
Ein Piks für die Zukunft
Im ländlichen Äthiopien mangelt es an medizinischer Grundversorgung und geschultem Personal. Vermeidbare Krankheiten enden oft tödlich, vor allem bei Kindern. Zum nächsten Arzt oder Krankenhaus sind häufig viele Tagesmärsche zurückzulegen. Wir renovieren die schlecht ausgestatteten Gesundheitszentren auf dem Land, versorgen sie mit Möbeln und medizinischem Material. Zudem schulen wir das Personal, beraten zur Familienplanung und unterstützen Impfkampagnen – damit vor allem die Kleinsten rechtzeitig ihren lebensrettenden Impfschutz erhalten.
Ein kleiner Piks, der Leben schützt
„Geht es der Kleinen gut?“ Krankenschwester Tarike Leta blickt lächelnd auf die neun Monate alte Riyana, die auf dem Schoss ihrer Mutter sitzt. Riyanas Mutter Direbe Ayela nickt und reicht der Schwester ein dünnes Heft. Es ist ein Mutter-Kind-Pass, in dem alle Impfungen vermerkt werden. Heute steht hier, im Gesundheitszentrum in Seyo im Projektgebiet Dano, für das kleine Mädchen mit der großen blauen Schleife im Haar die Masernimpfung an.


„Mach bitte ihren linken Arm frei“, sagt Tarike. Mit der Spritze beugt sie sich hinunter zu Riyana. Es dauert einige Sekunden, bis das Mädchen versteht und sie den Schmerz spürt. Dann stößt sie einen schrillen Schrei aus, drückt sich an ihre Mutter, schluchzt. „Ist schon geschafft“, tröstet Tarike. Direbe wiegt ihre Tochter zur Beruhigung hin und her. Riyana ist ihr zweites Kind. Ihre älteste Tochter ist drei Jahre alt. Auch mit ihr ist die 23-Jährige regelmäßig zu Untersuchungen und zum Impfen an das Gesundheitszentrum gekommen. Sie weiß, wie wichtig diese Termine sind.
Gesundheit für die Kleinsten
In Äthiopien sind vermeidbare Krankheiten weit verbreitet. Hepatitis, Typhus und Meningokokken gehören zu den häufigen Infektionskrankheiten im Land. Kinder sterben an Masern. Doch besonders im ländlichen Äthiopien ist es nicht selbstverständlich, dass Säuglinge und Kleinkinder den lebensrettenden Schutz erhalten. Menschen für Menschen informiert in den Projektgebieten daher regelmäßig über die Impfungen, unterstützt bei Impfaktionen an Krankenstationen oder Gesundheitszentren und stattet diese mit solarbetriebenen Kühlschränken für die Vakzine aus.
So sind nicht nur Direbe und Riyana an diesem Morgen zum Gesundheitszentrum gekommen. Viele Mütter mit Säuglingen warten auf den Holzbänken vor dem Behandlungszimmer. Jedes Mal, wenn von dort ein Kinderschrei ertönt, zuckt Zewuditu Gezahegn zusammen. An ihrer Brust liegt ihr zweieinhalb Monate alter Sohn Kaku. Er bekommt seine Fünffach-Impfung, unter anderem gegen Tetanus, Keuchhusten und Hepatitis B.

„Ich bin froh, dass er dadurch vor gefährlichen Krankheiten geschützt ist“, sagt Zewuditu. Kaku ist ihr sechstes Kind, ihr sechster Sohn. Den ersten bekam sie vor zwanzig Jahren, mit gerade einmal 15.
Zukunft mit Familienplanung
In der Vergangenheit kamen sie und viele andere nicht gerne zum Gesundheitszentrum in Seyo. Doch seitdem Menschen für Menschen das Gebäude renoviert und besser ausgestattet hat, ist das anders. Endlich gibt es jetzt eine Toilette, ein Kinderpflege- und Entbindungsbett steht zur Verfügung und die Räume wurden mit neuen Schränken, Tischen und Stühlen ausgestattet. „Alles ist heute in einem viel besseren Zustand“, sagt Zewuditu. Außerdem hat Menschen für Menschen Verhütungsmittel angeliefert. Zudem hat die Stiftung Schulungen für das Personal organisiert und finanziert. Tarike und die anderen Krankenschwestern und Pfleger lernten dabei mehr über eine ausgewogene Ernährung von Kindern, über kleine Augenoperationen oder computerbasiertes Gesundheitsmanagement.
Diese Fortbildung der Gesundheitsfachkräfte ist wichtig, denn in Äthiopien fehlt es vielerorts an Ärztinnen und Ärzten. So ist das Personal der ländlichen Gesundheitszentren und Krankenstationen oft die erste und einzige Anlaufstelle bei gesundheitlichen Problemen oder für Beratungen zum Thema Familienplanung.

Die Zukunft sicher planen
Bei Direbe Ayela hat die Aufklärung funktioniert: Nachdem sie von den unterschiedlichen Verhütungsmethoden erfahren hatte, sprach sie mit ihrem Mann. Und so entschied das Paar, dass sie keine weiteren Kinder bekommen möchten.
„Wir wollen uns auf Riyana und ihre Schwester konzentrieren, den beiden eine gute Schulbildung ermöglichen“, erklärt Direbe die Entscheidung. „Bekämen wir weitere Kinder, hätte ich viel weniger Zeit.“ Wenn Riyana größer ist, möchte Direbe einen eigenen Kiosk eröffnen, dort Seife, Öl und andere Haushaltsartikel verkaufen. Zusammen mit dem Einkommen ihres Mannes, einem Lkw-Fahrer, hofft sie, ihren Töchtern eine gute und gesunde Zukunft bieten zu können.
Veröffentlicht am 14. Juli 2021
