Ametelah Shifan gießt ihre Pflanzen mit einer Gieskanne in der Nachmittagssonne

Eine Stadt blüht auf

Eine Stadt blüht auf

Wasserversorgung in Lemi-Robite

Einst fehlte es Lemi-Robite im Projektgebiet Wogdi an sauberem Trinkwasser. Frauen verbrachten häufig viele Stunden damit, Wasser zu schöpfen. Und dann machte das verdreckte Nass aus Tümpeln und Flüssen die Menschen auch noch krank. 2017 errichtete Menschen für Menschen daher ein lokales Versorgungssystem in der Kleinstadt. Vieles hat sich seither verändert.

Ametelahs grünes Paradies

Wer durch das schwere Metalltor in Ametelah Shifans Hinterhof tritt, steht in einem Garten Eden. Neben Kaffeesträuchern, Mango- und Avocadobäumen wachsen Kohl, Zwiebeln und Chilis. Der Duft von Thymian liegt in der Luft. Direkt am Eingang hängen junge grüne Äpfel an den Ästen.

„Bald kann ich sie pflücken. Es ist das erste Mal, dass der Baum Früchte trägt“, sagt Ametelah stolz. In ein schwarzes Gewand gehüllt, trägt die 42-Jährige eine grüne Gießkanne durch ihr Paradies. Das Wasser, mit dem sie täglich ihre Pflanzen, Obst und Gemüse versorgt, entnimmt sie einem Hahn, der mitten auf ihrem Grundstück aus dem Boden ragt. „Ohne das Wasser würde all das hier kaum wachsen“, sagt sie.

Ametelah Shifan hat ausreichend Wasser für sich und ihre Pflanzen.
Besonderes Glück: Ametelah Shifan hat ausreichend Wasser für sich und ihre Pflanzen.

Seit 2020 hat Ametelah einen eigenen Wasseranschluss. Eine Seltenheit im ländlichen Äthiopien. Sie lebt in Lemi-Robite, einer Kleinstadt rund 600 Kilometer nördlich von Addis Abeba, in der Region Wogdi im äthiopischen Hochland. Früher mangelte es den Bewohnerinnen und Bewohnern an sauberem Wasser. Zwar gab es in der Ortschaft Wasserstellen, von der Regierung installiert, doch sie wurden von einem lediglich 30 Meter tiefen Brunnen versorgt, der regelmäßig versiegte. Zu groß wurde die Nachfrage der wachsenden Stadtbevölkerung. „Stattdessen liefen wir zu Quellen im Umland“, erinnert sich Ametelah. Allein für Hin- und Rückweg waren sie und ihre Nachbarinnen mindestens eine Stunde unterwegs. Und obwohl das Wasser nicht geschützt war und sich so Bakterien und Parasiten leicht verbreiten, bildeten sich an den Tümpeln und Flüssen lange Schlangen. Regelmäßig standen Ametelah und ihre Töchter daher mitten in der Nacht auf, um in unbefestigtem Gelände und in Dunkelheit Wasser zu schöpfen. „Das ging schneller, aber es war sehr gefährlich“, sagt Ametelah. Einmal stolperte ihre älteste Tochter Ferhan, stürzte und verletzte sich. Eine Woche konnte sie nicht zur Schule gehen. „Ich fühlte mich schuldig, dass ich sie losgeschickt hatte“, sagt Ametelah. „Und dafür, dass ich meinen Kindern selten sauberes Wasser zu trinken geben konnte.“

Kreislauf des Glücks

So wie ihr ging es vielen in Lemi-Robite. Immer wieder brachen aufgrund des verdreckten Wassers Krankheiten aus, die vor allem für Kinder lebensbedrohlich sein konnten. Um die Situation zu verbessern, ließ Menschen für Menschen 2017 mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ein lokales Wasserversorgungssystem errichten. Seither thront ein gewaltiges Wasserreservoir aus Zement auf einem Hügel über der Stadt. Eine Pumpe versorgt es mit Grundwasser aus mehr als 70 Metern Tiefe. Von hier oben fließt es durch ein Leitungssystem zurück in die Stadt, wo es aus zahlreichen Zapfhähnen sprudelt. Den rund 7.000 Einwohnerinnen und Einwohnern stehen heute 23 Wasserstellen zur Verfügung. Drei weitere wurden an Schulen errichtet. Die Bevölkerung half damals beim Ausheben der Gräben für die Wasserleitung und bildete ein Wasserkomitee, das sich nach einer Schulung durch Mitarbeiter der Stiftung heute um die Wartung der Anlage kümmert und einen Obolus von den Nutzerinnen und Nutzern einsammelt. So fühlen sich die Menschen für die Anlage verantwortlich, auch wenn die Stiftung in Zukunft einmal die Region verlässt.

„Mit den Wasserstellen in der Stadt wurde vieles einfacher“, sagt Ametelah. „Doch auch hier musste ich Schlange stehen und die schweren Kanister nach Hause schleppen.“ Daher beschloss die Lehrerin, die an einer von Menschen für Menschen erbauten Schule unterrichtet, sich einen Anschluss von der Stadtleitung zu ihrem Haus legen zu lassen. Für das benötigte Material und die Montage bezahlte sie damals einmalig rund 60 Euro. Das Wasser nutzt die Familie heute zum Trinken, Kochen, Putzen, zum Waschen der Kleidung und zum Duschen. In einem schmalen Raum ihres Wohnhauses haben Ametelah und ihr Mann ein Badezimmer inklusive Duschkopf installiert. Auch die drei Bewohner, an die das Ehepaar Zimmer vermietet, profitieren von der Duschkabine und dem eigenen Wasseranschluss.

Ametelah Shifan freut sich über den neuen Wasseranschluss in ihrem Zuhause
Eine eigene Dusche ist im ländlichen Äthiopien eine Seltenheit.

300 Birr monatlich bezahlt Ametaleh für den gesamten Wasserverbrauch. Umgerechnet etwas mehr als fünf Euro für die Menge von sieben Kanistern am Tag, inklusive des Wassers, das sie zum Gießen der Pflanzen in ihrem Garten benötigt. Die Setzlinge für das Gemüse und Obst stammen ebenfalls von Menschen für Menschen. Ein Entwicklungsberater der Stiftung erklärte ihr, wie sie diese am besten anpflanzen und bewässern sollte. „Die Arbeit im Garten ist zu meinem Hobby geworden und mit ihm wurde auch unsere Ernährung viel ausgewogener“, erklärt Ametelah. „Außerdem sparen wir Geld, da ich kein zusätzliches Gemüse auf dem Markt kaufen muss.“

Heimkehr dank Wasser

Sauberes Wasser aus dem eigenen Anschluss: Das Leben von Ametelah und ihrer Familie hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Andere kehrten deswegen sogar nach Lemi-Robite zurück. Wie Aselefu Said und ihr Mann, die einige Straßenzüge von Ametelah entfernt leben. Einst besaßen sie in der Stadt ein Grundstück. Doch das Leben war sehr beschwerlich.

„Ich verbrachte einen Großteil meines Tages damit, Feuerholz zu sammeln und Wasser zu schöpfen“, erinnert sich Aselefu. „Manchmal kam ich nach stundenlangem Marsch sogar ohne Wasser nach Hause.“ Die Warteschlange am Tümpel war schlicht zu lang. Aselefu und ihr Mann verkauften schließlich Grund und Boden und zogen für einige Jahre in die Nähe der Hauptstadt der Region Wogdi. „Doch als wir hörten, dass Wasser in die Stadt kommt, beschlossen wir heimzukehren“, erklärt Aselefu.

2020 kaufte das Ehepaar ihr Grundstück zu einem weitaus höheren Preis zurück. Sie haben es nie bereut. „Das war es wert“, sagt Aselefu. Sie nutzten das Wasser, um mit Lehm ihr Wohnhaus, inklusive eines Raumes, in dem sie heute ein Café betreiben, zu bauen.

„Ich koche mit dem Wasser Kaffee und Tee“, sagt sie, greift zu zwei gelben Kanistern, die vor ihr auf dem Boden stehen, und läuft ein paar Schritte zu einer der Wasserstellen der Stadt, die sich direkt neben ihrem Wohnhaus befindet. Aselefu schiebt die Ärmel ihrer beigen Strickjacke nach oben, dreht den Hahn vor sich auf und füllt den Kanister. Wenige Minuten später den nächsten.

Aselefu Said holt sauberes Wasser von der Wasserstelle.
Seitdem die Wasserstellen in Lemi-Robite gebaut wurden, haben Aselefu und ihre Familie genügend Wasser.

„Früher mussten wir oft zu fünft mit einem Kanister am Tag klarkommen“, sagt Aselefu. „Heute verbrauchen wir zum Kochen, Waschen, Putzen, zum Trinken und fürs Café an manchen Tagen sechs davon.“

Zweimal täglich, gegen acht Uhr morgens und nachmittags ab fünf, hat die Wasserstelle geöffnet. Obwohl das aus der Tiefe geförderte Wasser eigentlich reichen würde, die Stadt den ganzen Tag über zu versorgen, wurde die Ausgabe in der gesamten Stadt auf zwei Zeitfenster am Tag limitiert. Der Generator, der die Pumpe betreibt, wird mit teuer gewordenem Diesel betrieben.

Zweimal täglich, gegen acht Uhr morgens und nachmittags ab fünf, hat die Wasserstelle geöffnet. Obwohl das aus der Tiefe geförderte Wasser eigentlich reichen würde, die Stadt den ganzen Tag über zu versorgen, wurde die Ausgabe in der gesamten Stadt auf zwei Zeitfenster am Tag limitiert. Der Generator, der die Pumpe betreibt, wird mit teuer gewordenem Diesel betrieben. „Natürlich wäre es toll, den ganzen Tag über Wasser schöpfen zu können. Trotzdem ist die Situation auch so bereits viel besser als früher“, sagt Aselefu. Die 40-Jährige hofft, dass die Stadt und damit auch das Wassersystem bald an das Stromnetz angeschlossen wird, welches die äthiopische Regierung im ganzen Land ausbaut. „Bis dahin arrangieren wir uns.“

Eine von insgesamt 23 Wasserstellen in der Kleinstadt Lemi-Robite. Für das Wasser zahlen die Bewohner einen kleinen Obolus.
Aselefu Said bezahlt einen kleinen Obolus für das Wasser. Damit werden zum Beispiel Reparaturen finanziert.
Eine von insgesamt 23 Wasserstellen in der Kleinstadt.
Eine von insgesamt 23 Wasserstellen in der Kleinstadt. Zweimal am Tag hat sie geöffnet.

Lehrerin Ametelah spart indes für einen eigenen Wassertank, den sie auf dem Dach ihres Hauses installieren möchte. Er wäre an die allgemeine Leitung angeschlossen und würde sich in den Zeiten füllen, in denen das System die Stadt mit Wasser versorgt. Somit wäre Ametelah unabhängig und hätte jederzeit sauberes Wasser.

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