#section–hero-block_60be148df6c2f

Hoffnung wagen

Schwerpunkt: Landwirtschaft
Projektgebiet: Nono Benja
#section–text-block_60c9cc0c5849a

Das Leben der Eheleute Fayisa und Tadelu in Nono Benja scheint aussichtslos. Ihre Familie lebt von der Hand in den Mund. Ständig leiden sie unter Malaria und Durchfallerkrankungen, haben kein sauberes Trinkwasser. Doch seit einem Jahr engagiert sich Menschen für Menschen in ihrer Heimat und so trauen sich die Kleinbauern wieder zu hoffen.

Auf dem Hof von Tadelu Mosisa gackert und piepst es. Läuft die Bäuerin zwischen ihrer Wohnhütte und dem Kochverschlag zu den Feldern der Familie, muss sie aufpassen, dass sie auf keines der Küken tritt. Überall tapsen sie umher. Hühner picken Samen vom Boden. Ein Hahn kräht.

Die Vogelschar ist Teil von Tadelus Zukunftsplan. „Ich verkaufe die Eier auf dem Markt“, erklärt die 35-jährige. Einige lässt sie von den Hennen ausbrüten. Mit den Küken vergrößert sie ihr Hühnervolk oder verkauft sie. Vom Erlös möchte sie ein Schaf anschaffen. Es soll die Familie mit Milch versorgen und Tadelu Lämmer schenken, die sie auf dem Markt anbieten kann. Irgendwann, so hofft Tadelu, wird sie genug Geld für eine Kuh haben. „Ich bin fest entschlossen, das zu schaffen.“

#section–text-with-picture-block_60d04eafd402c
Tadelu und Faisa Mosiasa mit Tochter Deratu

Zusammen mit ihrem Mann Fayisa und sechs Kindern lebt sie in Konegi, einem Dorf im Projektgebiet Nono Benja, wo sich Menschen für Menschen seit einem Jahr engagiert und mit Kleinbauern wie Fayisa zusammenarbeitet.

#section–text-block_60c9cd2e5849e

Bisher hat der Landwirt auf 2,75 Hektar Ackerland Mais, Sorghum und Nigersamen angebaut. Von dem Getreide ernährte sich die Familie, einen kleinen Teil verkaufte Tadelu. 6.000 Birr, umgerechnet rund 120 Euro, verdienten sie damit jährlich. Das musste für alle reichen. Die harten Jahre haben das Ehepaar gezeichnet. Beide sind abgemagert, die Stirn des 49-jährigen Fayisa durchziehen tiefe Falten. Er wusste, dass er mehr verdienen und seine Familie hätte besser ernähren können, wenn er seine Landwirtschaft um Gemüse, Früchte oder Kaffee erweitert hätte. „Doch in unserer Gegend gab es das Saatgut nicht oder ich konnte es mir nicht leisten“, berichtet er.

#section–heading-separator-block_60c9cd7b584a0

Starthilfe für Fayisa

#section–text-block_60c9cd4c5849f

Durch Menschen für Menschen wurde sein Wunsch wahr. Ein Entwicklungshelfer versorgte ihn mit Saatgut für von Rote Beete, Zwiebeln, Karotten, Süßkartoffel, Kohl und Sojabohnen, mit Papaya-, Avocado- und Kaffeesetzlingen. Fayisa bestellte ein Fünftel seines Ackers nach dem Prinzip der Agroforstwirtschaft. Im Schatten schnell wachsender Bäume gedeihen sein Gemüse und der Kaffee. Bis dieser erntereif ist, muss sich Fayisa gedulden. Bis dahin kann er weiter Getreide anbauen und bereits reichlich Gemüse ernten. Das spült Geld in die Haushaltskasse. Knapp 90 Euro hat der Verkauf zusätzlich eingebracht. Einkommen, von dem Tadelu ihre ersten Hühner erwerben konnte.

#section–text-block_60c9cd9e584a1

„Wir haben die Ratschläge sofort angenommen“, erinnert sich Fayisa, der auch an einem Imkertraining der Stiftung teilnahm, „und waren überzeugt, dass sich unser Leben verbessern wird.“ Für die Arbeit der Stiftung  sind solch mutige Bauern, die die Rolle von Modellfarmern übernehmen, sehr wichtig – besonders in einem neuen Projektgebiet. Zunächst skeptische Landwirte sehen die Erfolge und sind bereit, ihren Hof ebenfalls neu zu organisieren.

#section–heading-separator-block_60c9e24cefa68

Miserable Gesundheitsversorgung

#section–text-block_60c9cdb3584a2

Noch vor wenigen Monaten kochte Tadelu mitten in der dunklen Wohnhütte über dem offenen Feuer, direkt daneben hauste ihr einziges Kalb. Auf Rat einer Sozialarbeiterin von Menschen für Menschen errichtete die Familie einen Stall, sie gruben eine Latrine und zimmerten eine kleine Kochhütte. In ihr steht ein holzsparender Ofen, den Tadelu von der Stiftung bekam.

Nun plagen sie nicht länger Kopfschmerzen durch den Rauch des offenen Feuers. Auch vor Unfällen – wie sie früher passiert sind – braucht sie sich nicht mehr sorgen: Vor vier Jahren, als ihre jüngste Tochter Deratu gerade zwei Jahre alt war, fiel sie ins Feuer. „Nur für Sekunden hatte ich mich umgedreht“, erinnert sich die Mutter. Doch Deratu hatte Glück im Unglück. Ihre Wunden wurden gut versorgt, nur einige dunkle Narben auf ihrem Arm blieben.

#section–double-image-block_60cb59bdea079
#section–text-block_60d0938882384

Die größten Reichtümer von Fayisa und Tadelu: der neue holzsparende Ofen und ein kleines Kalb.

#section–heading-separator-block_60c9cdd3584a4

Brunnen statt Flusswasser

#section–text-block_60c9cde9584a5

Das ist in Nono Benja nicht selbstverständlich. In der Region, in der etwa 107.000 Menschen leben, mangelt es an medizinischer Versorgung, an Krankenhäusern. Die wenigen Gesundheitsstationen sind zu klein und schlecht ausgestattet.

Besonders zur Regenzeit ist das ein Problem. Die Flüsse, aus denen die Menschen ihr Trinkwasser schöpfen, führen dann viel Wasser. Erde, Steine, Gräser am Ufer werden mitgerissen, inklusive Müll und Fäkalien von Tier und Mensch. Eine Brutstätte für Keime und Parasiten, die schwere Magen-Darmerkrankungen auslösen. Auch Fayisa, Tadelu und ihre Kinder leiden dann regelmäßig unter Durchfall und Erbrechen.

Da es in ihrer Nähe keinen Brunnen oder eine geschützte Quelle gibt, haben Tadelu und ihre Töchter keine andere Wahl, als zwei bis dreimal täglich den einstündigen Marsch zum Fluss und wieder zurück auf sich zu nehmen. So geht es vielen Menschen in Nono Benja: Nur etwas mehr als jeder Dritte hat Zugang zu sauberem Trinkwasser.

„Das muss sich schnell ändern!“, sagt Zeleke Kasa, der das Projektgebiet leitet. „Noch in diesem Jahr wollen wir neun Flachbrunnen und mehrere Quellfassung errichten.“ In einer der kleineren Städte wurde bereits mit dem Bau eines Wasserversorgungssystems begonnen. „Zudem unterstützen wir die Gesundheitsstationen mit medizinischer Ausstattung.“

#section–heading-separator-block_60d0898a13552

Fast jedes Jahr erkrankt eines der Kinder an Malaria

#section–text-block_60c9ce12584a7

Gute Neuigkeiten für Fayisa, dessen Familie auch mit Malaria zu kämpfen hat. Fast jedes Jahr erkrankt eines der Kinder, immer wieder die Eltern. Häufig fehlt es an Geld für Medikamente und Transport zur nächsten Gesundheitsstation. „Ich bitte meine Nachbarn oft um Geld, stottere dann die Schulden ab“, erzählt er.

Damit soll Schluss sein. Fayisa hofft, dass sie durch den Verkauf von Gemüse, den Eiern und Küken, dank Honig und Kaffee endlich aus ihrer Armut ausbrechen, Kleidung und Schulbücher kaufen können. Gern würde Fayisa das Strohdach ihrer Hütte durch Wellblech ersetzen. Oder gleich ein neues Haus bauen, mit Zimmern für die Kinder, für Tadelu und sich. Seine bisherigen Erfolge stimmen ihn zuversichtlich und so ist er sich sicher, dass er sich irgendwann auch diesen Traum erfüllen kann.

#section–related-products-block_60be17dff6c38

#section–hero-block_5f3f824e234d6

Zurück ins Licht

Schwerpunkt: Gesundheit
Projektgebiet: Borena
#section–text-block_5f3f8078234cd

Grauer Star führt im ländlichen Äthiopien oftmals zu Erblindung, dabei ist die Krankheit mit einem Routine-Eingriff heilbar. Menschen für Menschen organisiert dort Augen-Operationen, wo keine Augenärzte sind.

Als sich vor zwei Jahren Zewude Mehameds Sicht trübte – so als würde sich ein immer dichterer Nebel vor ihre Augen schieben –, da wusste sie, was auf sie zukommt. „Ich hatte schreckliche Angst, dass es mir wie meinem Mann ergehen würde.“

Zewude ist Ende sechzig, ihr Gesicht und die schmalen Hände sind von tiefen Falten durchzogen. Sechs Jahre hatte sie sich um ihren Mann gekümmert. Er war auf beiden Augen erblindet, infolge einer Krankheit, mit der vor allem ältere Menschen auf der ganzen Welt zu kämpfen haben: dem Grauen Star.

#section–heading-separator-block_5f58e67eba17a

Die meisten Augenärzte praktizieren in Addis Abeba

#section–text-block_5f3f8099234ce

Die Linsentrübung ist für knapp die Hälfte aller Erblindungen weltweit verantwortlich. In Äthiopien ist sie neben der bakteriellen Trachom-Infektion die häufigste Ursache für den Verlust des Augenlichts. Grauer Star kann heute in einer Routine-Operation behandelt werden. Doch in vielen afrikanischen Staaten mangelt es an medizinischem Personal: Sta­tistisch gesehen ist ein Augenarzt in Afrika für eine Million Menschen zuständig, in Deutschland für rund 13.000.

Die überwiegende Zahl der äthiopischen Augenärzte praktiziert in Addis Abeba. Für die meisten Menschen sind sie somit unerreichbar. Zu weit die Reise, zu unerschwinglich der Transport, die Unterkunft in der Stadt und die Kosten für die Behandlung.

#section–heading-separator-block_5f3f80bb234cf

Stiftung bringt Augenärzte in die Projektgebiete

#section–text-block_5f3f80ce234d0

Mehrmals im Jahr organisiert Menschen für Menschen daher kostenlose Operationen. Vorgenom­men werden sie von ausgebildeten Augenärzten, wie dem 43-jährigen Fekadu Kassahun. Er arbeitet eigent­lich in einem Krankenhaus in der Hauptstadt und ist für seinen Einsatz knapp 600 Kilometer in das Projekt­gebiet Borena gereist. Über eine Woche wird er bleiben und bis zu 25 Patienten am Tag operieren. Menschen für Menschen bezahlt ihm und den zwei mitgereisten Krankenschwestern ein Tagegeld, die Linsen und das benötigte medizinische Material, wie Nadeln, Watte und Desinfektionsmittel. Für Transport und Logis kommen die Regierung und das Krankenhaus auf.

#section–text-background-block_5f3f80e5234d1

Gesundheit

Im ländlichen Äthiopien mangelt es an ausreichender medizinischer Grundversorgung und an gut ausgebildetem Fachpersonal. Werden die Menschen krank, müssen sie oft Tagesmärsche zurücklegen, um zu einem Arzt oder in ein Krankenhaus zu gelangen. Für viele ist medizinische Hilfe gar nicht erreichbar. Wir statten Gesundheitszentren auf dem Land mit Material aus, beratendie Menschen in Fragen der Gesundheitsvorsorge und der Familienplanung und klären über HIV auf. Zudem schulen wir medizinisches Personal, organisieren Impfkampagnen und ermöglichen Operationen – etwa bei Grauem Star.

#section–heading-separator-block_5f3f8186234d2

Ohne Familie geht es nicht

#section–text-block_5f3f8195234d3

Auch Zewudes Ehemann half die Äthiopienhilfe mit der Operation. „Aber als es ihm endlich besser ging, fing es bei mir an“, sagt Zewude. Konnte sie zu Beginn noch zu Hause leben, ist sie mittlerweile nahezu vollständig erblindet und musste zu ihrem Sohn Ali und seiner Familie ziehen. Ihr Mann schaffte es trotz zurückgewonnenem Augenlicht nicht, allein für sie zu sorgen.

„Wir kümmern uns um alles“, erzählt Ali. Während seine Frau ihrer Schwiegermutter in den alltäglichen Dingen zur Hand geht, für alle wäscht und kocht, bestellt Ali das eineinhalb Hektar große Feld. Die magere Weizen-, Teff- und Bohnenernte muss für seine eigene vierköpfige Familie und seine Eltern reichen. Wenn eine Anschaffung ansteht, heuert Ali als Tagelöhner an und verdient damit zwischen 1,50 und drei Euro am Tag. „Der Druck lastet schwer auf mir“, gibt der 38-Jährige zu.

#section–heading-separator-block_5f3f81c2234d4

Augenoperation sorgt für Hoffnung

#section–text-block_5f3f81cf234d5

Über einen Aufruf auf dem Markt erfuhr er, dass die Stiftung erneut Operationen des Grauen Stars anbietet. „Ich lief sofort nach Hause und erzählte es meiner Mutter.“ Zusammen haben sie den beschwer­lichen Weg in die Projektzentrale in Mekane Selam auf sich genommen. „Ich fürchte mich vor den Spritzen, aber ich will die Behandlung aushalten“, sagt Zewude. Wie die anderen Patienten sitzt sie vor dem Behand­lungszimmer auf einer Holzbank, ihre Haare für die Operation mit einer Plastiktüte aus dem Gesicht ge­bunden. „Mein Mann und andere Bekannte können wieder sehen. Das muss bei mir auch klappen“, gibt sie sich selbstbewusst. Wenig später wird sie aufgerufen.

#section–quote-block_5f3f8373234d7
Dann stehen die Chancen gut, dass sie sich ihren größten Wunsch erfüllen kann: wieder zu ihrem Ehemann zu ziehen und selbständig für sich zu sorgen.
#section–text-block_5f3f8389234d8

Nur zwanzig Minuten dauert die Behandlung, bei der Fekadu den Grauen Star in Zewudes linkem Auge entfernt und eine künstliche Linse einsetzt. Bereits am nächsten Morgen wird er ihr die Augenbinde ab­nehmen und sie wird wieder sehen können. “Zu erleben, wie sehr sich die Menschen in diesem Moment freuen, macht mich sehr glücklich”, sagt Fekadu. Drei Tage später wird er auch Zewudes anderes Auge operieren. Dann stehen die Chancen gut, dass sie sich ihren größten Wunsch erfüllen kann: wieder zu ihrem Ehemann zu ziehen und selbständig für sich zu sorgen.

#section–related-products-block_5f3f967354aaa #section–hero-block_5dc1a5a5c9501

Einsatz für Familienplanung

Schwerpunkt: Gesundheit
#section–text-block_5dc1a673c9502

Besonders die Frauen leiden unter der extremen Armut. Zahlreiche Schwangerschaften und die tägliche Sorge um ihre Familien laugen sie aus. Viele Maßnahmen von Menschen für Menschen richten sich deshalb besonders an sie: Wer der jungen Generation helfen will, muss die Mütter stärken.

#section–text-with-picture-block_5dc1a6b5c9504
Yeschi Tadesse, 37, Sozialarbeiterin von Menschen für Menschen im Dorf Kito

„Alle unsere Initiativen sind wichtig, denn sie ergänzen sich gegenseitig. Wenn ich aber etwas hervorheben soll, dann unseren Einsatz für Familienplanung. Wir beraten und sorgen für Verhütungsmittel. Die Frauen sind so dankbar, dass sie nun selbst über die Zahl ihrer Kinder bestimmen können! Und ich bin stolz, einen Beitrag für die Zukunft unseres Landes zu leisten, das in seiner Entwicklung auch durch Überbevölkerung bedroht ist.”

#section–related-products-block_5dd7ff39465fe #section–button-block_5dd7ffa8465ff
#section–hero-block_5dc27c83d5c10

Getu soll die Zukunft sehen

Schwerpunkt: Gesundheit
Projektgebiet: Ginde Beret
#section–text-block_5dc280f2d5c11

„Nein“, sagt Getu Ifa. „Ich habe keine Angst.“ Der Zehnjährige liegt auf einer Liege im Gesundheitszentrum von Chulute, und sein Brustkorb hebt und senkt sich schnell wie nach einem Hundert-Meter-Lauf: Natürlich hat er Angst vor der Operation. Wie viele Menschen im Projektgebiet Ginde Beret leidet der Junge am Trachom – einer Augeninfektion, die unbehandelt zum Erblinden führen kann.

#section–text-block_5dc28120d5c12

„Ich gebe dir eine Spritze zur lokalen Betäubung“, sagt Schwester Beletetsch, 24. „Ischi!“, sagt Getu unter dem dunklen Tuch, das sein Gesicht abdeckt und nur eine Öffnung für das rechte Auge freilässt: „Okay!“ Seine Hände sind fahrig. „Wie lange schon hast du diese Augenschmerzen?“, fragt die Krankenschwester. „Eigentlich schon immer“, antwortet Getu. Ob beim Viehhüten, beim Spielen mit Freunden oder in der Schule: ohne Unterlass ist da dieser Schmerz im rechten Auge. Es fühlt sich an, als ob Sandkörner auf den Augapfel drücken und reiben. Das Auge tränt, juckt und brennt. Manchmal bleibt Getu in der fensterlosen Hütte, wenn die Freunde draußen mit einem Stoffball spielen, weil der Schmerz in der Dunkelheit leichter zu ertragen ist und das Auge weniger tränt als in der grellen Sonne.

Getu leidet am Trachom (griechisch für „raues Auge“), einer chronischen Bindehautentzündung, die durch schlechte sanitäre und hygienische Lebensumstände verursacht wird. Im ersten Stadium der Krankheit setzen sich die Bakterien namens Chlamydia trachomatis an der Innenseite des Oberlides fest. Der Organismus wehrt sich, es bilden sich Lymphfollikel, gelbliche Erhebungen. Die Follikel platzen und vernarben – dadurch zieht sich die Lid-Innenseite zusammen. Die Folge: Das Lid mit den Wimpern dreht sich nach innen ein. Nun scheuern die Wimpern bei jedem Lidschlag und jeder Augenbewegung an der Hornhaut des Auges.

#section–text-block_5dc28418d5c13
#section–text-with-picture-block_5dc28445d5c14
In den Dörfern untersuchen Gesundheitsfachleute der Äthiopienhilfe die Augen der Einwohner.

Viele Betroffene lassen sich von Familienangehörigen die Wimpern rupfen. Doch nach wenigen Tagen kratzen die neu gewachsenen Wimpernstoppeln umso schlimmer am Augapfel. Das unablässige Scheuern macht die Hornhaut trübe, der Erkrankte erblindet langsam.

#section–heading-separator-block_5dc28512d5c15

Krankheit der Armen

#section–text-block_5dc28537d5c16

Amerikanische Ärzte beobachteten die Symptome häufig bei bettelarmen Auswanderern aus Europa, die im 19. und frühen 20. Jahrhundert im New Yorker Hafen ankamen. Heute jedoch ist die Krankheit in der reichen Welt völlig unbekannt. Ganz anders in Äthiopien.

#section–text-with-picture-block_5dc285f4d5c17
Zwei Stunden lang wandert Getu von seinem Dorf hinauf in die kleine Stadt Chulute, wo die Operation stattfindet. Sein Großvater begleitet ihn.

„Schon als Baby hat Getus Auge immer getränt“, erinnert sich Großvater Gima Maru, der seinen Enkel zur Gesundheitsstation in Chulute im Menschen für Menschen-Projektgebiet Ginde Beret begleitet. „Deshalb hat er auch Probleme in der Schule – er kann nicht richtig lesen, was der Lehrer an die Tafel schreibt.“

#section–text-block_5dc286b7d5c18

Laut einer Studie der nationalen Gesundheitsbehörden (2007) leiden 40 Prozent aller äthiopischen Kinder unter neun Jahren zumindest am Anfangsstadium des Trachoms – das sind rund neun Millionen Kinder. Bekommen sie keine Antibiotika, kann sich die Infektion langsam weiter zu dem Stadium entwickeln, in dem nur eine Operation vor dem Erblinden helfen kann. 1,3 Millionen Menschen in Äthiopien müssen operiert werden, sonst verlieren sie ihre Sehfähigkeit. 138.000 Menschen, die am Trachom leiden, sind laut der offiziellen Studie bereits auf beiden Augen erblindet.

Im Projektgebiet Ginde Beret ergab eine Untersuchung der Äthiopienhilfe, dass 55 Prozent der Bevölkerung von der Infektion betroffen sind. Daraufhin organisierte Menschen für Menschen eine Massenkampagne zur Verteilung von Medikamenten, die 2012 zum ersten Mal stattfand. Zunächst mobilisierten die Mitarbeiter 350 einheimische Helfer, die im gesamten Distrikt von Haus zu Haus zogen und die Bauern über die Dringlichkeit der Kampagne informierten. An Schulen und unter Bäumen auf zentralen Plätzen der Dörfer verteilten Gesundheitsfachleute dann Antibiotika-Tabletten, die von der International Trachoma Initiative (ITI) kostenlos zur Verfügung gestellt wurden. „Von den über 100.000 im Zuge der Kampagne registrierten Menschen erreichten wir mehr als 90 Prozent“, sagt Asaminew Wakjira, 31,zuständig für die Gesundheitsinitiativen im Projektgebiet Ginde Beret: „Ein toller Erfolg.“ Die Kampagne soll in den kommenden Jahren wiederholt werden: „Ziel ist es, die Infektionsrate auf unter zehn Prozent zu drücken.“

#section–heading-separator-block_5dc287b7d5c19

Nötig sind 2000 Operationen

#section–text-block_5dc28823d5c1a

Darüber hinaus führt Menschen für Menschen in den Schulen und Dörfern Screenings durch: Gesundheitsfachleute untersuchen die Augenlider der Bevölkerung. In Ginde Beret sind rund 2.000 Menschen, also jeder fünfzigste Einwohner, auf einen Eingriff angewiesen, um ihr Augenlicht zu retten.

#section–text-with-picture-block_5dc28830d5c1b
Beleletsch Deressa führt am Health Center der Kleinstadt Chulute Trachom-Operationen durch.

Im Dorf Barud untersuchte Asaminew Wakjira die Augen von Getu und gab ihm sofort einen Operations-Termin. Routiniert und sicher setzt Schwester Beletetsch mit dem Skalpell einen kleinen Schnitt ins Lid des Jungen. “Was willst du einmal werden?”, fragt sie.

#section–text-block_5dc2891dd5c1c

„Lehrer“, antwortet Getu unter dem dunklen Tuch, das sein Gesicht abdeckt. „Weißt du eigentlich, wie sich diese Augenkrankheit verbreitet?“ – „Nein“, sagt Getu. „Zum Beispiel über Fliegen“, erklärt sie. „Sie setzen sich an die Augen eines infizierten Menschen und tragen die Bakterien dann zum nächsten. Am besten, man wäscht sich pro Tag drei, vier Mal das Gesicht.“ – „Okay“, sagt Getu.

Sein Brustkorb hebt und senkt sich jetzt langsam, seine Hände sind still. Mit wenigen Stichen näht Schwester Beletetsch den Schnitt und fixiert damit das Lid so, dass die Wimpern nicht mehr am Auge kratzen. „Fertig!“, sagt sie nach kaum 15 Minuten.

#section–text-with-picture-block_5dc28abdd5c1e
Gesundheitsfachmann Asaminew Wakjira gratuliert Getu zur geglückten Operation: „Du bist sehr tapfer.“

“Du warst sehr tapfer!” In einer Woche soll Getu wiederkommen, um sich die Fäden ziehen zu lassen, sagt Schwester Beletetsch noch, bevor sie sich sofort der nächsten Patientin zuwendet: An manchen Tagen schafft sie bis 20 Operationen.

#section–heading-separator-block_5dc289b9d5c1d

Bessere Wasserversorgung

#section–text-block_5dc28b19d5c1f

Doch mit den chirurgischen Eingriffen und der Massenabgabe von Antibiotika allein ist es noch nicht getan. Um die Armutskrankheit langfristig und nachhaltig zu besiegen, braucht es im gesamten Landstrich eine viel bessere Hygiene und sanitäre Versorgung. In den Projektgebieten der Hilfsorganisation, in denen hauptsächlich Menschen muslimischen Glaubens leben, ist das Trachom viel weniger verbreitet: dort wäscht man sich vor den täglichen Gebeten rituell das Gesicht. Im christlichen Hochland aber, wo das Wasser häufig aus weit entfernten Quellen herangeschleppt werden muss, hüten die Menschen ihr Wasser als knappes Gut. Entscheidend bei der Trachom-Bekämpfung ist deshalb auch, die Wasserversorgung zu verbessern.

In Getus Dorf Barud hat die Äthiopienhilfe eine Quelle gefasst. Eine stählerne Pipeline führt das Trinkwasser 500 Meter weit den Hang hinunter zu einer Wasserstelle. Dort gibt es nicht nur Hähne zur Entnahme des Trinkwassers, sondern auch Waschbecken und Duschen. Durch die Wasserstelle wird nicht nur das Trachom zurückgedrängt, es werden auch andere landesübliche Gesundheitsgefahren wie bakterieller Durchfall oder Darmwürmer vermieden, die durch kontaminiertes Wasser entstehen. Die Hygieneaufklärung in den Dörfern ist ein wichtiger Teil der Arbeit von Schwester Beletetsch. Doch an zwei bis drei Tagen in der Woche operiert sie. Weit über 1.000 Eingriffe hat sie bereits vorgenommen .

#section–text-with-picture-block_5dc28b5ed5c20
Beleletsch Deressa, 24, ist Krankenschwetser und Trachom-Operatuerin von Menschen für Menschen.

“Ich liebe meine Arbeit”, sagt die 24-Jährige und lächelt. “Wer hier draußen in der Abgelegenheit der Dörfer nichts sieht, ist besonders arm dran. Ich sorge dafür, dass die Menschen ein würdiges Leben führen können.”

#section–text-block_5dc28c18d5c22

„Das Trachom ist ein gesundheitliches, aber auch ein ökonomisches Problem. Frauen sind davon dreimal häufiger betroffen als Männer – durch den engen Kontakt mit ihren Kindern kommt es zu gegenseitigen Infektionen. Eine Mutter, die ständig unter Augenschmerzen leidet oder gar erblindet, kann ihre Kinder nicht versorgen. Dann bleiben die Töchter zu Hause, um der Mutter zu helfen, statt zur Schule zu gehen. Der Kampf gegen das Trachom ist also auch ein Kampf für die Entwicklung der Familien.“

#section–related-products-block_5dd8017a65c05 #section–button-block_5dd801cd65c06
#section–hero-block_5dc1a9012d15f

Mit der Kraft der Sonne

Schwerpunkt: Gesundheit
Projektgebiet: Wogdi
#section–text-block_5dc1a9712d160

In der Projektregion Wogdi ermöglicht Menschen für Menschen seit 2013 Impfaktionen für Kleinkinder und schwangere Frauen. Ein Problem war stets der fehlende Strom in den Gesundheitseinrichtungen.

#section–text-block_5dc1a9952d161

Weil man Impfstoffe kühl lagern muss, brauchte es Generatoren – und Treibstoff war nicht immer einfach zu beschaffen. Seit zwei Jahren hilft die Sonne aus, im Dorf Demasiko zum Beispiel: Solarpanels auf dem Dach der Impfstation erzeugen Energie, die in großen Batterien gespeichert wird. Genug, um die Kühltruhe für die Impfstoffe zu betreiben. 21 Impfstationen arbeiten in Wogdi bereits mit Sonnenenergie. Die Solaranlagen, die Menschen für Menschen installiert hat, halfen allein 2016 Impfungen gegen Kinderlähmung, Diphterie, Tetanus und viele weitere Krankheiten für rund 4.200 Kinder aus der Region zu sichern.

#section–related-products-block_5dd802ee70b38 #section–button-block_5dd8036570b39
#section–hero-block_5dc296805fc4e

Impfpakete gegen Hepatitis

Schwerpunkt: Gesundheit
#section–text-block_5dc2974a5fc4f

Sie gelten als „stille Killer“, weil sie oft unbemerkt bleiben: Weltweit leidet einer von zwölf Menschen an chronischer Hepatitis B oder C.

#section–text-block_5dc2979f5fc50

Weil viele Infizierte nichts von ihrer Krankheit wissen, kann sie sich immer weiter ausbreiten. Dabei hat die Behandlung in den letzten zehn Jahren große Fortschritte gemacht. Beide Krankheiten lassen sich heute erfolgreich behandeln. Doch in Entwicklungsländern profitiert kaum jemand von den Fortschritten der Medizin. Um den Vormarsch der Krankheit in Äthiopien einzudämmen, führt Menschen für Menschen Impfkampagnen durch. Allein im Jahr 2015 erhielten rund 33.000 Kinder Impfpakete gegen zehn Krankheiten.

#section–related-products-block_5dd804335a597 #section–button-block_5dd8048b5a598
#section–hero-block_5dc29b624cac1

Gesundheitsvorsorge Äthiopien

Schwerpunkt: Gesundheit
#section–text-block_5dc29c514cac2

In Äthiopien konnte die Kindersterblichkeit seit 1990 um zwei Drittel gesenkt werden. Dies geht aus einem Report des UN-Kinderhilfswerks aus dem Jahr 2015 hervor. Menschen für Menschen hat einen großen Beitrag zu der positiven Entwicklung geleistet, beispielsweise mit dem Bau von Gesundheitsstationen oder der Bereitstellung von Krankenwagen.

#section–text-block_5dc29c654cac3

Allein von Januar bis August 2015 erhielten mehr als 24.000 Kinder Schutzimpfungen. „Wir dürfen in unseren Anstrengungen nicht nach lassen, solange immer noch Kinder an vermeidbaren Krankheiten sterben“, betont Vorstand Peter Renner. „Bis 2019 wollen wir knapp 100.000 Kinder unter fünf Jahren gegen oft tödliche Krankheiten impfen“.

#section–text-with-picture-block_5dc29ca94cac4
Impfkampagnen und sauberes Trinkwasser schützen in Äthiopien das Leben vieler Kinder.

Eine große Gefahr besonders für immunschwache Kleinkinder ist verschmutztes Trinkwasser, das zu schweren Durchfallerkrankungen führt. Die Äthiopienhilfe hat bis 2015 2.284 Wasserstellen gebaut, die täglich sauberes Trinkwasser für über eine halbe Millionen Menschen spenden.

#section–related-products-block_5dd8057c34249 #section–button-block_5dd805e93424a
#section–hero-block_5dc2a1ede590a

Enat-Hospital ausgezeichnet

Schwerpunkt: Gesundheit
Projektgebiet: Merhabete
#section–text-block_5dc2a2e9e590b

Das von Menschen für Menschen in Alem Ketema, der regionalen Hauptstadt der ehemaligen Projektregion Merhabete, gebaute und eingerichtete „Enat-Hospital“ wurde im Frühjahr 2014 vom äthiopischen Gesundheitsministerium als eines der besten Krankenhäuser Äthiopiens ausgezeichnet.

#section–text-block_5dc2a374e590e

Basierend auf Untersuchungen eines unabhängigen Expertenteams mit Vertretern verschiedenster Hilfsorganisationen und medizinischer Fachrichtungen wurden elf von landesweit 125 Krankenhäusern für die Qualität ihrer angebotenen Dienstleistungen und die hohe Patientenzufriedenheit ausgezeichnet. Sie erhielten jeweils ein Preisgeld von 1 Million äthiopischer Birr (etwa 37.000 Euro) für den Erhalt und die weitere Verbesserung der Servicequalität.

#section–text-with-picture-block_5dc2a37ee590f

Dr. Ayele Teshome, Gynäkologe, Chefarzt und “guter Geist” im Enat Hospital, will die finanzielle Hilfe für Prävention, insbesondere für Maßnahmen zur Reduzierung der hohen Müttersterblichkeit, verwenden.

#section–text-block_5dc2a3bbe5910

In den ländlichen Regionen müsse, so Dr. Ayele, „das Bewusstsein für die Notwendigkeit regelmäßiger ärztlicher Untersuchung für Frauen in der Schwangerschaft geschärft und eine stärkere Inanspruchnahme des Angebots medizinisch begleiteter Geburten im Hospital erreicht werden“, denn die traditionelle Hausgeburt berge ein hohes Risiko für Mutter und Kind. Auch Weiterbildungsmaßnahmen für Hebammen in den Dorfgemeinschaften möchte der Chefarzt umsetzen.

#section–related-products-block_5dd9138faa446 #section–button-block_5dd91438aa447
#section–hero-block_5dc2a6a060b83

„Ich rette Augenlicht“

Schwerpunkt: Gesundheit
Projektgebiet: Borena
#section–text-block_5dc2a8e660b84

Ich bin seit vier Jahren bei Menschen für Menschen. An einem Krankenhaus in der Hauptstadt Addis Abeba habe ich an einer Fortbildung teilgenommen. Dort lernte ich, wie man das Trachom operiert. Diese Infektion des Augenlides wird durch Fliegen übertragen – eine Armutskrankheit, verursacht durch zu wenig Wasser und Hygiene. Die ständigen Infektionen verändern über Monate und Jahre die Stellung des Lides, sodass die Wimpern bei jedem Wimpernschlag am Augapfel scheuern – dies verursacht fürchterliche Schmerzen. Auf Dauer wird das Auge zerstört. Deshalb führe ich bei den Betroffenen kleine Operationen durch, um die Stellung des Lides zu korrigieren. Manchmal operiere ich 15 Patienten am Tag. Ich habe schon weit mehr als 1.000 Eingriffe gemacht. Die Arbeit ist sehr befriedigend. Denn ich kann sagen: Ich rette Augenlicht. Die Patienten segnen mich und sagen: „Möge Gott dir ein langes Leben schenken.“

BAHAILU TAMERAT, 31, Krankenpfleger von Menschen für Menschen im Projektgebiet Borena

#section–related-products-block_5dd914fbab217 #section–button-block_5dd91555ab218
#section–hero-block_5dc2c94b525f2

„Diesmal will ich alles richtig machen“

Schwerpunkt: Gesundheit
Projektgebiet: Legehida
#section–text-block_5dc2ca02525f3

In Äthiopien sterben mehr als fünf von 100 Kindern im ersten Jahr nach ihrer Geburt. Das Risiko steigt, wenn Schwangere an Mangelernährung leiden oder schwere körperliche Arbeit leisten. Auch mangelnde Hygiene und fehlende medizinische Versorgung können Neugeborene gefährden. In speziellen Trainings erläutern Mitarbeiter von Menschen für Menschen Schwangeren und Müttern, wie sie sich und ihren Nachwuchs schützen können.

#section–text-block_5dc2ca1e525f4

Es fällt Kaulet Kassie nicht leicht, über Jemalu zu sprechen, ihren ersten Sohn. Sie war erst 17, als sie den Jungen zur Welt brachte – ein gesundes Baby, so sah es jedenfalls zunächst aus. „Er kam ein paar Wochen zu früh, aber sonst schien alles in Ordnung mit ihm“, erzählt sie. Acht Tage später war nichts mehr in Ordnung. „Jemalu wollte meine Brust nicht mehr“, sagt Kaulet. Erst schrie der Junge. Dann wurde er immer stiller. Zwei Wochen nach seinem Geburtstag starb Jemalu in den Armen seiner verzweifelten Mutter. Fünf Jahre ist das jetzt her.

Kaulet, mittlerweile 22 Jahre alt, ist wieder schwanger. „Im vierten Monat“, sagt sie, lächelt und streichelt den runden Bauch unter ihrem Gewand. Wie viele Frauen aus der Projektregion Legehida ist sie an diesem Samstag in das Dorf Sedere gekommen, um an einem Training teilzunehmen, das Menschen für Menschen gemeinsam mit der Gesundheitsbehörde Schwangeren und Müttern von Neugeborenen anbietet. Kaulet ist einen halben Tag marschiert, um aus ihrem Heimatdorf nach Sedere zu kommen. Sie ist gespannt, was sie hier in den nächsten Tagen erwartet. „Diesmal will ich alles richtig machen“, erklärt sie.

#section–heading-separator-block_5dc2ca63525f5

Lebenswichtiges Wissen

#section–text-block_5dc2cad6525f6

Wenig später sitzt Kaulet mit rund 250 weiteren Frauen Schulter an Schulter auf dem mit Heu bedeckten Lehmboden des Gemeindehauses. In weiße und bunte Gewänder gehüllt, lauschen sie gebannt den Vorträgen der Frauen und Männer auf dem Podium. Den Anfang macht an diesem Vormittag Kidist Birehanu. Die 27-jährige Sozialarbeiterin von Menschen für Menschenspannt ein quadratisches weißes Tuch vor ihrem Körper, faltet es diagonal und legt das Dreieckstuch einer Puppe mit wenigen Handgriffen als Windel an. Die Frauen greifen ebenfalls zu Tüchern und machen es ihr nach. „Wenn Kinder keine Windeln tragen, können sich Krankheiten viel leichter im Dorf verbreiten“, warnt Kidist die Frauen.

#section–big-image-block_5dc2cb35525f7
Projektgebiet Legehida im Dorf Sedere. Unsere Koordinatorin des Bereichs Frauenprogramme Mekdes Shibru im Gespräch mit Aberu Ali (links), die eine Tochter verloren hat und Kaulet Kassie, die ebenfalls ein Kind verloren hat.
Projektgebiet Legehida im Dorf Sedere. Unsere Koordinatorin des Bereichs Frauenprogramme Mekdes Shibru im Gespräch mit Aberu Ali (links), die eine Tochter verloren hat und Kaulet Kassie, die ebenfalls ein Kind verloren hat.
#section–text-block_5dc2cb64525f8

Als sie fertig ist, übernimmt ein Kollege. „Viele von euch verrichten schwere körperliche Arbeit, selbst wenn ihr hochschwanger seid“, sagt er. „Ihr müsst euch aber schonen! Eure Familien sollen euch unterstützen. Sonst gefährdet ihr eure ungeborenen Kinder.“ Bald schwenkt er um zu Fragen von Ernährung und Gesundheit: Wie sollten Schwangere sich ernähren? Wie sorgt man für Hygiene im Haus? Warum ist Stillen das Beste für Babys? Wie erkennt man, dass das eigene Kind mangelernährt ist? Welche Impfungen sind unbedingt notwendig? Was sollten Mütter tun, wenn ihre Kinder krank werden? Insgesamt vier Tage lang erläutern die Trainerinnen und Trainer den Frauen, was das Beste für sie selbst und ihre – ungeborenen oder kürzlich geborenen – Kinder ist.

#section–heading-separator-block_5dc2cbc6525f9

Risiken früh vermeiden

#section–text-block_5dc2cbf2525fa

Kaulet Kassie hat einen Platz am Rand ergattert und hört aufmerksam zu. Manches, was die Frauen und Männer auf dem Podium berichten, weckt Erinnerungen in ihr. Auch sie musste schuften, selbst als sie mit Jemalu bereits hochschwanger war. Saat ausbringen, Unkraut jäten: Ständig habe sie sich bücken müssen. „Wenn ich gewusst hätte, wie gefährlich das ist, hätte ich mich gegen diese Arbeiten gesträubt“, sagt sie. Auch ihre Ernährung sei nicht so gewesen, wie im Training geraten. Nur Fladenbrot und Bohnenpaste seien damals auf dem Speiseplan gewesen.

Als Energielieferant ist die traditionelle äthiopische Bauernmahlzeit tauglich, doch ihr fehlen wertvolle Nährstoffe. „Obst und Gemüse habe ich kaum gegessen“, erinnert sich die 22-Jährige. „Natürlich kann niemand mit Gewissheit sagen, woran der kleine Jemalu damals starb“, sagt Dr. Asnake Worku. Der Mediziner ist Direktor für Koordination und Entwicklung bei Menschen für Menschen in Addis Abeba und hat schon viele traurige Geschichten wie die von Kaulet Kassie und Jemalu gehört. Sicher sei aber, dass große körperliche Anstrengung bei gleichzeitiger Mangelernährung im Verlauf der Schwangerschaft das Kind schon im Mutterleib gefährdet. „Diese Babys kommen mit zu geringem Gewicht auf die Welt und sind einem hohen Risiko von Infektionen ausgesetzt“, weiß Dr. Asnake Worku.

#section–heading-separator-block_5dc2cc26525fb

Unterstützung der Familie

#section–text-block_5dc2cc3d525fc

Nach vier Tagen endet das Training in Sedere, und Kaulet wird in ihr Dorf zurückkehren. Dann beginnt ihre eigentliche Aufgabe: Sie wird ihrem Mann und den anderen Familienmit gliedern beibringen müssen, was für sie und das Kind in ihrem Bauch in den kommenden Monaten wichtig sein wird. Dass sie, die Schwangere, sich schonen muss und keine schweren körperlichen Arbeiten verrichten darf. Dass sie auch Obst und Gemüse essen muss, statt immer nur Fladenbrot und Bohnenpaste.

#section–text-with-picture-block_5dc2cc6c525fd
Aberu Ali, 39 (rechts) und Kaulet Kassie aus dem Dorf Sedere im Projektgebiet Legehida.

„Das Gemüse auf dem Markt können wir uns kaum leisten. Aber seit dieser Saison bauen wir Karotten, Kohl und Tomaten an“, erzählt Kaulet. Die Samen hat die Familie vor einigen Wochen von Menschen für Menschenerhalten. Die Samen hat die Familie vor einigen Wochen von Menschen für Menschen erhalten.

#section–text-block_5dc2ccc3525fe

Und dann spricht Kaulet doch noch ein wenig über Jemalu. „Wir haben ihn im Schatten eines großen Baumes auf unserem Grundstück begraben. Auf einer Anhöhe, die auch während der großen Regenfälle nicht im Matsch versinkt“. Sie besucht das Grab fast jeden Tag, um zu beten. Seit fünf Jahren. „Sein Tod soll uns eine Lehre sein.“

#section–related-products-block_5dd916d06a82a #section–button-block_5dd9172e6a82b
Die Stiftung Menschen für Menschen - Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe ist eine öffentliche Stiftung des bürgerlichen Rechts. Sie wird beim Finanzamt München unter der Steuernummer 143/235/72144 geführt und wurde zuletzt mit Bescheid vom 6. September 2021 wegen Förderung steuerbegünstigter Zwecke von der Körperschafts- und Gewerbesteuer befreit und somit als gemeinnützige Organisation anerkannt.