Die Stadt Lalibela im äthiopischen Hochland ist ein sagenumwobener Ort, der mit einer 20-stündigen Busreise oder einem 50-minütigen Flug von Addis Abeba erreichbar ist. Man findet dort ein architektonisches Meisterwerk, das zeitgleich einer der wichtigsten Orte für Christen und ein Highlight vieler Touristen ist – besonders zu Ostern.
Felsenkirchen von Lalibela: Besonders zu Ostern magisch
Äthiopien Wiki
Lalibela war im 12. und 13. Jahrhundert die Hauptstadt des Königreiches Äthiopien. Der gleichnamige König Lalibela soll sich gewünscht haben, Jerusalem zu besuchen und dort begraben zu werden. Im Traum bekam er von Gott die Anweisung, ein neues Jerusalem in seiner Heimat zu erbauen. Einer anderen Legende zufolge träumte der König eines Nachts davon, in Jerusalem zu sein. Dabei enthüllte Gott ihm die Geheimnisse der Heiligen Stätten und forderte ihn auf, ein Abbild davon in Äthiopien zu errichten. Grund genug die Stadt auch Neu-Jerusalem zu nennen.
Tatsächlich bietet Lalibela Parallelen zum Heiligen Land: der kleine Fluss Yordanos, der nur in der Regenzeit Wasser führt, die Plätze Golgatha und Sinai sowie Gräber, die Adam und Jesus gewidmet sind. Doch die eigentliche Besonderheit von Lalibela sind die elf Felsenkirchen, die in den rostroten Tuffstein gemeißelt wurden. Jedes Gebäude, jede Treppe, jeder Altar wurde filigran ausgearbeitet – der Legende nach in nur 23 Jahren. So soll der König tagsüber alleine gemeißelt haben, nachts wurde er dann von unzähligen Engeln abgelöst, die sein Tagewerk vollendeten.
Felsenkirchen von Lalibela sind Weltkulturerbe
Andere sind der Überzeugung, der König hätte gemeinsam mit vielen anderen an diesem Projekt gearbeitet oder sie mit fortwährenden Gebeten unterstützt. Wissenschaftler hingegen gehen davon aus, dass 40.000 Menschen an den Bauarbeiten beteiligt gewesen sein mussten, um die ganze Arbeit in diesem kurzen Zeitraum zu bewerkstelligen. Wie auch immer dieses Meisterwerk entstanden ist, ein Highlight jeder Äthiopienreise ist es allemal. Seit 1978 zählen die Felsenkirchen von Lalibela zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Besonders an christlichen Feiertagen wie Weihnachten oder Ostern wird Lalibela zu einer faszinierenden Pilgerstätte – für Gläubige und Neugierige aus aller Welt.
So auch in diesem Jahr: Seit Beginn der Fastenzeit verzichten zahlreiche äthiopische orthodoxe Christen auf tierische Produkte wie Fleisch, Eier und Milch, außerdem auf Alkohol und Musik. Das Abiy Tsom – das heilige Fasten – dauert bis zum äthiopisch-orthodoxen Ostersonntag und gipfelt in einem absoluten Verzicht von Nahrungsmitteln zwischen Karfreitag und Ostersonntag.
Jedes Gebäude, jede Treppe, jeder Altar wurde filigran ausgearbeitet – der Legende nach in nur 23 Jahren.
Während der gesamten Fastenzeit finden in Lalibela täglich zweieinhalbstündige Nachmittagspredigten zur spirituellen Reinigung statt. Die gesamte Stadt verwandelt sich quasi in ein ehrfürchtiges Meditationskloster. Je näher Ostern rückt, desto besonnener wird die Stimmung der Gläubigen. Entsprechend besonders ist die Heilige Woche – die sieben Tage vor der Auferstehung Christi.
Gründonnerstag leitet Osterfest ein
Das Osterfest wird am Gründonnerstag feierlich eingeleitet. Jede Familie backt ein spezielles Osterbrot mit je zwölf Verzierungen für die zwölf Apostel. Zur Feier des “Letzten Abendmahls” wird abends im Kreise der Familie das typische Gründonnerstags-Essen verspeist: Frisches Brot und gulban – eine Mischung aus gekochtem Getreide. Tiefgläubige verzichten nach dieser Mahlzeit bis zum Fastenbrechen am Ostersonntag vollständig auf Nahrungsaufnahme.
Die Priester von Lalibela genießen an heißen Tagen den kühlen Schatten der Felskirchen. Dort lesen sie in ihrer Bibel und beten. Auch in den Kirchen gibt es einiges zu entdecken, etwa die handgemalten Wand- und Deckenbilder, die von der UNESCO teilweise restauriert wurden.
Am Karfreitag ziehen die Kinder von Lalibela morgens los und singen das Lied “Misha Musho”. Es besteht aus einem Vers, der übersetzt so viel bedeutet wie: “Jesus wurde von den Römern festgenommen, er hat gebrochene Knochen und viele Wunden, wir sind hier, um dich nach Gaben für sein Essen zu bitten.”
Vergleichbar mit den katholischen Sternsingern in Deutschland ziehen die Kinder von Haus zu Haus und sammeln Teff- und Shiromehl oder das Gewürz Berbere. Eine Tradition, die es nur in Lalibela gibt. Auch jene Menschen, die ihre Religion nicht täglich ausüben, gehen in die Kirche, um Gott um Vergebung zu bitten.
Am Heiligen Samstag verteilen Kirchenmitglieder lange Grashalme. Wozu? Die Gläubigen binden sie sich um den Kopf, sie symbolisieren Jesus’ Dornenkrone. Der Ostersamstag ist ein sehr geschäftiger Tag. Viele sind unterwegs, um letzte Besorgungen für das große Fastenbrechen zu machen. Abends dann treffen sich die Gläubigen – und Schaulustigen – in und um die Kirchen von Lalibela, bis früh morgens wird andächtig gebetet.
Atemberaubende Atmosphäre in Lalibela
Girma, ein ortsansässiger Äthiopier fasst die Osterfeierlichkeiten in Lalibela so zusammen: “Man kann die Stimmung nicht in Worte fassen, man muss es selbst erleben.”