Ein historisches Haus mit vielen Pflanzen

Haus mit Geschichte: Italiens Erbe in der Hauptstadt

09
Juni 2025

Aktuelles

Von der kleinen Terrasse vor ihrer Wohnung überblickt Yeshi Eshete die Nachbarschaft: Zwei Frauen schleppen Einkaufstaschen durch die engen Gassen, Jugendliche sitzen am Eingang eines Kiosks, ein älterer Herr gießt Blumen vor seiner Haustür. „Ich liebe, wie ruhig es hier ist“, sagt Yeshi. Ihr Zuhause in der Altstadt Addis Abebas ist besonders. Der Ort und das Gebäude haben eine lange Geschichte. Eine, die auch von der bewegten Vergangenheit Äthiopiens erzählt. Ihr Wohnhaus wurde, wie einige andere in der Nachbarschaft, von Italienern erbaut – in den wenigen Jahren, in denen die Europäer das ostafrikanische Land besetzten.

 

Ende des 19. Jahrhunderts war die italienische Armee daran gescheitert, Äthiopien einzunehmen und wie Eritrea und Somalia zu kolonialisieren. 1935 griffen die Italiener unter Benito Mussolini erneut Äthiopien an. Der damit begonnene Abessinienkrieg verlief äußerst brutal. Italien setzte chemische Waffen ein und nahm 1936 Addis Abeba ein. Fünf Jahre hielt Italien große Teile Äthiopiens besetzt, bis sich das äthiopische Militär 1941 mit Hilfe der Briten befreite.

An einigen Stellen lässt sich die Besatzung bis heute erkennen: an alten Steinbrücken, über die Flüsse des Landes verteilt, an den Nudelgerichten auf den Speisekarten von Restaurants und an Gebäuden in größeren äthiopischen Städten – wie dem Wohnhaus von Yeshi Eshete. Nach dem Abzug der Italiener zogen Familien von äthiopischen Soldaten in das Gebäude. Einige vermieteten die Wohnungen später weiter. Darunter auch an Yeshis Mann. „Als ich vor 25 Jahren zu ihm zog, war ich begeistert, wie groß das Haus war“, berichtet Yeshi. Sie zog aus dem äthiopischen Hochland nach Addis Abeba.

Natürlich sei das zweistöckige Gebäude noch immer in einem besseren Zustand als viele der Wohnhütten in ihrer ländlichen Heimat, auch wenn es in die Jahre gekommen ist. Da das Haus unter Denkmalschutz steht, dürfen es die Bewohnerinnen und Bewohner nicht renovieren. „Wenn es regnet haben wir Angst, dass es reintropft“, sagt Yeshi. Sie ist über eine schmale, schiefe Treppe in das Erdgeschoss geklettert, um ihre Nachbarin zu besuchen.

Siebzehn Menschen teilen sich zwei winzige Küchen und Toiletten. „Wir müssen viel Rücksicht aufeinander nehmen“, sagt Yeshi. Die räumliche Enge hat die Bewohnerinnen und Bewohner zusammengeschweißt. Wir sind eine große Familie“, sagt sie. „Wir leben nicht nur unter einem Dach, wir helfen uns, kochen füreinander und erziehen zusammen unsere Kinder.“ Die 50-Jährige möchte niemals wegziehen: „Das Haus und seine Bewohner sind etwas Besonderes.“

Wo einst italienische Soldaten hausten, leben die Bewohner des Viertels etwas abseits des Trubels mitten in Addis Abeba.
Wo einst italienische Soldaten hausten, leben die Bewohner des Viertels etwas abseits des Trubels mitten in Addis Abeba.
Zwei Bewohnerinnen in einem der alten Häuser im italienischen Viertel in Addis Abeba.
Die enge Nachbarschaft machen das historische Haus zu Yeshis Eshetes Rückzugsort.
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