
Die tägliche Sorge ums Wasser
Schwerpunkt: Wasser
Die Kleinstadt Seyo in der Projektregion Dano wächst rasant, doch es mangelt den Menschen an sauberem Wasser. Die Folge sind schwere Krankheiten, die vor allem für Kinder tödlich enden können. Nur ein lokales Versorgungssystem kann die tägliche Sorge ums Wasser beenden. Nun hat Menschen für Menschen mit der Arbeit daran begonnen – mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Wenn ein Kind stirbt, sagen die Äthiopier, muss es nicht unbedingt von einem Priester beerdigt werden. Eine junge Seele, sagen die Leute, findet den Weg ins Paradies auch ohne Zeremonie. Schließlich ist sie frei von Sünden.

Die kleine Gitu wurde im Kreis ihrer engsten Familie auf einem Hügel vor der Stadt begraben. Ihr Vater Audugna Ejeta und Gifare Diribsa, ihre Mutter, waren da. Ebenso die vier Geschwister Chaltu, Melaku, Rabuma und Bikiltu. Sie legten Spielzeug mit ins Grab.
Gifare hatte bis zuletzt an ein Wunder geglaubt, gehofft, dass ihre Tochter den Kampf gegen die Krankheit gewinnen könne. Als die Fieberkrämpfe, das Erbrechen und der Durchfall immer schlimmer wurden, brachte sie Gitu zur Gesundheitsstation. “Sie haben alles getan”, sagt Gifare. Vergeblich. Am zehnten Tag ihrer Krankheit starb Gitu. Sie wurde sechs Jahre alt.
Schwere Epidemie im Jahr 2016
2016 wurde die Kleinstadt Seyo, rund 200 Kilometer westlich der Hauptstadt Addis Abeba gelegen, von einer schweren Epidemie heimgesucht. Hunderte Menschen wurden mit Symptomen wie heftigem Fieber, Durchfall und Erbrechen zur Gesundheitsstation gebracht.
Die wenigen Mitarbeiter der Station waren mit der Masse der Patienten überfordert, also ließen die Behörden große Zelte errichten, in denen die Kranken behandelt werden konnten. Am Ende zählten die Behörden fast 1.000 Infizierte. Wie viele Menschenleben die Epidemie kostete, lässt sich schwer sagen: Nicht immer ist die Ursache so eindeutig wie bei der kleinen Gitu.
Langes Warten für ein paar Liter Wasser
„Die Wurzel des Problems ist die schlechte Wasserversorgung in dieser Stadt“, sagt Sintayehu Gowalu. Er ist der Bürgermeister von Seyo in der Projektregion Dano. Die Stadt, die er regiert, zählt 15.000 Einwohner – und zwei Wasserstellen.

Beide wurden von der Stiftung Menschen für Menschen errichtet. Alle weiteren Quellfassungen und Brunnen in der Stadt sind versiegt. Und so bilden sich täglich lange Warteschlangen vor den wenigen Zapfhähnen, aus denen noch Wasser sprudelt. „Wenn sie zu lange warten müssen, weichen die Menschen auf Wasserstellen in der Umgebung aus“, sagt Sintayehu. Viele aber wollen sich den langen Marsch mit einem schweren Kanister auf dem Rücken ersparen und holen ihr Wasser am Fluss. Wo das Vieh säuft und die Autos gewaschen werden. Kurz: Wo das Wasser voller Keime ist. „Im Grunde ist es nur eine Frage der Zeit, bis die nächste Epidemie ausbricht.“
Tödliche Keime im Wasser
Wie die tödlichen Keime in den Körper der kleinen Gitu gelangten, ist ungewiss. Sie können mit dem Wasser aufgenommen oder von Mensch zu Mensch übertragen worden sein. Doch um die Gefahr zu mindern, zapft die Familie ihr Wasser heute ausnahmslos an einer der von Menschen für Menschen errichteten Quellfassungen. Auch, wenn man hier manchmal warten muss. An diesem Nachmittag machen sich die 14-jährige Chaltu und der 13-jährige Melaku mit je einem gelben Kanister in der Hand auf den Weg. Als sie die Treppe zur Wasserstelle, die in einem steilen Graben liegt, hinabsteigen, hören sie die anderen Kinder schon von Weitem.

Rund ein Dutzend Mädchen und Jungen warten hier bereits vor den Zapfhähnen. Nach einer Viertelstunde sind Chaltu und Melaku dran. „Das ging schnell“, sagt Chaltu, reinigt den Kanister und lässt Wasser aus dem Hahn in die Öffnung schießen. „Morgens vor dem Unterricht warten wir hier mehr als eine Stunde.“ Als die beiden fertig sind, bindet Chaltu sich den 20-Liter- Kanister mit einem Tuch auf den Rücken. Ihr Bruder Melaku schultert einen 10-Liter-Kanister. Dann tragen sie die schwere Last den Hang empor und nach Hause.
Die Sorge um Trinkwasser gehört zum Alltag in Seyo. Wo man hinsieht: gelbe Kanister. Sie stehen vor den Hütten in der Sonne und warten auf ihren nächsten Einsatz. Gebeugt unter der Last der gefüllten Plastikgefäße marschieren Frauen und Kinder durch die staubigen Straßen. Einige Bewohner der Kleinstadt haben in dieser Mühsal eine Marktlücke entdeckt. Mosisa Kalbessa zum Beispiel. Bis zu 20-mal am Tag treibt er seinen Esel zur Wasserstelle, füllt zwei 20-Liter-Kanister und bringt das Wasser gegen einen kleinen Botenlohn zu seinen Auftraggebern. Der Esel heißt „Robi“, zu Deutsch: „Regen“.
Bürgermeister Sintayehu hat die offiziellen Stellen schon oft um Unterstützung beim Bau einer lokalen Wasserversorgung gebeten. „Man sagte mir immer, wir müssten noch warten. In anderen Städten sei die Not noch größer.“ Dabei hat sich die Lage in Seyo in den vergangenen Jahren dramatisch verschlechtert: 2005 zählte die Stadt etwa 3.000 Einwohner. 2011, als Bürgermeister Sintayehu sein Amt antrat, waren es bereits 10.000. Seither sind nochmal 5.000 Menschen hinzugekommen.
Jeder dritte Äthiopier ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser
Bevölkerungswachstum und Landflucht stellen Äthiopien vor immer neue Herausforderungen. Viele Dörfer wachsen wie Seyo im Rekordtempo zu kleinen Städten heran. Um ihre Bewohner mit Wasser zu versorgen, ließen der Staat und Hilfsorganisationen wie Menschen für Menschen in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Brunnen und Quellfassungen bauen. Doch noch immer lebt ein Drittel der Bevölkerung ohne sicheren Zugang zu Trinkwasser. Vor allem auf dem Land fehlt es an Wasserstellen.
In Seyo setzt Menschen für Menschen derzeit mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ein lokales Versorgungssystem um. Wie dies nach der Fertigstellung aussehen wird, kann man schon heute in Lemi-Robite besichtigen. Die Ortschaft liegt rund 600 Kilometer nördlich von Addis Abeba in der Projektregion Wogdi im äthiopischen Hochland.
Bis vor Kurzem litt die Ortschaft, die in den vergangenen Jahren auf 6.000 Bewohner angeschwollen ist, ebenfalls unter Wassermangel. Die wenigen Wasserstellen wurden aus einem 30 Meter tiefen Brunnen versorgt, der ständig versiegte. In ihrer Not schöpften die Menschen Wasser im Fluss oder in Tümpeln. Immer wieder brachen Krankheiten aus.
Bevölkerungswachstum und Landflucht stellen Äthiopien vor immer neue Herausforderungen. Viele Dörfer wachsen wie Seyo im Rekordtempo zu kleinen Städten heran. Um ihre Bewohner mit Wasser zu versorgen, ließen der Staat und Hilfsorganisationen wie Menschen für Menschen in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Brunnen und Quellfassungen bauen. Doch noch immer lebt ein Drittel der Bevölkerung ohne sicheren Zugang zu Trinkwasser. Vor allem auf dem Land fehlt es an Wasserstellen.
„Unser Ziel ist es, den Menschen zu zeigen, dass dieses Wassersystem ihnen gehört.“
In Seyo setzt Menschen für Menschen derzeit mit Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) ein lokales Versorgungssystem um.

Wie dies nach der Fertigstellung aussehen wird, kann man schon heute in Lemi-Robite besichtigen. Die Ortschaft liegt rund 600 Kilometer nördlich von Addis Abeba in der Projektregion Wogdi im äthiopischen Hochland. Bis vor Kurzem litt die Ortschaft, die in den vergangenen Jahren auf 6.000 Bewohner angeschwollen ist, ebenfalls unter Wassermangel. Die wenigen Wasserstellen wurden aus einem 30 Meter tiefen Brunnen versorgt, der ständig versiegte. In ihrer Not schöpften die Menschen Wasser im Fluss oder in Tümpeln. Immer wieder brachen Krankheiten aus.
Heute thront ein gewaltiges Wasserreservoir aus Zement auf einem Hügel über der Stadt. Eine Pumpe versorgt es mit Grundwasser aus mehr als 70 Metern Tiefe.

Von hier oben fließt es durch ein Leitungssystem zurück in die Stadt, wo es bei Bedarf aus zahlreichen Zapfhähnen sprudelt. In Zukunft sollen Wasserleitungen gar einzelne Haushalte versorgen – im ländlichen Äthiopien eine Seltenheit. Menschen für Menschen hat auch dieses Versorgungssystem mit Mitteln des BMZ errichtet. Für seine Instandhaltung kommt die Gemeinschaft auf.
Wasser-Komitee kümmert sich um Instandhaltung

Bis heute hat Menschen für Menschen in Zusammenarbeit mit dem BMZ in vier äthiopischen Kleinstädten Trinkwasserversorgungssysteme umgesetzt. Ungleich höher ist die Zahl der Brunnen mit Handpumpen und Quellfassungen, die die Stiftung gebaut hat: Bis Ende 2017 belief sich ihre Zahl auf 2.416.
Sauberes Wasser für Seyo
Im zersiedelten Äthiopien sorgen diese Wasserstellen noch in den entlegensten Gegenden für einen sicheren Zugang der Menschen zu Trinkwasser. Nach Möglichkeit werden sie zudem um Waschplätze, Duschkabinen, Tiertränken oder Nachtspeicher für die landwirtschaftliche Bewässerung ergänzt. Alle neuen Wasserstellen werden außerdem von Aufklärungsprogrammen zur Gesundheitspflege begleitet.
In Seyo haben die Arbeiten vor Kurzem begonnen. Wenn sie beendet sind, werden Chaltu, Melaku und die anderen Kinder nicht mehr stundenlang um ein paar Liter Wasser anstehen müssen. Niemand wird mehr viele Kilometer zur nächsten Wasserstelle gehen, niemand mehr seinen Wasserkanister im Fluss füllen müssen.