Karotten - Sartseite

Hoffnung wagen

Schwerpunkt: Landwirtschaft
Projektgebiet: Nono Benja

Das Leben der Eheleute Fayisa und Tadelu im Projektgebiet Nono Benja scheint aussichtslos. Ihre Familie lebt von der Hand in den Mund. Ständig leiden sie unter Malaria und Durchfallerkrankungen, haben kein sauberes Trinkwasser. Doch seit einem Jahr engagiert sich Menschen für Menschen in ihrer Heimat und so trauen sich die Kleinbauern wieder zu hoffen.

Auf dem Hof von Tadelu Mosisa gackert und piepst es. Läuft die Bäuerin zwischen ihrer Wohnhütte und dem Kochverschlag zu den Feldern der Familie, muss sie aufpassen, dass sie auf keines der Küken tritt. Überall tapsen sie umher. Hühner picken Samen vom Boden. Ein Hahn kräht.

Die Vogelschar ist Teil von Tadelus Zukunftsplan. “Ich verkaufe die Eier auf dem Markt”, erklärt die 35-jährige. Einige lässt sie von den Hennen ausbrüten. Mit den Küken vergrößert sie ihr Hühnervolk oder verkauft sie. Vom Erlös möchte sie ein Schaf anschaffen. Es soll die Familie mit Milch versorgen und Tadelu Lämmer schenken, die sie auf dem Markt anbieten kann. Irgendwann, so hofft Tadelu, wird sie genug Geld für eine Kuh haben. “Ich bin fest entschlossen, das zu schaffen.”

Zusammen mit ihrem Mann Fayisa und sechs Kindern lebt sie in Konegi, einem Dorf im Projektgebiet Nono Benja, wo sich Menschen für Menschen seit 2020 engagiert und mit Kleinbauern wie Fayisa zusammenarbeitet.

Äthiopische Familie
Tadelu und Faisa Mosiasa mit Tochter Deratu

Bisher hat der Landwirt auf 2,75 Hektar Ackerland Mais, Sorghum und Nigersamen angebaut. Von dem Getreide ernährte sich die Familie, einen kleinen Teil verkaufte Tadelu. 6.000 Birr, umgerechnet rund 120 Euro, verdienten sie damit jährlich. Das musste für alle reichen. Die harten Jahre haben das Ehepaar gezeichnet. Beide sind abgemagert, die Stirn des 49-jährigen Fayisa durchziehen tiefe Falten. Er wusste, dass er mehr verdienen und seine Familie hätte besser ernähren können, wenn er seine Landwirtschaft um Gemüse, Früchte oder Kaffee erweitert hätte. “Doch in unserer Gegend gab es das Saatgut nicht oder ich konnte es mir nicht leisten”, berichtet er.

Starthilfe für Fayisa

Durch Menschen für Menschen wurde sein Wunsch wahr. Ein Entwicklungshelfer versorgte ihn mit Saatgut von Rote Beete, Zwiebeln, Karotten, Süßkartoffeln, Kohl und Sojabohnen, mit Papaya-, Avocado- und Kaffeesetzlingen. Fayisa bestellte ein Fünftel seines Ackers nach dem Prinzip der Agroforstwirtschaft. Im Schatten schnell wachsender Bäume gedeihen sein Gemüse und der Kaffee. Bis dieser erntereif ist, muss sich Fayisa gedulden. Bis dahin kann er weiter Getreide anbauen und bereits reichlich Gemüse ernten. Das spült Geld in die Haushaltskasse. Knapp 90 Euro hat der Verkauf zusätzlich eingebracht. Einkommen, von dem Tadelu ihre ersten Hühner erwerben konnte.

“Wir haben die Ratschläge sofort angenommen”, erinnert sich Fayisa, der auch an einem Imkertraining der Stiftung teilnahm, „und waren überzeugt, dass sich unser Leben verbessern wird.“ Für die Arbeit der Stiftung  sind solch mutige Bauern, die die Rolle von Modellfarmern übernehmen, sehr wichtig – besonders in einem neuen Projektgebiet. Zunächst skeptische Landwirte sehen die Erfolge und sind bereit, ihren Hof ebenfalls neu zu organisieren.

Miserable Gesundheitsversorgung

Noch vor wenigen Monaten kochte Tadelu mitten in der dunklen Wohnhütte über dem offenen Feuer, direkt daneben hauste ihr einziges Kalb. Auf Rat einer Sozialarbeiterin von Menschen für Menschen errichtete die Familie einen Stall, sie gruben eine Latrine und zimmerten eine kleine Kochhütte. In ihr steht ein holzsparender Ofen, den Tadelu von der Stiftung bekam.

Nun plagen sie nicht länger Kopfschmerzen durch den Rauch des offenen Feuers. Auch vor Unfällen – wie sie früher passiert sind – braucht sie sich nicht mehr sorgen: Vor vier Jahren, als ihre jüngste Tochter Deratu gerade zwei Jahre alt war, fiel sie ins Feuer. „Nur für Sekunden hatte ich mich umgedreht“, erinnert sich die Mutter. Doch Deratu hatte Glück im Unglück. Ihre Wunden wurden gut versorgt, nur einige dunkle Narben auf ihrem Arm blieben.

Die größten Reichtümer von Fayisa und Tadelu: der neue holzsparende Ofen und ein kleines Kalb.

Brunnen statt Flusswasser

Das ist in Nono Benja nicht selbstverständlich. In der Region, in der etwa 107.000 Menschen leben, mangelt es an medizinischer Versorgung, an Krankenhäusern. Die wenigen Gesundheitsstationen sind zu klein und schlecht ausgestattet.

Besonders zur Regenzeit ist das ein Problem. Die Flüsse, aus denen die Menschen ihr Trinkwasser schöpfen, führen dann viel Wasser. Erde, Steine, Gräser am Ufer werden mitgerissen, inklusive Müll und Fäkalien von Tier und Mensch. Eine Brutstätte für Keime und Parasiten, die schwere Magen-Darmerkrankungen auslösen. Auch Fayisa, Tadelu und ihre Kinder leiden dann regelmäßig unter Durchfall und Erbrechen.

Da es in ihrer Nähe keinen Brunnen oder eine geschützte Quelle gibt, haben Tadelu und ihre Töchter keine andere Wahl, als zwei bis dreimal täglich den einstündigen Marsch zum Fluss und wieder zurück auf sich zu nehmen. So geht es vielen Menschen in Nono Benja: Nur etwas mehr als jeder Dritte hat Zugang zu sauberem Trinkwasser.

“Das muss sich schnell ändern!”, sagt Zeleke Kasa, der das Projektgebiet leitet. “Noch in diesem Jahr wollen wir neun Flachbrunnen und mehrere Quellfassung errichten.” In einer der kleineren Städte wurde bereits mit dem Bau eines Wasserversorgungssystems begonnen. “Zudem unterstützen wir die Gesundheitsstationen mit medizinischer Ausstattung.”

Fast jedes Jahr erkrankt eines der Kinder an Malaria

Gute Neuigkeiten für Fayisa, dessen Familie auch mit Malaria zu kämpfen hat. Fast jedes Jahr erkrankt eines der Kinder, immer wieder die Eltern. Häufig fehlt es an Geld für Medikamente und Transport zur nächsten Gesundheitsstation. “Ich bitte meine Nachbarn oft um Geld, stottere dann die Schulden ab”, erzählt er.

Damit soll Schluss sein. Fayisa hofft, dass sie durch den Verkauf von Gemüse, den Eiern und Küken, dank Honig und Kaffee endlich aus ihrer Armut ausbrechen, Kleidung und Schulbücher kaufen können. Gern würde Fayisa das Strohdach ihrer Hütte durch Wellblech ersetzen. Oder gleich ein neues Haus bauen, mit Zimmern für die Kinder, für Tadelu und sich. Seine bisherigen Erfolge stimmen ihn zuversichtlich und so ist er sich sicher, dass er sich irgendwann auch diesen Traum erfüllen kann.

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