
Wascht eure Hände!
Projektgebiet: Borena
Nicht nur in Zeiten von Corona: Hygiene ist ein wichtiger Faktor für Gesundheit im ländlichen Äthiopien. An den Schulen von Menschen für Menschen lernen die Kinder sich richtig zu waschen.
Ein dünner Wasserstrahl schießt aus dem kleinen Loch an der Seitenwand des Plastikkanisters, als Meaza Debalke den Pfropfen – einen Nagel – zieht. Schnell hält die elfjährige Tiruwerk Yegu ihre Hände unter den Strahl und greift zur Seife. „Verteile sie gründlich auf deinen Handflächen, dann zwischen den Fingern und auf dem Handrücken“, erklärt Meaza. Sie ist Biologielehrerin an der Debat Higher Primary School. Zu ihrem Hygienetraining sind knapp ein Dutzend Schüler aus unterschiedlichen Klassenstufen zusammengekommen. „Erst sind die Hände dran, dann das Gesicht. Sonst befördert ihr die Bakterien und Viren direkt zum Mund, zu Nase und in die Augen.“
Von Tiruwerks Kinn tropft noch Wasser, als sie zur Seite tritt, um Platz für das nächste Kind zu machen. Früher ging die Fünftklässlerin oft ungewaschen zum Unterricht. „Ich wusste nicht, dass ich davon krank werden kann.“ Doch seit ihrem ersten Training vor einigen Jahren hat Tiruwerk viel gelernt. „Ich wasche mir jetzt immer Gesicht und Hände, bevor ich in die Schule gehe.“
Wasser und Hygiene
Beinahe der Hälfte der Menschen im ländlichen Äthiopien mangelt es an sauberem Wasser zum Trinken und für die Körperhygiene. Was sie mühsam aus Teichen, Bächen und Flüssen schöpfen, ist mit Bakterien und Parasiten verschmutzt – lebensbedrohliche Krankheiten sind die Folge. Gemeinsam mit der Bevölkerung bauen wir deshalb an zentralen Orten Handpumpbrunnen, Quellfassungen oder ganze Wasserversorgungssysteme. Zudem organisieren wir Aufklärungskampagnen und errichten bei einem Schulneubau Toilettenhäuschen und Handwaschmöglichkeiten gleich mit. So lernen schon die Kleinsten, wie wichtig es ist, sich selbst sauber zu halten.
Durchdachtes Hygienekonzept in der Schule
Meaza ist stolz, wenn sie so etwas hört. Die 28-Jährige ist eine von zwei Lehrerinnen, die sich um die Aufklärung zum Thema Hygiene kümmern. Seit drei Jahren unterrichtet sie an der Schule, die Menschen für Menschen für über neunhundert Erst- bis Achtklässler am Stadtrand von Mekane Selam im Projektgebiet Borena errichtet hat. Neben den Schulgebäuden mit großen, hellen Klassenräumen ließ die Äthiopienhilfe zwei Toilettenhäuschen erbauen. Kein Vergleich zur Latrine zuvor. „Die war total ekelig“, erinnert sich Tiruwerk und rümpft ihre mit Sommersprossen gesprenkelte Nase. Auch an fließendem Wasser mangelte es. „Oft mussten wir Kanister von zuhause mitbringen.“ Heute bezieht die Schule sauberes Wasser aus einem Brunnen, den die Äthiopienhilfe in der Nähe gebaut hat.
Jeden Freitag kehren Tiruwerk und ihre Mitschüler für zwei Stunden die Klassenräume und sammeln Müll auf dem Schulhof. Menschen für Menschen stellt ihnen Besen und Mülleimer zu Verfügung. „Früher hat ein solcher Putztag kaum Sinn gemacht, weil wegen der Böden und Wände aus Lehm sofort alles wieder staubig war“, sagt der 54-jährige Schulleiter Abebe Ayalew. „Heute müssen wir die Schüler gar nicht mehr erinnern, die fangen von alleine damit an.“

Zum Hygienekonzept seiner Schule gehört auch, dass bei der morgendlichen Ansprache kontrolliert wird, ob die Schüler gewaschen und mit sauberer Kleidung zum Unterricht gekommen sind. Klasse für Klasse aufgereiht stehen die Mädchen und Jungen auf dem Schulhof. „Die meisten von euch haben saubere Gesichter. Das freut mich sehr!“, ruft Meaza. Damit alle sie sehen können, ist sie im weißen Lehrerkittel auf einen Stein gestiegen. „Denkt bitte weiterhin daran. So bleiben wir alle gesund!“
Wie Hygienetipps sich im Alltag verfestigen
Dass die Lehrerin die Hygienetipps ständig wiederholt, ist wesentlich, denn nur so werden sie für die Schüler zur Selbstverständlichkeit. „Vielen fällt es schwer, die Rituale, die wir hier beim Händewaschen in der Schule haben, auch daheim umzusetzen“, erklärt Maeza. Nach Schulschluss müssen sie ihren Familien auf dem Feld oder beim Hüten des Viehs helfen. Oft fehlt es außerdem an der elterlichen Ermutigung zum Händewaschen oder schlicht an sauberem Wasser oder Seife. Manchmal lädt Meaza deswegen auch eine Familie zum Gespräch ein oder besucht sie zuhause. Hier kann sie sich ein Bild von deren Lebenssituation verschaffen und sie versucht die Eltern davon zu überzeugen, wie wichtig es ist, sich um die eigene und die Körperhygiene ihrer Kinder zu kümmern. „Am besten ist es, wenn die Schüler das, was sie in unserem Training lernen, an ihre Familie weitergeben.“
So wie Tiruwerk. „Meine Eltern und Geschwister freuen sich, wenn ich ihnen zeige, worauf man achten muss“, sagt sie und lächelt zufrieden. Sie möchte später Ärztin werden und Menschen auf dem Land helfen, gesund zu bleiben. Wie wichtig dafür sauberes Wasser, Händewaschen und die eigene Hygiene ist, weiß sie nun schon.