Flink huschen die Schiffchen von rechts nach links und zurück. Binnen Minuten entsteht vor Elias Kuma ein Muster aus bunten Baumwollfäden. „Gelb steht für Frieden, Schwarz für den Glauben an unseren Schöpfer und Rot verbindet uns mit anderen“, erklärt Elias. Der 32-Jährige arbeitet an einem Schal, den er auf dem Markt verkaufen möchte. Er gehört den Gamo an, einer ethnischen Volksgruppe im Süden Äthiopiens. Seit Jahrhunderten sind sie landesweit als Webkünstler bekannt.

Elias schöne Kleider: traditionelle Webkunst der Gamo
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Weben als neue Chance
Elias lernte das Handwerk von seinem Vater, der ihm an diesem Nachmittag in der Webstube gegenübersitzt. „Mit zehn Jahren setzte er mich das erste Mal an einen Webstuhl“, erinnert sich Elias. „Ich fand das total spannend!“. Wie viele Weber in der Nachbarschaft produziert der 85-jährige vor allem weiße Stoffe. Dass der Sohn anspruchsvollere Stücke wie Hüte, Frauenkleider, Anzüge für Männer und sogar Schuhe herstellen kann, ist einer dunklen Zeit in dessen Leben geschuldet.

„Ich habe das im Gefängnis gelernt“, gibt Elias zu. Bei einem Streit warf er aus Wut mit einem Stein nach seinem Widersacher und verletzte ihn. Für drei Monate kam er hinter Gitter. Um den Insassen eine Perspektive zu geben und Einkommen für die Einrichtung zu generieren, bot das Gefängnis Kurse im Weben, Töpfern oder Schreinern an. „Ich bereue was passiert ist“, sagt Elias. „Doch ich habe das Beste daraus gemacht.“ Mit den traditionellen Anzügen und Kleidern verdient er heute deutlich mehr als mit den einfarbigen Schals seines Vaters. Auf dem Wochenmarkt hat er einen Verkaufsstand. Doch für aufwendigere Aufträge empfängt Elias seine Kunden in der Werkstatt. „Ich berate sie zu Mustern und Schnitten, zeige fertige Stücke“, sagt Elias und erklärt: „Einige Designs sind Hochzeiten oder Ostern vorbehalten, andere für Beerdigungen.“
Die besten Monate zum Verkauf sind September und Dezember, vor großen äthiopischen Feiertagen. In einer Woche verdient Elias dann durchschnittlich rund 7.000 Birr, umgerechnet etwa 115 Euro. Dank seines Einkommens konnte Elias zuletzt eine Dusche in seinem Garten installieren. Er buddelte auf seinem Grundstück und fand im sumpfigen Gelände schnell ausreichend Grundwasser.

10 Birr nimmt er pro Duschgang. „Das hilft der ganzen Nachbarschaft. Wir können das ganze Jahr über duschen“, freut sich der dreifache Vater. Mit seinem Verdienst aus der Weberei und dem Gehalt seiner Frau Meseret, die als Lehrerin arbeitet, wollen sie ihren Kindern eine gute Schulbildung ermöglichen „Ich hoffe, sie werden Ärzte oder Anwälte“, sagt Elias. Damit das traditionelle Handwerk dabei nicht ganz verloren geht, unterrichtet er seinen Sohn am Wochenende am Webstuhl. So wie sein Vater einst ihn.