene

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Zureash Ali freut sich, dass die Operation überstanden ist – und ihre Augenschmerzen der Vergangenheit angehören.

Der Operateur setzt mit dem Skalpell einen kleinen Schnitt ins Oberlid des rechten Auges. Mit wenigen Stichen vernäht er den Schnitt und fixiert damit das Lid so, dass die Wimpern nicht mehr an der Hornhaut kratzen können. “Das ist viel besser als die traditionelle Methode”, sagt er mit beruhigender Stimme zu seiner Patientin: Auch Zureash ließ sich von ihrer Tochter die Wimpern ausrupfen.

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Doch das brachte nur kurzzeitig Linderung. Nach einigen Tagen kratzten und stachen die Wimpernstoppeln umso schlimmer auf der Hornhaut des Auges. Nach fünfzehn Minuten ist der Eingriff überstanden. “Wir sehen uns in einer Woche wieder”, sagt Baihalu. “Dann operieren wir das linke Auge.”

Draußen unterrichtet Guade Abye die wartenden Patienten, bevor er sie untersucht und Antibiotika-Salbe verteilt. “Ihr müsst euch drei Mal am Tag das Gesicht waschen”, sagt er. “Baut und benutzt Latrinen, damit es nicht so viele Fliegen gibt auf euren Höfen.” In einer Pause erklärt der junge Gesundheitsexperte dem NAGAYA MAGAZIN die von der Weltgesundheitsorganisation WHO propagierte SAFEKampagne, die Menschen für Menschen in Borena durchführt.

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Guade Abye, Gesundheitsexperte der Äthiopienhilfe, schult die Patienten, wie sie Infektionen künftig vermeiden können.

Dabei werden die chirurgischen Eingriffe mit weiteren Maßnahmen ergänzt. “Es reicht nicht, die Menschen nur zu operieren, wenn wir das Trachom besiegen wollen”, erklärt Guade Abye. “Gleichzeitig müssen wir die Betroffenen mit Antibiotika behandeln. Und vor allem müssen wir für eine bessere Hygiene sorgen.” Deshalb die Schulungen im Schatten von Bäumen.

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“Und deshalb auch die Investitionen in eine bessere Wasserversorgung: Die Menschen brauchen mehr und sauberes Wasser nicht nur zum Trinken, sondern auch für die Körperpflege”, betont Guade Abye. Seit Beginn der Intervention in Borena im Jahr 2011 hat die Äthiopienhilfe dort bereits 40 Brunnen und Quellfassungen errichtet. Für Guade Abye ist seine Stelle bei Menschen für Menschen eine Herzensangelegenheit. Als er ein Kind war, habe es in seinem Dorf eine schlimme Masern-Epidemie gegeben, erzählt er.

Als Folge der Krankheit sei er selbst auf dem linken Auge erblindet – in Entwicklungsländern, wo die Kinder häufig an Vitamin-A-Mangel leiden, kein seltenes Schicksal. “Ich bin mir besonders bewusst, wie wichtig gesunde Augen sind”, betont Guade Abye. “Deshalb setze ich mich mit ganzer Kraft für die Gesundheit der Menschen hier ein, die wir auf vielfältige Weise fördern: Mit Ernährungsschulungen, mit Impfterminen gegen Kinderkrankheiten – und mit unseren Kampagnen gegen Trachom.”

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Die Stiftung Menschen für Menschen - Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe ist eine öffentliche Stiftung des bürgerlichen Rechts. Sie wird beim Finanzamt München unter der Steuernummer 143/235/72144 geführt und wurde zuletzt mit Bescheid vom 6. September 2021 wegen Förderung steuerbegünstigter Zwecke von der Körperschafts- und Gewerbesteuer befreit und somit als gemeinnützige Organisation anerkannt.