Ende des 19. Jahrhunderts war die italienische Armee daran gescheitert, Äthiopien einzunehmen und wie Eritrea und Somalia zu kolonialisieren. 1935 griffen die Italiener unter Benito Mussolini erneut Äthiopien an. Der damit begonnene Abessinienkrieg verlief äußerst brutal. Italien setzte chemische Waffen ein und nahm 1936 Addis Abeba ein. Fünf Jahre hielt Italien große Teile Äthiopiens besetzt, bis sich das äthiopische Militär 1941 mit Hilfe der Briten befreite.
An einigen Stellen lässt sich die Besatzung bis heute erkennen: an alten Steinbrücken, über die Flüsse des Landes verteilt, an den Nudelgerichten auf den Speisekarten von Restaurants und an Gebäuden in größeren äthiopischen Städten – wie dem Wohnhaus von Yeshi Eshete. Nach dem Abzug der Italiener zogen Familien von äthiopischen Soldaten in das Gebäude. Einige vermieteten die Wohnungen später weiter. Darunter auch an Yeshis Mann. „Als ich vor 25 Jahren zu ihm zog, war ich begeistert, wie groß das Haus war“, berichtet Yeshi. Sie zog aus dem äthiopischen Hochland nach Addis Abeba.
Natürlich sei das zweistöckige Gebäude noch immer in einem besseren Zustand als viele der Wohnhütten in ihrer ländlichen Heimat, auch wenn es in die Jahre gekommen ist. Da das Haus unter Denkmalschutz steht, dürfen es die Bewohnerinnen und Bewohner nicht renovieren. „Wenn es regnet haben wir Angst, dass es reintropft“, sagt Yeshi. Sie ist über eine schmale, schiefe Treppe in das Erdgeschoss geklettert, um ihre Nachbarin zu besuchen.