Pumpbunnen und Frauen mit Wasserkanister

Ein Brunnen für Gida

Projektgebiet: Dano
Schwerpunkt: Wasser

Früher schöpften die Bewohner des Dorfes Gida in der Projektregion Dano ihr Wasser aus dem Fluss. Die Folge: Viele litten an Magen- und Darmerkrankungen. Heute versorgt ein Brunnen die Menschen mit Trinkwasser. Alle Fragen und Probleme rund um die Anlage klären ein Wasser-Komitee und ein Brunnenwächter.

Es beginnt mit einem leisen Magengrummeln. Wenig später folgen die Krämpfe. Dann Erbrechen, Durchfall, Fieber. Berhane Gadissa hat oft erlebt, welche Folgen schmutziges Wasser für den Menschen haben kann. Die 25-jährige Bäuerin hat vier Kinder. Drei von ihnen litten in den vergangenen Jahren an schweren bakteriellen Infektionen oder Wurmerkrankungen. “Wir wussten, dass das Wasser aus dem Fluss gefährlich ist”, erinnert sich Berhane. “Aber was sollten wir tun? Es gab hier keine Alternativen!”

Also trugen sie und die anderen Menschen aus dem Dorf Gida in der Projektregion Dano täglich ihre großen gelben Kanister ans Ufer des Kawisa, der im Schatten von Bäumen friedlich dahinplätschert. Es ist ein trügerisches Idyll. Denn die trübe Brühe des Flusses war die Ursache für zahlreiche Magen- und Darmerkrankungen. Vor allem Kinder waren betroffen. “Jede Familie hier im Dorf kann eine Geschichte über die Krankheiten erzählen, die das Flusswasser verursacht”, sagt Berhane.

Heute können sie und die anderen Eltern aus Gida ruhiger schlafen. Denn seit einem Jahr liefert ihnen ein Brunnen, den Menschen für Menschen unweit ihres Dorfes errichtet hat, sauberes Trinkwasser.

Berhane ist mit ihrer Nachbarin Ebise Shuma gekommen. Rund 20 Minuten müssen die beiden Frauen heute warten. Zeit für einen kleinen Plausch, dann sind sie an der Reihe. Berhane platziert sich hinter der massiven Pumpe, während Ebise den ersten Kanister unter das Metallrohr hält. Ein paar kräftige Züge am Hebel – schon schießt kühles, kristallklares Wasser hinein. Wasserholen ist eben Teamarbeit. “Man sieht und riecht schon, wie gut dieses Wasser ist”, sagt Berhane.

Frauen beim Wasserzapfen
Berhane Gadissa (rechts) und Ebise Shuma (links) schöpfen sauberes Trinkwasser am Brunnen von Gida.

40 bis 60 Liter pro Familie pro Tag

Abubakir Badasa steht etwas abseits und beobachtet mit einem Auge, wer sich zum Wasserholen anstellt. Der hochgewachsene 40-jährige Landwirt ist der Brunnenwächter von Gida. Jeden Morgen um sieben Uhr öffnet er eine schmale Tür aus Wellblech in dem hohen Holzspalier, das die Pumpe vor dem Vieh schützt. Abends um fünf verschließt er die Tür wieder. Dazwischen herrscht Dauerbetrieb: Rund 100 Familien aus dem Dorf zapfen hier täglich Wasser. Jeder stehen 40 bis 60 Liter pro Tag zu, je nach Anzahl der Familienmitglieder. Zwei Birr, umgerechnet rund sieben Eurocent, zahlt jede Familie in Gida für die Nutzung des Brunnens im Monat. Wer sich selbst diesen Kleinstbetrag nicht leisten kann, darf den Brunnen gratis nutzen. “Wir schicken niemanden weg”, sagt Abubakir.

Es ist ihm wichtig, zu betonen, dass die Menschen nicht für das Wasser zahlen, dass sie zapfen. “Das Wasser gehört allen”, sagt er. Aber die Instandhaltung der Anlage koste eben Geld, für das die Gemeinschaft aufkommen müsse.

äthiopischer Brunnenwärter
"Wir schicken niemanden weg", sagt Brunnenwächter Abubakir Badasa.

“Mit der Fertigstellung des Brunnens beginnt die Arbeit im Grunde erst”, sagt Demesse Degefa. Er ist Development Agent bei Menschen für Menschen und hat schon viele Brunnenprojekte geleitet. “Wenn die Bauarbeiten fertig sind, muss die Anlage gepflegt, gereinigt und ab und an repariert werden”, sagt er. Zudem muss jemand das Geld von den Dorfbewohnern einsammeln oder bei Konflikten schlichten. Aufgaben, für die ein Wasser-Komitee verantwortlich ist, das von den Dorfbewohnern gewählt wird. Hygieneschulungen runden das Angebot der Stiftung ab. “Wir wollen erreichen, dass die Menschen die neue Infrastruktur selbstständig verwalten”, sagt Demesse. Auf diese Weise schafft ein Brunnen nicht nur Zugang zu sauberem Wasser. Mit ihm verbreiten sich auch wertvolles Wissen und zivilgesellschaftliche Strukturen auf dem Land.

Grundwasser in acht Metern Tiefe

Dass Abubakir Badasa im vergangenen Jahr zum Brunnenwächter wurde, hat einen einfachen Grund: Das Stück Land, auf dem der Brunnen steht, gehört ihm. Schon sein Großvater und sein Vater bauten hier, auf rund zwei Hektar, Mais und Sorghum an. “Wir wussten allerdings nicht, dass wir auf einem Schatz sitzen”, sagt er. Als Demesse Degefa und die Experten der Stiftung sich vor mehr als einem Jahr auf die Suche nach einem geeigneten Standort für einen Brunnen machten, wurden sie bei Abubakir fündig. Der gab seine Erlaubnis für den Bau, und Demesse wies die Dorfbewohner an, einen Schacht zu graben. Mit Hacke und Spaten trieben sie eine Röhre von etwa 1,50 Meter Durchmesser vertikal in den Boden. In acht Metern Tiefe standen sie endlich mit den Füßen im Matsch. Sie waren auf Grundwasser gestoßen. “Es ist immer auch Glück dabei”, sagt Demesse.”Ein Felsbrocken an der falschen Stelle kann bedeuten, dass wir woanders von vorne anfangen müssen.”

150 Quadratmeter von Abubakirs Land braucht es für den Brunnen, eine Waschstelle und den Zugang von der Straße. Land, auf dem Abubakir künftig keinen Mais mehr anbauen kann. Dafür und für seine Arbeit als Brunnenwächter erhält er künftig 100 Birr, rund 3,30 Euro, im Monat aus der Gemeinschaftskasse. Mehr als eine Aufwandsentschädigung ist das nicht, aber Abubakir hat seine Entscheidung nie bereut. “Wir brauchen dieses Wasser, um die Krankheiten zu besiegen”, sagt er. “Das ist alles, was zählt.”

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