Menschen für Menschen ermöglicht Mikrokredite, mit denen sich vor allem junge Frauen eine eigene Existenz aufbauen können. Melkam Merchaw aus Mekane Selam ist eine von ihnen. Gemeinsam mit ihrem Ehemann hat sie eine Schlosserei gegründet.
Menschen für Menschen ermöglicht Mikrokredite, mit denen sich vor allem junge Frauen eine eigene Existenz aufbauen können. Melkam Merchaw aus Mekane Selam ist eine von ihnen. Gemeinsam mit ihrem Ehemann hat sie eine Schlosserei gegründet.
An diesem Vormittag lässt Melkam Merchaw vor ihrer Werkstatt die Funken fliegen. Eine junge Frau in rußschwarzer Arbeitskleidung, das karierte Tuch wie ein Turban um den Kopf gewickelt, dunkle Sonnenbrille im Gesicht, in den Händen ein zischendes Schweißgerät. So etwas sieht man nicht alle Tage, zumal nicht im ländlichen Äthiopien. “Es gibt Leute, die finden es nicht gut, dass eine Frau diese Arbeit tut”, sagt sie. “Ich glaube, sie sind nur neidisch, weil ich eine eigene Werkstatt habe”, sagt Melkam.
Schweißnähte ziehen – und ganz nebenbei am Frauenbild Äthiopiens schmieden: Seit Melkam Merchaw gemeinsam mit ihrem Mann Welde Gebreal eine Schlosserwerkstatt am Rand der Kleinstadt Mekane Selam, rund 400 Kilometer nördlich von Addis Abeba, gegründet hat, ist sie nicht nur Handwerkerin, sondern auch Symbol für einen neuen, selbstbewussten Typ Frau in Äthiopien.
“Meine eigene Mutter ist der Meinung, dass Frauen lieber auf dem Hof oder im Haus arbeiten sollten”, sagt sie. “Ich kann das nicht verstehen. Ich will unabhängig sein – und diese Arbeit macht das möglich.”
Die Geschichte von Melkam beginnt so, wie viele Geschichten junger Äthiopier beginnen. Nach der Schule hatte sie keine Chance, einen Beruf zu lernen oder zu studieren. “Ich war das dritte von acht Kindern”, sagt Melkam. “Eine Ausbildung für mich konnten sich meine Eltern nicht leisten.” Um etwas Geld zu verdienen, arbeitete sie in einem Café. Hier traf sie Welde. Die beiden verstanden sich gut und wurden nach einigen Monaten ein Paar.
Doch das Geld, das sie verdienten, reichte nicht für ein eigenes Zuhause. “Also versuchten wir unser Glück in Addis Abeba”, erzählt Melkam. Sie fanden Arbeit im Straßenbau – für umgerechnet 13 Euro am Tag. “Für ein kleines Zimmer reichte das, aber es war nicht genug, um sich etwas aufzubauen.” Eines Tages erhielten sie einen Tipp von einem Freund: Eine Firma bot Trainings für Schweißer an. “Erst guckten die Leute komisch, als eine Frau vor ihnen stand”, sagt Melkam. “Aber als sie sahen, dass ich arbeiten kann, durfte ich das Training beginnen.”
Nach dem Training arbeiteten die beiden für den Betrieb. “Die Arbeit machte uns Spaß, doch die Bezahlung war schlecht”, sagt Melkam. Zudem waren sie beide weit weg von ihren Familien, die nördlich von Addis Abeba leben. Sie beschlossen, die laute und dreckige Hauptstadt wieder zu verlassen – und zurück zu gehen, in die Nähe ihrer Familien. “Mekane Selam schien uns eine gute Wahl”, sagt Melkam. “Die Stadt wächst, also entstehen hier sicher auch Jobs, dachten wir.
Auf der Suche nach Arbeit erfuhren sie, dass Menschen für Menschen in Mekane Selam (Projektregion Borena) aktiv ist und Mikrokredite ermöglicht. “Wir baten um einen Termin und trugen unsere Idee, eine Schlosserei zu gründen, vor.” Gemeinsam mit Mitarbeitern der Stiftung erstellten sie einen Businessplan und wenig später hielten sie ihren ersten Mikrokredit in den Händen: 6.000 Birr, umgerechnet rund 180 Euro, ihr Startkapital. Sie mieteten sich eine Wellblechhütte am Stadtrand, kauften Gerätschaften und nahmen ihre ersten Aufträge an.
Schnell stellte sich heraus, dass der erste Generator zu schwach war. “Wir brauchten einen größeren”, sagt Melkam. Von einem weiteren Kredit, diesmal über 10.000 Birr, umgerechnet rund 300 Euro, kauften sie ein leistungsstärkeres Gerät. Eine bessere Ausstattung machte größere Aufträge möglich – und so konnten sie beide Kredite schnell wieder zurückzahlen. Heute sind Melkam und Welde gefragte Schlosser in Mekane Selam. Sie konstruieren Stahlgerüste für den Hausbau oder reparieren reihenweise Schulbänke.
Am Nachmittag kommen ihre Kinder, die fünfjährige Ruhama und die sechsjährige Elshadie, aus der Schule. Melkam und Welde legen die Maschinen zur Seite und nehmen die Mädchen auf den Arm. “Unsere Töchter sollen einmal mehr Möglichkeiten haben als wir”, sagt Melkam.
Seit 1996 gibt das Abdii Borii Kinderheim den Schutzbedürftigsten der Gesellschaft ein Zuhause. Erzieherin Nuria Musa erzählt aus dem Alltag im Heim.
“Einen Wecker brauche ich nicht. Nach 18 Jahren im Abdii-Borii-Kinderheim wache ich jeden Morgen pünktlich um 6.30 Uhr auf. Auch dann, wenn die Nacht kurz war: Die Kleinsten schlafen ja mit uns Erzieherinnen in einem Raum, damit wir schnell da sind, wenn sie nachts wach werden und weinen. Auch deshalb nennt man uns “Mütter”. Wir sind die Bezugspersonen – rund um die Uhr.
Ich bin Muslimin. Nach dem Aufstehen wasche ich mir Hände und Gesicht, dann bete ich. Das ist sowas wie die Ruhe vor dem Sturm. Im Anschluss wecke ich die Kinder und schicke sie ins Bad. Wenn ein Bett nass ist, wechsle ich die Wäsche. Wenn alle ihre Schuluniform angezogen haben, schicke ich sie zum Frühstück. Jetzt habe ich ein wenig Zeit, mich um die Kleiderkammer zu kümmern. Ich sortiere die gespendete Kleidung und schaue, wer was gebrauchen könnte.
Die Kinder gehen in zwei Schichten zur Schule: erst die Größeren, dann die Kleinen. Vormittags sorge ich also dafür, dass die Kleinen ihre Hausaufgaben machen, nachmittags sind die Großen dran.
Währenddessen sorge ich natürlich die ganze Zeit für die Kleinsten. Wenn wir ‘Mütter’ nach einer Zwei-Wochen-Schicht im Abdii-Borii-Kinderheim abgelöst werden, brauchen wir wirklich Erholung. Ich sage immer: ‘Wir haben den härtesten Job der Welt. Und den schönsten zugleich.’
Erzieherin Nuria Musa, 52
Die Kleinstadt Lemmi ist mit seinem großen Markt, einer weiterführenden Schule und medizinischer Versorgung für viele umliegende Gemeinden ein zentraler Anlaufpunkt. Allerdings liegt die Stadt auf einem Hochplateau, das von Steilhängen umgeben ist.
Wer aus dem Tal nach Lemmi wollte, hatte bislang zwei Möglichkeiten: fünf Stunden beschwerlichen Fußweg oder 45 Minuten auf einem halsbrecherischen Klettersteig. Um Zeit zu sparen, wählten die Menschen oft den direkten Auf- und Abstieg. Selbst ihr Vieh nahmen sie mit auf diesen gefährlichen Weg.
Oft mit schwerem Gepäck beladen, kletterten die Menschen über die Steine – ob jung oder alt. Niemand weiß genau, wie viele Menschen so in den Tod gestürzt sind – die Rede ist von mehr als 100 in den vergangenen zwei Jahrzehnten.
Den letzten Teil bildete eine steile, an die Felswand angelehnte Metall-Leiter.
2015 errichtet Menschen für Menschen die lange Wusha-Gedel-Treppe, die aus drei Teilabschnitten besteht. Nach 26 Monaten Bauzeit waren die Abschnitte fertiggestellt, die aus unterschiedlichen Richtungen zum Plateau führen: Zusammen haben sie 487 Stufen und bilden insgesamt eine 300 Meter lange Treppe.
Über die Stufen können die Menschen ihre Ernte und ihr Vieh zum Markt befördern. Für junge Leute dient die Treppe als Schulweg. Und wer schwanger oder krank ist, findet auf ihr einen sicheren Weg zum nächsten Arzt.
Ein Treppenbau als Gemeinschaftswerk: Menschen für Menschen hat Zement und Maurer bezahlt, viele Menschen aus der Umgebung halfen den Arbeitern und schafften Felsbrocken herbei.
Für die rund 15.000 weiteren Bewohner der Gemeinden im Tal hat die Treppe alles verändert. In kurzer Zeit können sie heute sicher auf das Plateau und zurück wandern. Sie sind an den lokalen Markt angeschlossen, können ihre Kinder auf die “Lemmi Secondary School” schicken und die medizinische Versorgung in der Stadt nutzen.
“Früher ging ich nur einmal im Monat auf den Markt in Lemmi. Und viele Kinder konnten nicht auf die weiterführende Schule dorthin gehen. Den Arzt konnten wir ebenfalls nicht erreichen. Der Treppe haben wir es zu verdanken, dass das alles Geschichte ist.”
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