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Die Lösungswerkstatt

Schwerpunkt: Bildung
Projekt: ATTC
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Seit fast 30 Jahren bildet Menschen für Menschen am Agro Technical and Technology College (ATTC) junge Erwachsene zu hochqualifizierten Fachkräften aus. Bevor sie sich auf dem Arbeitsmarkt beweisen, zeigen die Studierenden mit ihren Abschlussprojekten, was sie gelernt haben – und wie gesellschaftliche Herausforderungen in Äthiopien bewältigt werden können.

In Jeans und gestreiftem Hemd steht Muaz Hussien in der Lehrwerkstatt des ATTC. Bis vor wenigen Monaten hat er hier täglich im Blaumann geschweißt, gefräst und gefeilt. An diesem Morgen ist der 25-Jährige angetreten, um sein Abschlussprojekt vorzuführen: Er drückt den Schalter der Maschine vor sich und wirft ein großes Stück Plastik in einen Trichter. Laut rumpelnd wird es im Inneren gehäckselt und schießt Sekunden später in kleinen Schnipseln in einen Pappkarton. “So lässt sich das Plastik besser transportieren”, schreit Muaz gegen das Rattern an und dreht sich zum Publikum.

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Dicht an dicht drängen sich vor ihm junge Männer und Frauen des vierten und letzten Studienjahres, die sich in den kommenden Wochen eigene Themen für ihre Abschlussprüfung suchen müssen. “Die größten Probleme hatten wir mit der Klinge, die das Plastik zerteilt”, erklärt Muaz, nachdem er den Motor ausgestellt hat. “Sie brach immer wieder.”

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Erst als er und seine Kommilitonen, mit denen er den Kunststoffhäcksler entwickelte, das Messer aus Carbon-Stahl herstellten und die Schneidegeschwindigkeit der jeweiligen Härte des Plastiks anpassten, war das Problem gelöst. “Als das erste Mal alles funktionierte, fielen wir uns in die Arme”, erinnert sich Muaz.

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Problem: Mangelhafte Abfallwirtschaft

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Äthiopien hat eine der am schnellsten wachsenden Plastikindustrien in Afrika. Der gesamtwirtschaftliche Verbrauch von Plastik etwa zur Herstellung von Verpackungen, zum Einsatz in Konstruktionsprozessen oder in der Automobilindustrie hat stark zugenommen: 2007 waren es nur 44 Tonnen, 2015 schon viermal so viel, in diesem Jahr dürften es mehr als 300.000 Tonnen sein. Dabei verfügt das Land nur über eine mangelhafte Abfallwirtschaft.

Zwar gibt es kommunale Abfallunternehmen und private Müllsammler sowie wenige Recycling-Unternehmen, doch insgesamt wird Plastikmüll zu selten wiederverwertet. Stattdessen verbrennt er unter freiem Himmel, landet auf überfüllten Müllkippen oder in der Natur. Auch im direkten Umfeld des ATTC, in der ostäthiopischen Stadt Harar und umliegenden Gemeinden, war Muaz täglich mit dem Problem konfrontiert: Ob Straßengräben, Felder, Märkte und vor Geschäften, überall liegen Verpackungen, Plastiktüten und -flaschen.

“Es braucht bis zu 450 Jahre bis so eine Flasche zersetzt ist”, erklärt Muaz “Als wir uns näher mit dem Thema beschäftigten, merkten wir, dass der Plastikabfall oft sperrig ist.” Das mache den Transport aufwändig und wenig effizient. Auch sei es schwerer, große Plastikteile zu verarbeiten.

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Von der Zeichnung zum Endprodukt: Der Plastikhäcksler war eines der vielversprechendsten Abschlussprojekte der letzten Jahre. Die kleinen Plastikteile lassen sich einfacher transportieren und weiterverarbeiten. 

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Immer hilfsbereit: Dozent Tesfaye Gebre Michael unterstützt seine Studentinnen und Studenten, vor allem bei ihren Abschlussarbeiten

“Als die Studenten mir von ihrem Plan erzählten, war ich begeistert”, sagt Tesfaye Gebre Michael. Der 56 Jahre alte Wartungstechniker und Dozent der Fertigungstechnik begleitet die jungen Frauen und Männer durch ihr Studium, betreut sie vor allem in den letzten Monaten.

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“Es ist uns wichtig, dass die Abschlussprojekte der Studenten zur Entwicklung unserer Gesellschaft beitragen“, sagt Tesfaye, der seit mehr als 25 Jahren am ATTC unterrichtet. So wurde zum Beispiel eine mechanische Sämaschine entwickelt oder eine elektrische Küchenmühle zur Herstellung von Teffmehl, der Hauptzutat des säuerlichen Fladenbrots Injera.

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Lösungsorientiertes Studium

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Technische Lösungen für Probleme des Landes zu fördern war erklärtes Ziel von Menschen für Menschen, als die Stiftung 1992 das College gründete. Schon damals reagierte die Äthiopienhilfe auf den steigenden Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften, heute werden sie umso mehr gebraucht. Zwar leben noch immer rund 70 Prozent der Äthiopier als kleinbäuerliche Selbstversorger, doch das Land hat in den vergangenen Jahren einen beachtlichen wirtschaftlichen Aufschwung erlebt: Seit 2005 steigt das Bruttoinlandsprodukt jährlich zwischen sieben und knapp zwölf Prozent. Industrieparks und Infrastrukturprojekte werden vorangetrieben, wie Staudämme und Wasserkraftwerke, Eisenbahnstrecken und Straßen oder die erste elektrische Straßenbahn in Subsahara-Afrika, die 2015 in Addis Abeba eingeweiht wurde.

Das ATTC gehört zu den besten Hochschulen des Landes. Das Studium ist kostenlos. Maschinen, Werkzeuge, Arbeitskleidung, Bücher, sowie Verpflegung und Unterkunft für Studenten werden durch Spenden finanziert. Nur so kann gewährleistet werden, dass talentierte junge Menschen aus armen Verhältnissen die Möglichkeit zu einem Studium bekommen. Jahr für Jahr gehen rund 1.500 Bewerbungen für etwa 220 Studienplätze ein. Die Bewerber, die nach erfolgreicher Aufnahmeprüfung schließlich einen der begehrten Plätze ergattern, können sich nach einem Studium-Generale-Jahr zwischen vier Studiengängen entscheiden und innerhalb von vier Jahren in Fertigungstechnik, Elektronik & Elektrotechnik und Automobiltechnik mit einem Bachelor of Arts abschließen.

Der Studiengang Agrarökologie dauert drei Jahre. Bereits während dieser Zeit übernehmen viele Studierende Auftragsarbeiten von Unternehmen und Behörden. “Es ist toll, mitzuerleben, wie sich die jungen Menschen bei uns weiterentwickeln”, sagt Fertigungstechniker Tesfaye. Am Anfang wüssten die meisten nicht einmal genau, welche Metalle es gibt, am Ende verstünden sie komplexe Maschinen. Und können sie selbst herstellen.

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“Ich habe mich auf dem Campus sofort wohlgefühlt“

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“Wir würden uns freuen, wenn jemand aus dem aktuellen Jahr, den Plastikhäcksler weiterentwickelt”, ergänzt Tesfaye am Ende von Muaz Präsentation. “Denn mit dem Zerkleinern des Plastiks ist das Recycling nicht abgeschlossen.” Er blickt fragend in die Runde. “Ich hätte da ein paar Ideen”, ruft Dawit Feleke, ein schmächtiger Student, selbstsicher. “Man könnte den Kunststoff einschmelzen und daraus Steine für Straßenpflaster herstellen”, schlägt er vor. “Wie willst du sicherstellen, dass die den Belastungen im Straßenverkehr standhalten?”, hakt der Lehrer nach. Der Student überlegt: “Man könnte das Plastik mit Sand oder Kies vermischen. Aus dem geschmolzenen Plastik könnte man aber auch andere Dinge herstellen wie Stühle, Vasen oder Eimer.”

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“Mich hat das ATTC überzeugt, da es viel mehr praktischen Unterricht gibt. Und ich habe mich auf dem Campus sofort wohlgefühlt”, sagt Dawit Feleke.

Bereits als Kind interessierte sich Dawit für Technik. Aus Metall und Holz, das er auf der Straße fand, baute er sich ein Spielzeugauto. Nach seinem Schulabschluss schaute er sich das College der Äthiopienhilfe an, außerdem eine staatliche Universität. “Mich hat das ATTC überzeugt, da es viel mehr praktischen Unterricht gibt”, erzählt Dawit. “Und ich habe mich auf dem Campus sofort wohlgefühlt.”

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Beste Voraussetzungen für die Berufswahl

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Wie alle Studenten wohnt Dawit in einem der Wohnheime auf dem ATTC-Gelände. Neben Seminarräumen und Lehrwerkstätten gibt es dort eine große Kantine, eine modernisierte Bibliothek, einen Sportplatz. “Ich lebe hier mit Menschen aus ganz Äthiopien”, sagt er. “So habe ich viele andere Kulturen kennen und schätzen gelernt. Das wird mir später helfen, sollte ich einmal in einem anderen Teil des Landes arbeiten.” Für seine Zukunft rechnet sich der Student gute Jobchancen aus. “Unsere praktischen Erfahrungen sind bei vielen Arbeitgebern sehr gefragt.” Gerne würde er später bei der äthiopischen Marine arbeiten. “Die haben einen sehr modernen Maschinenpark. Dort kann ich viele Erfahrungen sammeln und sogar reisen.”

Absolvent Muaz fand eine Woche nach seinem Abschluss eine Arbeitsstelle an einer internationalen Privatschule in der Nähe des ATTC. Dort ist er für die Haustechnik zuständig und gibt einen Kurs im Technischen Zeichnen. “Den gab es schon vorher, aber durch meine Ausbildung kann ich den Unterricht viel fundierter gestalten”, berichtet Muez, froh, sein Wissen an andere weitergeben zu können. Doch am allerliebsten würde er sich mit seinen ehemaligen Kommilitonen selbstständig machen, um den Plastikhäcksler im ganzen Land zu vertreiben. Der äthiopischen Umwelt würde es gut tun.

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Fachkräfte für die Zukunft

Schwerpunkt: Bildung
Projekt: ATTC
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Mit dem eigenen College will Menschen für Menschen junge Frauen und Männer fördern und zu einer erfolgreichen Entwicklung Äthiopiens beitragen. Nur für überholte Rollenbilder ist hier kein Platz. 

Fragt man Suse Obsi Wirtu nach ihrem beruflichen Vorbild, fällt ihr niemand ein. In ihrem Studienfach Automobiltechnik und in der Branche, in der sie später arbeiten möchte, gibt es kaum Frauen. Auch unter ihren männlichen Kommilitonen hat sie die Skepsis gespürt: “Sie haben mir nicht zugetraut, dass ich das Studium durchhalte”, sagt Suse, deren rosa Turn­schuhe perfekt auf den Pullover abgestimmt sind. Sie lächelt stolz. Von ihrem Weg hat sie sich nie abbringen lassen. “Schon als Kind war ich fasziniert von Autos. Ich wollte verstehen, wie sie funktionieren.”

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So gut wie im ATTC sidn die Studienbedingungen nicht überall in Äthiopien.

Heute gehört die 22-Jährige zu den Besten ihres Jahrgangs. Sie studiert am Agro Technical and Technology College (ATTC), das Menschen für Menschen seit knapp 30 Jahren in Harar im Osten Äthiopiens betreibt.

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Die Stiftung möchte jungen Frauen und Männern mit dem College einen Weg in eine er­folgreiche Zukunft ebnen, die wachsende äthiopisch Wirtschaft mit Fachkräften versorgen und so zur Entwicklung des ganzen Landes beitragen.

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Ausbildung von Fachkräften in verschiedenen Fachbereichen

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Neben Automobiltechnik können die Studentinnen und Studenten am ATTC in Fertigungstechnik, Elektrik & Elektrotechnik und in Agrarökologie einen Bachelorabschluss machen – unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten. Denn das Studium ist kostenlos. Maschinen, Werkzeuge, Arbeitskleidung, Lehrbücher, die Unterkunft und Verpflegung der über 700 Studierenden werden durch Spenden getragen. Engagiert sind hier neben anderen die Bürkert Werke aus Ingelfingen. Das Technologieunternehmen will insbesondere talentierte Frauen fördern und unterstützt außer Suse noch weitere elf Studentinnen.

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Bildung

Äthiopien wandelt sich: Neue Arbeitsplätze entstehen im boomenden industriellen Bereich,nationale und internationale Unternehmen suchen gut ausgebildete Ingenieure und Mechaniker. Doch im Land mangelt es an diesen Fachkräften. Zugleich sid viele junge Äthiopier arbeitslos. Um diese Lücke zu schließen und für die junge Generation Perspektiven zu schaffen, bauen wir im ganzen Land Berufsschulen und statten sie mit allem Nötigen aus. Außerdem betreiben wir seit 1992 ein eigenes technisches College. das ATTC in Harar. Denn eine qualifizierte Ausbildung ist der Schlüssel zu einer gesicherten Zukunft.

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“Die Stiftung begleitet mich jetzt schon mein ganzes Leben”, sagt Suse. Geboren ist sie in Mettu, einer Kleinstadt etwa 1.000 Kilometer südwestlich von Harar; in einem Krankenhaus, das Menschen für Menschen erbaut hat. Später besuchte sie eine Grund- und eine weiterführende Schule, beide ebenfalls von der Äthiopienhilfe errichtet. Und als ihr Absolventen des ATTC von dem College vorschwärmten, war ihr Interesse geweckt und sie meldete sich für den Auf­nahmetest an. “Ich habe sehr lange gelernt.” Suse wusste, das ATTC ist beliebt, pro Studienjahr bewerben sich zwischen 1.500 und 2.000 Interessenten auf rund 200 Plätze. “Die Zusage kam per SMS. Ich rief sofort meinen Vater an. Der freute sich noch mehr als ich.”

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Praxisorientierter Unterricht und College-Leben

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Von Anfang an hat sie beeindruckt, wie praxisorientiert der Unterricht ist. Den Studenten stehen Lehrwerkstätten und Labore zur Verfügung. Immer wieder bekommt das College Aufträge von Unterneh­men oder Behörden, die Studenten mit Unterstützung ihrer Lehrer umsetzen – fast wie im richtigen Leben. “Wir können Motoren und Maschinen anfassen und testen. So lernen wir sehr viel”, sagt die junge Frau.

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Suse Obsi Wirtus (links) ganzes Interesse gilt Maschinen und Motoren. Später möchte sie Äthiopiens Automobilindustrie voranbringen.
Suse Obsi Wirtus (links) ganzes Interesse gilt Maschinen und Motoren. Später möchte sie Äthiopiens Automobilindustrie voranbringen.
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Trotz ihrer Wissbegierde fiel es ihr zunächst schwer, so weit von zu Hause entfernt zu leben. Sie hatte Heim­weh und telefonierte häufig mit ihren Eltern. Doch mittlerweile hat sie auf dem Campus viele Freunde gefunden. “Ich finde es toll, dass ich hier mit Menschen aus ganz Äthiopien zusammenwohne”, erzählt sie, “und dass alle unterschiedliche Kulturen und Religionen mitbringen.” Selbständig leben, Toleranz einüben, sich mit Neuem zurechtfinden, in Teams arbeiten, verant­wortungsvoll Aufgaben erledigen – all das lernen die Studierenden am ATTC. “Ich fühle mich gut auf das Leben nach dem College vorbereitet”, sagt Suse.

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Gut gerüstet für die Zukunft

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In ein paar Monaten hat sie ihre schriftlichen Ab­schlussprüfungen und muss ein großes praktisches Projekt präsentieren, an dem sie bereits intensiv mit Kommilitonen arbeitet. Die Gruppe hat sich ein hohes Ziel gesetzt: Sie will technische Wege finden, um die Luftverschmutzung durch Autoabgase zu reduzieren. „Viele der alten, gebrauchten Autos, die wir importieren sind umweltschädlich“, erläutert Suse.

Sie selbst möchte mit ihrem Wissen die äthiopische Autoindustrie voranbringen. Am liebsten bei MOENCO, einem der größten Automobilunternehmen Äthiopiens. „Ich habe gute Chancen auf einen Job. Wir haben viel mehr Praxiserfahrung als Absolventen anderer Universitäten. Danach suchen die Firmen“, sagt Suse und verabschiedet sich. Sie muss zum Lernen in die Bibliothek.

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Bildung in den Dörfern

Schwerpunkt: Bildung
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“Vor 20 Jahren gab es das Dorf, in dem ich jetzt unterrichte, noch gar nicht. Doch die Bevölkerung von Äthiopien wächst, also siedeln die Menschen auch in abgelegenen und wenig fruchtbaren Gegenden. Heute besuchen 597 Kinder die von Menschen für Menschen gebaute Schule, manche nehmen dafür lange Fußmärsche auf sich. In dem soliden Gebäude ist Unterricht viel besser möglich als in den Holzhütten, die in vielen Dörfern als Schulen dienen. Leider versteht hier draußen nicht jeder, wie wichtig Bildung ist. Viele Eltern wollen, dass ihre Söhne und Töchter auf dem Hof mithelfen, statt zu lernen. Also besuchen wir die Leute und erklären ihnen, dass ein Schulabschluss ihren Kindern große Chancen eröffnet.

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Abdi Sorama und seine Frau Chuchu Hussein, die ebenfalls an der Hate Higher Primary School Amharisch und Environmental Science lehrt.

Deshalb sind wir hierhergekommen – meine Frau Chuchu Hussein und ich. Wir haben uns auf einem Lehrerseminar kennengelernt und wenig später geheiratet. Hier draußen müssen wir auf viele Annehmlichkeiten verzichten: Zur Wasserstelle läuft man eine halbe Stunde, es gibt keinen Strom, keine Geschäfte, keine Kneipe, keinen Fernseher.

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Wenn mal ein spannendes Fußballspiel läuft, kann ich nur hoffen, dass mein Radio Empfang hat. Was aber viel wichtiger ist: Hier können wir Wissen vermitteln – und so viel bewegen.”

–  Abdi Sorama, Lehrer an der Hate Higher Primary School

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Das Wunder von Agamisa

Schwerpunkt: Bildung
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Die Mehrheit der Mädchen und Jungen im ländlichen Äthiopien wird in maroden Häusern aus Holz und Lehm unterrichtet. Die schlechte Ausstattung erschwert das Lernen und mindert Bildungserfolge. Menschen für Menschen errichtet moderne Schulgebäude, die ein menschenwürdiges Lernen möglich machen. Nur so kann das “Recht auf Bildung” umgesetzt werden.

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Die Schulbibliothek in Agamisa gleicht eher einer Scheune.

Das Wunder von Agamisa beginnt an diesem Morgen, wie an jedem Wochentag, pünktlich um acht Uhr hinter brüchigen Lehmwänden. “Schulbibliothek” nennen sie diesen Raum, doch abgesehen von ein paar Alphabet-Plakaten und schiefen Bücherregalen an den Wänden erinnert er eher an eine Scheune.

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Steiniger Boden, kleine Fenster, nur durch die Tür fällt ein wenig Licht auf eine Szene, die es in Äthiopien selten zu sehen gibt: Auf einer wackeligen Bank sitzt Jemal Zeleke, neun Jahre alt, in einem verwaschenen Trainingsanzug, zwei Nummern zu groß. Er hat den Kopf in die Handflächen gebettet, seine Augen starren ins Leere. Jemal ist seit seiner Geburt fast blind. Nur hell und dunkel nimmt er schemenhaft wahr. Neben ihm sitzt Hawa Geleta. Sie ist ebenfalls neun Jahre alt. Ein türkisfarbenes Tuch rahmt ihr Gesicht mit dem leichten Silberblick ein. Schwarze Pupillen folgen jeder Bewegung im Raum. Hawa ist gehörlos. Sie kann nur mithilfe von Gestik, Mimik und ein wenig Gebärdensprache kommunizieren.

Auf der anderen Seite des staubigen Tisches steht, im weißen Kittel, Berhanu Workneh, 38, der Lehrer von Jemal und Hawa. An diesem Vormittag steht Englisch auf dem Stundenplan, also hat Berhanu eine Reihe von Worten an eine Tafel geschrieben, die er laut vorliest: “mother”, “father”, “brother”, “sister”. Während er spricht, macht er die passenden Zeichen in Gebärdensprache. So können ihm beide folgen: Hawa, die Lippen liest, Gesten folgt und sie imitiert. Und Jemal, der die Worte hört und nachspricht. Später nimmt er eine Punktschrift-Tafel und einen speziellen Griffel zur Hand und stanzt die Worte – von Hawas wachen Augen beobachtet – in Brailleschrift auf Papier. Jemal ist ein schüchterner Junge, aber auf Berhanus Frage nach seinen Lieblingsfächern weiß er sofort eine Antwort: “Englisch und Amharisch natürlich!”

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Berhanu Workneh unterrichtet Jemal (links) und Hawa in verschiedenen Fächern.
Berhanu Workneh unterrichtet Jemal (links) und Hawa in verschiedenen Fächern.
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Behinderungen sind tabu

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Der sehbehinderte Junge Jemal lernt Brailleschrift.

Ein blinder Junge und ein gehörloses Mädchen lernen gemeinsam Englisch, Amharisch oder Mathematik – das ist das “Wunder” von Agamisa. “Viele dieser Kinder sind in den Schulen sich selbst überlassen”, sagt Berhanu Workneh, der eine spezielle Ausbildung für den Unterricht von Sehbehinderten und Hörgeschädigten absolviert hat.

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“Sie sitzen dann in der Ecke herum und können sich nicht beteiligen. Oft kommt es auch vor, dass die Eltern sie gar nicht erst in die Schule gehen lassen.”

Studien der Weltgesundheitsorganisation zufolge leiden mehr als 17 Prozent der Menschen in Äthiopien an körperlichen oder geistigen Einschränkungen – oft als Folge von Krankheiten, Unternährung, Krieg, Naturkatastrophen oder Unfällen. 85 Prozent dieser Menschen leben auf dem Land, 95 Prozent in Armut. Die Zahl der Schulkinder mit besonderem Unterstützungsbedarf soll zwischen anderthalb und drei Millionen liegen. Die Zahlen beruhen auf Schätzungen, denn offizielle Statistiken sind kaum zu erstellen: Behinderungen und manche Krankheiten sind in den von Traditionen geprägten ländlichen Regionen Äthiopiens tabuisiert. Nicht selten werden die Betroffenen von den eigenen Familienmitgliedern versteckt. Es ist ein Leben im Umkreis des Elternhauses ohne Teilhabe an der Dorfgemeinschaft. Ohne Freundschaften. Viele der Betroffenen landen irgendwann als Bettler auf der Straße.

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Die hörgeschädigte Hawa lernt Gebärdensprache.

Ein Schicksal, dass auch Jemal und Hawa hätte drohen können. Ihr Glück ist, dass sie in der Nähe des Dorfes Agamisa in Borena leben. Denn diese Schule unterscheidet sich in einem wichtigen Punkt von vielen anderen in Äthiopien: Hier unterrichtet ein Mann, der Gebärdensprache und Brailleschrift beherrscht – und der gelernt hat, sein Wissen weiterzugeben.

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Von den mehr als 70 Schulen in der Region Borena bieten lediglich sechs Unterricht für sehbehinderte und hörgeschädigte Kinder an. Das ist zwar wenig, aber es ist ein Anfang, der die Macht hat, Wertvorstellungen zu beeinflussen: Warum sollte man Kinder mit Behinderungen isolieren, wenn selbst die Schule keine Mühe scheut, sie zu unterrichten? Die unmissverständliche Botschaft von Inklusion ist: Bildung muss für ausnahmslos alle da sein – auch für die Schwächsten.

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Marode Schulgebäude

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Die Klassenräume sind völlig marode und von Termiten zerfressen.

Was die Dorfschule von den meisten anderen Bildungseinrichtungen in der Provinz nicht unterscheidet, ist ihr Zustand. Das verrät schon ein kleiner Spaziergang über das weitläufige Gelände. Die Gebäude, aus Holz und Lehm errichtet, sind völlig marode und von Termiten zerfressen.

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Sie wurden vor 30 Jahren gebaut, als in dieser Gegend noch wesentlich weniger schulpflichtige Kinder lebten. Heute zählt die Schule knapp 1.000 Mädchen und Jungen in acht Jahrgängen. Unterrichtet wird im Schichtbetrieb: Die Klassen 1 bis 4 am Vormittag, die Klassen 5 bis 8 am Nachmittag. Doch das entspannt die Lage in den Klassenzimmern auch nicht: Je vier Jungen und Mädchen sitzen Schulter an Schulter auf Schulbänken, die eigentlich für zwei Personen konstruiert wurden.

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Lernen, wo Termiten und Sandflöhe hausen: Die alte Schule von Agamisa ist nicht nur viel zu klein, sondern auch völlig marode.

Gegen die Sandflöhe, die sie plagen, müssen die Schülerinnen und Schüler den nackten Lehmboden jede Woche erneut präparieren. Wasser, Dung und Heu, die sie dafür benötigen, bringen sie von zu Hause mit.

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Wer die Kinder und Jugendlichen hier sitzen sieht, dicht gedrängt, während Windböen Staubwolken durch die offenen Türen und Fenster tragen, fragt sich, wie sie sich auch nur einen Moment auf Mathe, Geschichte oder Biologie konzentrieren können.

“Viele Bauernfamilien stellen den Wert von Schulbildung leider immer wieder in Frage”, erklärt Belete Assefa, 31. Er ist seit drei Jahren Rektor der Dorfschule von Agamisa und musste schon viele Gespräche mit Eltern führen, die ihre Kinder lieber auf dem Feld als weiter auf der Schulbank sähen. Nach der 8. Klasse sowieso, am liebsten aber schon früher. Belete kennt ihre Argumente, seine eigenen Eltern wollten auch nicht, dass er eine weiterführende Schule, rund 30 Kilometer entfernt von zu Hause, besucht. “Sie sagten mir Papier und Stifte kannst du nicht essen!” Mit der Unterstützung eines Onkels setzte er sich durch. “Heute sind meine Eltern froh darüber, denn ich kann sie finanziell unterstützen.” Mit seiner Geschichte hat Belete schon so manchen Bauern überzeugt, seine Kinder zur Schule zu schicken. “Natürlich kann nicht jedes Kind Schulrektor werden”, sagt Belete. “Aber Bildung trägt zur Persönlichkeitsentwicklung bei. Sie hilft Menschen, ihre Wünsche und Ziele zu erkennen und für sie einzutreten. Deshalb ist Bildung zentral für Entwicklung.”

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Ein Schulplatz für jedes Kind

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Im Juli 2015 begann Menschen für Menschen die neuen Schulgebäude für die Kinder von Agamisa zu errichten.

Es wird Belete Assefa leichter fallen, die Eltern seiner Schüler zu überzeugen, wenn der Bau der neuen Schule von Agamisa abgeschlossen ist. Noch tönt ein rhythmisches Hämmern von dem Nachbargrundstück herüber, auf dem Menschen für Menschen moderne Schulgebäude errichtet, die die alten bald ersetzen sollen.

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Gemauerte Flachbauten mit stabilen Dachtrapezblechen und großen Fensterfronten, durch die das Sonnenlicht in die zwölf Klassenzimmer und den neuen Leseraum fallen wird. Hier wird jedes Kind einen eigenen Platz an einer der Schulbänke erhalten. Die Schultafeln werden um ein Vielfaches größer sein als die kleinen Quadrate, die an den Lehmwänden der alten Schule hängen. “Im Moment müssen die Lehrer ihre Notizen ständig wieder wegwischen, um etwas Neues an die Tafel zu schreiben”, sagt Belete. “Das erschwert es den Schülerinnen und Schülern, dem Stoff zu folgen.” Im Lauf des nächsten Jahres wollen sie die neuen Räume beziehen. Erfahrungsgemäß werden die Leistungen der Schüler dann steigen, die Abbrecherquote wird sinken. “Eltern schicken ihre Kinder lieber zur Schule, wenn sie modern und intakt ist”, weiß Belete.

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Früher war Jemal isoliert

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Seit Jemal zur Schule geht, lächelt er wieder. Das macht die ganze Familie glücklich.

Es ist Mittag geworden, und als Jemal und Hawa in der Schulbibliothek ihre Sachenpacken, stehen schon zwei Mädchen in der Tür. Toyba, 11, die Schwester von Hawa und Tsehaynesh, 13, die Schwester von Jemal. Wenig später machen sie sich auf den Weg.

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Toyba und Hawa laufen eine Dreiviertelstunde nach Hause. Tsehaynesh, Jemal und ihre sechsjährige Schwester Samira haben einen Fußweg von rund zwanzig Minuten vor sich. Dort, vor der Holzhütte, die ihr Zuhause ist, wartet die Mutter schon auf die Kinder. “Anfangs war ich skeptisch”, sagt Zinet Zeleke, 28, die – genau wie ihr Mann Seid – nie eine Schule besuchen konnte. “Ich konnte mir nicht vorstellen, was ihm der Unterricht bringen soll.” Die Familie hatte ein wenig Geld vom Staat erhalten – eine Art Sozialhilfe, die Eltern von Kindern mit Behinderung beantragen können. “Wir wollten davon einen kleinen Kiosk aufmachen, in dem Jemal hätte arbeiten können”, erzählt Zinet. “Er kann die Geldscheine nämlich auseinanderhalten.”

Dann, vor zwei Jahren kam die Nachricht, dass er in Agamisa speziellen Unterricht erhalten kann. Dass die Schule Jemals Leben völlig verändern würde, hätte die Familie nicht für möglich gehalten. “Früher war er sehr isoliert”, erinnert sich die Mutter. Die anderen Kinder sprachen kaum mit ihm, dem Sonderling, der stets am Rockzipfel hing. “Doch seit er zur Schule geht, spielen sie mit ihm und helfen ihm, wo sie können. Er wirkt jetzt wirklich glücklich.”

Manchmal bleibt Jemal dennoch lieber im Haus. Dann beugt er sich über Bücher aus der Bibliothek und fährt stundenlang mit den Fingern über die Texte in Brailleschrift, liest einfache Geschichten auf Englisch oder Amharisch, probiert sich an Sachtexten über Biologie oder Geschichte. “Er weiß jetzt schon mehr als seine Eltern”, sagt Zinet und lächelt. Als sie ihren Sohn Jemal neulich fragte, was er einmal werden will, kam die Antwort prompt: “Lehrer”. Denkbar, dass Jemal eines Tages sehbehinderte Kinder in der Schule von Agamisa unterrichten wird. Dann würde ausgerechnet der Junge, der keine Feldarbeit leisten kann, seine Familie unterstützen können. Das wäre das nächste kleine Wunder von Agamisa.

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Mardia und ihr glückliches Leben

Schwerpunkt: Bildung
Projektgebiet: Borecha
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Mardia Kassima besucht die von Menschen für Menschen errichtete Schule im Dorf Axengema im Projektgebeit Borecha. In unserer Fotogalerie erzählt sie von ihrem harten – aber glücklichen – Alltag.
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“Wenn es gegen 6.30 Uhr dämmert, stehe ich auf, um den Kaffee in einem Tonkrug über einem kleinen Holzfeuer zuzubereiten – dieses Morgenritual mag ich sehr gerne.”
“Zu meinen frühmorgendlichen Pflichten gehört auch das Saubermachen des Hauses, hier im Schlafzimmer meiner Eltern. Gegen 7.30 Uhr mache ich mich auf den Schulweg. Ich bin 40 Minuten unterwegs bis zur Schule, die von Menschen für Menschen gebaut wurde. Am liebsten mag ich Naturwissenschaften. Ich möchte Ärztin werden und helfen. Denn ich habe gesehen, wie meine Mutter litt, als sie zu Hause meine kleinen Geschwister auf die Welt brachte.Ich bin 40 Minuten unterwegs bis zur Schule, die von Menschen für Menschen gebaut wurde. Am liebsten mag ich Naturwissenschaften. Ich möchte Ärztin werden und helfen. Denn ich habe gesehen, wie meine Mutter litt, als sie zu Hause meine kleinen Geschwister auf die Welt brachte. ”
“Der Chemielehrer erklärt den Unterschied zwischen Basen und Säuren. Im neuen Klassenzimmer verstehe ich den Stoff viel besser. Früher fand der Unterricht in einer dunklen Lehmhütte statt, wir saßen auf dem staubigen Boden.”
“Die Schule endet um 13.30 Uhr. Nach dem Marsch nach Hause muss ich Wasser und Feuerholz holen. Beide Arbeiten sind schwer und machen keinen Spaß, doch ich mache sie ohne Klage, denn ich bin meinen Eltern dankbar, denn schon vier Mal kamen Abgesandte anderer Familien zu uns. Sie fragten meine Eltern, ob sie mich einem ihrer Söhne zur Frau geben wollten. Doch sie lehnten jedes Mal ab: Das waren die glücklichsten Momente in meinem Leben. Meine Mutter hatte keine Chance auf Bildung. Aber zu mir sagt sie: Du heiratest nicht, du gehst zur Schule! Dafür liebe ich sie sehr. Ich habe großes Glück, solch kluge Eltern zu haben.”
“Deshalb unterstütze ich meine Mutter gerne, auch bei der Betreuung der kleinen Nasritscha, der jüngsten meiner drei Schwestern. Täglich röste ich auch die Kaffeebohnen. Mein Vater hat Pflänzlinge und Trainings von Menschen für Menschen erhalten. Seitdem ist unsere Ernte so gut, dass wir sogar Kaffee auf dem Markt verkaufen können.“
“Ist die Hausarbeit erledigt, habe ich endlich Zeit zum Lernen. Nächstes Jahr wechsle ich auf die weiterführende Schule in der Stadt Yanfa. Meine Eltern werden mich mit Lebensmitteln und Geld für einen Schlafplatz unterstützen.”
Auch das künftige Gymnasium von Mardia in Yanfa wurde von Menschen für Menschen errichtet: Mit Ihrer Spende unterstützen Sie die Entwicklung von Mardia und Tausender anderer hoffnungsfroher junger Menschen!
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Neue Schule für Bido Boreka

Schwerpunkt: Bildung
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Fuad Mohamed, 16, ist Schüler an der Bido Boreka Higher Primary School.

Die Lernbedingungen in Fuads Schule sind erbärmlich: “Die Bänke, auf denen wir sitzen, sind morsch. Da nicht genügend Tische da sind, haben wir unsere Hefte auf dem Schoß liegen. Das ist anstrengend und macht uns müde”, klagt der 16-Jährige.

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Etwa 70 Schülerinnen und Schüler drängen sich in einem Klassenzimmer. Die Holzverschläge sind dunkel und stickig. Auf dem Boden der Klassenräume wimmelt es von Sandflöhen und anderem Ungeziefer, die Fuad und seine Schulkameraden stechen und beißen. “Das Dach unserer Schule ist von Termiten befallen und einsturzgefährdet”, berichtet Fuad.

“Das Schlimmste aber”, sagt der Siebtklässler, “sind der starke Husten und das Brennen in den Augen durch den staubigen Boden.” Regelmäßig schleppen die Schülerinnen und Schüler Kuhdung und Wasser von weit entfernt heran, um den Boden zu glätten und zu säubern. Zudem gibt es an der Bido Boreka Schule keine funktionierenden sanitären Einrichtungen. Der Schulalltag ist für die Kinder mehr als beschwerlich.

Die Mädchen und Jungen wünschen sich nichts sehnlicher, als eine neue Schule. Menschen für Menschen will ihnen diesen Wunsch erfüllen und einen Schulkomplex inklusive Bibliothek und sanitären Einrichtungen für mehr als 800 Schülerinnen und Schüler bauen. Die dunklen Lehmhütten werden hellen, modernen Gebäuden aus Stein weichen.

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“Mein Vorbild ist Nelson Mandela”

Schwerpunkt: Bildung
Projektgebiet: Borena
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“Jeden Tag gehe ich gerne zur Schule. Ich besuche die zehnte Klasse des Gymnasiums in Mekane Selam – es ist die einzige weiterführende Schule in weitem Umkreis. Wenn meine Motivation manchmal nachlässt, denke ich an Nelson Mandela. Er war 27 Jahre im Gefängnis, und blieb doch stark und tapfer. Durch seinen Einsatz wurde in Südafrika Gerechtigkeit möglich: Die schwarze Mehrheit erkämpfte sich ihre Rechte gegen die weiße Minderheit. Meine eigene Rolle sehe ich im Einsatz für die Entwicklung Äthiopiens. Entweder als Bauingenieurin oder als Ärztin. Es ist toll, dass ich dafür gute Voraussetzungen habe. Noch vor einem Jahr wurden wir in dunklen Wellblech-Baracken unterrichtet. Aber jetzt sind die neuen Schulgebäude von Menschen für Menschen fertiggestellt. Jetzt fällt das Lernen leichter.”

Woineschet Telahune, 16, Schülerin in Mekane Selam

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Seit Jahresanfang 2015 werden in der Walelegn HSS die 2.547 Schüler in den neuen Räumlichkeiten unterrichtet, 1.363 Jungen und 1.184 Mädchen. Neben den sechs Klassenraumblöcken wurden ein Verwaltungsblock, eine Bibliothek und zwei Blöcke mit Trockenlatrinen mit je vier und acht Kabinen gebaut. Im Hintergrund stehen die alten Gebäude aus Wellblech.
Seit Jahresanfang 2015 werden in der Walelegn HSS die 2.547 Schüler in den neuen Räumlichkeiten unterrichtet, 1.363 Jungen und 1.184 Mädchen. Neben den sechs Klassenraumblöcken wurden ein Verwaltungsblock, eine Bibliothek und zwei Blöcke mit Trockenlatrinen mit je vier und acht Kabinen gebaut. Im Hintergrund stehen die alten Gebäude aus Wellblech.
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“Endlich können wir ungestört lernen! Es gibt nicht mehr so viel Staub und es ist schön hell, die Bibliothek ist mit ausreichend Büchern für alle Schüler ausgestattet.”

Fanaye Birnanu ist 17 Jahre alt und besucht die 10. Klasse der Walelegn Higher Secondary School in Mekane Selam im Projektgebiet Borena.

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“Der erste Mann auf dem Mond war Neil Armstrong. So möchte ich auch einmal sein: In unerforschte Welten vorstoßen, den anderen davon berichten – und berühmt und anerkannt sein.”

Mesaye Alelejn, 18, Schülerinn an der Walelegn Higher Secondary School in Mekane Selam.

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Bildungsprogramm ABC-2015: Eine Bilanz

Schwerpunkt: Bildung
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“Bildung ist der Schlüssel für eine gerechtere Welt”, so formuliert es die Millenniumskampagne der UN. Menschen für Menschen hat 2008 die Anstrengungen auf den Bildungssektor in dem Programm “ABC-2015” verstärkt. Neben dem Bau und der Einrichtung von Schulen sieht es die Weiterqualifizierung von Lehrern, funktionale Alphabetisierungskurse für Erwachsene, Bibliotheken und der Ausbau der beruflichen Weiterbildung vor. Ende 2015 kam das Programm “ABC-2015” zum Abschluss.

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Ausgangssituation

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Unterricht an der alten Schule von Sephera. Die Lernbedingungen für die Kinder sind menschenunwürdig.

Lehrer entsendet der äthiopische Staat bis in die entlegensten Winkel des Landes, aber für die Schulgebäude müssen die Gemeinden selbst aufkommen. Dazu fehlt vor allem in armen Landstrichen das Geld. Deswegen gibt es hier oft keine Schule oder die Dorfbewohner schreiten selbst zur Tat und bauen einfache Hütten aus Holz und Lehm.

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Von Termiten zerfressen, halten sie jedoch kaum länger als ein Jahrzehnt. Die Schülerinnen und Schüler müssen in beengten, dunklen und staubigen Klassenräumen ausharren und werden von Sandflöhen gequält. Angesichts solcher katastrophalen Lernbedingungen behalten die Eltern ihre Kinder häufig lieber zu Hause und lassen sie auf dem Hof helfen. Und die Lehrer sind frustriert.

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Ziele

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Neue, solide gebaute Schulgebäude, wie hier an einer Higher Secondary School im Projektgebiet Babile, schaffen für die Schülerinnen und Schüler angenehme Lernbedingungen.

2008 hat sich Menschen für Menschen das Millenniumsziel der Vereinten Nationen “Primarschulbildung für alle” zum Ausgangspunkt genommen, um dem Bildungsnotstand in Äthiopien etwas entgegenzusetzen: Bis 2015, so lautete unsere Zielsetzung, sollte Hunderttausenden Kindern eine Schulbildung ermöglicht werden, die diesen Namen verdient.

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2008 hat sich Menschen für Menschen das Millenniumsziel der Vereinten Nationen “Primarschulbildung für alle” zum Ausgangspunkt genommen, um dem Bildungsnotstand in Äthiopien etwas entgegenzusetzen: Bis 2015, so lautete unsere Zielsetzung, sollte Hunderttausenden Kindern eine Schulbildung ermöglicht werden, die diesen Namen verdient.

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Maßnahmen

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“Die traditionellen Schulen sind dunkle Verschläge, in denen Kinder nicht gut lernen können.” Henock Markos, Projektkoordinator Bildungsprojekte

Zwischen 2008 und 2015 hat Menschen für Menschen 218 solide Schulen errichtet. Sie haben nicht nur die Lernbedingungen der Kinder signifikant verbessert, sondern bieten auch den Lehrern ein attraktives Arbeitsumfeld. Die Ausstattung, angefangen von Bänken und Tischen über großflächige Tafeln bis hin zu Bibliotheken, stellen wir ebenfalls. Unsere neuen Schulen gelten heute in den Dörfern oft als die schönsten Gebäude – und werden allein deswegen in Ehren gehalten.

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Auch Weiterbildungsangebote und Alphabetisierungskurse für Erwachsene finden hier Raum. Alle, Kinder wie Erwachsene, erhalten von uns auch Schreibmaterialien.

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Ergebnisse

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Die Wirkung der neuen Schulbauten lässt sich vor allem an der gesunkenen Quote der Schulabbrecher ablesen. Zugleich hat sich die Zahl der Teilnehmer an Alphabetisierungskursen von Jahr zu Jahr erhöht. Eltern, die an sich selbst erleben, welche Türen Bildung ihnen öffnet, unterstützen zudem auch die schulische Laufbahn ihrer Kinder besser.

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Qualitätssicherung

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Arafa Abdullah mit ihrem Bruder Sultan Abdullah und der Lehrerin Fatiah Umer an der Higher Primary School beim Dorf Ganda Abdiie im Projektgebiet Babile.

Für alle unsere Schulneubauten gelten klare Qualitätskriterien: Betonfundamente, gemauerte Wände und verzinkte Dächer sowie sanitäre Anlagen sind vorgeschrieben. Mitarbeiter unserer Bauabteilungen überwachen den Baufortschritt. Wie bei allen unseren Maßnahmen üblich, unterliegen auch die Schulprojekte einem Monitoring und einer Evaluation durch unsere Stiftung, zudem nehmen unabhängige Experten und die äthiopischen Regierungsbehörden Evaluationen vor.

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Vor jedem Schulneubau schließen wir einen Vertrag mit den äthiopischen Behörden, der den Erhalt und die Ausstattung der Schule nach ihrer Fertigstellung regelt. Üblicherweise übernimmt ein von uns geschultes lokales Komitee aus Gemeindevertretern, Eltern und Lehrern die Verantwortung dafür, die Schule zu unterhalten und zu betreiben. Das verhindert Abhängigkeiten und sichert die Nachhaltigkeit der Projekte.

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Wie geht es weiter?

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Menschen für Menschen wird sich auch nach Abschluss des Bildungsprogramms “ABC-2015” weiter stark im Bildungssektor engagieren. Allein 2016 stehen 25 Schulbauprojekte auf unserer Agenda. Nachdem sich in Äthiopien die Versorgung im Primarschulbereich verbessert hat, werden wir jedoch unseren Schwerpunkt verlagern und uns noch mehr als bislang für weiterführende Schulen und Berufsschulen einsetzen.

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Eine Erwachsenenschule für Bido

Schwerpunkt: Bildung
Projektgebiet: Borecha
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Vor rund fünf Jahren riefen die Behörden einen Alphabetisierungskurs für Erwachsene in der Grundschule von Bido ins Leben. Seither drücken hier zwei Mal in der Woche Frauen und Männer jeden Alters die Schulbank. “Anfangs standen nur unsere Volkssprache Oromo und Mathematik auf dem Stundenplan,” sagt der Grundschullehrer Rais Muhammed.
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Die aus Holz und Lehm gebauten Schulen sind dunkel und voller Flöhe.

Der mangelnde Schulbesuch der Kinder spiegelt sich auch im Bildungsgrad der Erwachsenen wider: Nach Angaben des Kinderhilfswerks UNICEF sind 61 Prozent Analphabeten. Gegen den Bildungsnotstand hilft deshalb nur eine doppelte Strategie: Schulen für Kinder und Bildung für Erwachsene.

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Wie das gelingen kann, zeigt ein Projekt im Dorf Bido im Projektgebiet Borecha, wo ein Großteil der Erwachsenen weder lesen noch schreiben kann. Von der einfachen Mathematik der Marktleute bis zu Themen wie Familienplanung oder moderne Anbaumethoden: Wer die Schrift nicht beherrscht, ist in vielen Lebensbereichen unterlegen. Und fühlt sich auch so: “Ich traue mich oft nicht, vor anderen zu sprechen”, sagt Jebelu Kadir. Der 33-jährige Bauer und Vater von fünf Kindern hat nie eine Schule besucht – bis vor einigen Monaten.

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Ziele

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Bildung ist Voraussetzung für Entwicklung. Deshalb engagiert sich Menschen für Menschen für den Bau von Schulen sowie für den Ausbau von Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Dazu gehören auch funktionale Alphabetisierungskurse für Erwachsene. Menschen für Menschen stellt Hefte und Stifte für die Kursteilnehmer und bietet, ergänzend zum Lese- und Schreibunterricht, Lektionen zu Alltagsthemen wie Hygiene, Familienplanung oder moderner Landwirtschaft an.

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Maßnahmen

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“Am Anfang war der Unterricht wirklich schwer für uns. Der Lehrer musste sogar meine Hand führen, wenn ich auf dem Papier Buchstaben schreiben sollte. Jetzt kann ich schon kurze Sätze lesen und schreiben. Und ich weiß viel mehr über Themen wie Familienplanung.”

Fayo Muhamed, 26, Teilnehmerin des Alphabetisierungskurses in Bido

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Vor rund fünf Jahren riefen die Behörden einen Alphabetisierungskurs für Erwachsene in der Grundschule von Bido ins Leben. Seither drücken hier zwei Mal in der Woche Frauen und Männer jeden Alters die Schulbank. “Anfangs standen nur unsere Volkssprache Oromo und Mathematik auf dem Stundenplan,” sagt Rais Muhammed. Der 20-Jährige unterrichtet selbst erst seit einem Jahr die Erwachsenen aus Bido, ehrenamtlich, nach seiner eigentlichen Arbeit als Grundschullehrer.

Er teilt sich die Unterrichtsstunden mit Tigist Berhanu. Die 26-jährige Sozialarbeiterin, die für Menschen für Menschen tätig ist, ergänzt den Sprachunterricht um Themen, die direkt aus der Lebenswelt der Bauern und Hirten stammen. Die Menschen seien es gewohnt, das Wissen der Generationen vor ihnen zu übernehmen, sagt Tigist. “Techniken zur Verbesserung von Hygiene oder Ernte müssen viele erst lernen.”

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Ergebnisse

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Jebelu Kadir, 33, Bauer und Vater von fünf Kindern, hat nie eine Schule besucht, aber nimmt an den Erwachsenen-Bildungskursen im Dorf Bido teil.

Am Anfang waren es nur 33 Frauen und Männer, inzwischen ist die Teilnehmerzahl an den Alphabetisierungskursen auf 215 angewachsen. Auch Jebelu Kadir sitzt seit einigen Monaten im Unterricht von Rais Muhammed und Tigist Berhanu. Von Verpackungsaufschriften bis hin zu Textmitteilungen: “Lesen zu können, erleichtert mein Leben”, sagt er. “Endlich bin ich mit den anderen auf Augenhöhe.”

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Auf dem Markt etwa hätte man ihn früher leicht betrügen können, weshalb er nur mit Leuten Geschäfte machte, denen er vertraute. “Heute kenne ich die aktuellen Preise und rechne alles ganz schnell auf dem Taschenrechner aus.” Und Jebelu schmiedet Pläne: “Bald wollen wir in meinem Dorf die ersten Häuser so umbauen, dass die Hygiene stimmt, und die Kinder nicht mehr so oft krank werden.”

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Eingesetzte Finanzmittel

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Die Kosten für einen zehnmonatigen Kurs in funktionaler Alphabetisierung für Erwachsene inklusive Lehrer und Lernmaterial belaufen sich auf 25 Euro für zehn Personen. Für den Bau einer neuen Schule mit vier Gebäudeblöcken zu je vier Klassenräumen, Lehrerzimmern und sanitären Anlagen für rund 1.600 Kinder veranschlagen wir durchschnittlich 260.000 Euro.

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Ein besserer Start für die Kinder von Sephera

Schwerpunkt: Bildung
Projektgebiet: Borecha
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Überall träumen Kinder von einer großen Zukunft. Doch im Dorf Sephera hatten sie bislang schlechte Karten: Sie hocken in Behelfsbauten im Halbdunkel auf lehmiger Erde, versuchen unter widrigsten Umständen zu lernen. Menschen für Menschen legt nun den Grundstein dafür, dass ihre Träume doch wahr werden können. Mit dem Bau solider und heller Klassenräume.

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Taferi Woldearegay, 23, Lehrer und stellvertretender Direktor an der Grundschule von Sephera.

Was ist ein Magnet? In Europa weiß je des Kind, dass sich bestimmte Metalle und Legierungen anziehen. Es gibt magnetisches Spielzeug, Kühlschrank-Sticker, Verschlüsse an Taschen: Genug Anschauungsmaterial für das physikalische Phänomen.

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Im Dorf Sephera im Projektgebiet Borecha zeichnet Lehrer Taferi Woldearegay, 23, mit einem Stück Kreide ein langes Rechteck auf eine kleine, behelfsmäßige Tafel. Dann zeichnet er gebogene Linien, die von einer kurzen Seite des Rechtecks zur gegenüberliegenden kurzen Seite verlaufen: “So wirken die Magnetfeldlinien um einen Stabmagneten”, sagt er. Mit großen Augen übertragen die Kinder die Zeichnung in ihre Hefte. In Sephera haben die Viertklässler bis zu dieser Sachkunde-Stunde noch nie von Magnetismus gehört: Kühlschränke gibt es nicht, also auch keine magnetischen Sticker, und einziges Spielzeug sind aus Lumpen zusammengeschnürte Bälle.

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Die notdürftigen Behelfsräume dienen als Unterrichtsstätten für die Kinder von Sephera.

Die Schüler hocken auf einem Stück Holz oder direkt auf dem Lehmboden in dem provisorischen Unterrichtsraum. Im Halbdunkel zählt man 66 aufmerksame Gesichter. Als Dach sind Plastikplanen über ein Holzgerüst geworfen, sie schützen notdürftig vor Wolkenbrüchen und der sengenden Sonne.

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Die Wände verdienen diesen Namen nicht. Sie sind lediglich aus Hirse-Stängeln zusammengebunden. Draußen wirbeln Böen Staub auf und treiben ihn durch die Ritzen.

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Radio als Fenster zur Welt

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“Ich möchte gerne Journalistin werden”, sagt die zwölfjährige Merdia Jenus in der großen Pause: “Ich höre so gerne Radio!” In Sephera sind Transistorradios das Fenster zur Welt. Zeitungen oder gar Internet gibt es nicht, Fernseher nur in wenigen Gasthäusern. “Ich liebe die naturwissenschaftlichen Fächer”, sagt der 13 Jahre alte Ali Muhammed. “Ich möchte einmal tief in die Forschung einsteigen und Dinge finden, die für die Menschheit wichtig sind. Am liebsten in der Medizin. So wie Aklilu Lemma.”

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Eine Kuh spaziert in die alte Schule von Sephera und frisst aller Seelenruhe ein Schulheft.

Lemma war ein äthiopischer Arzt, er betrieb Pflanzenforschung zur Bekämpfung der Bilharziose. Unter der Wurmkrankheit leiden unzählige Menschen in Afrika, viele sterben daran. “Wir haben so viele Krankheiten hier. Typhus etwa und Malaria”, sagt Sechstklässler Ali. “Deshalb ist Aklilu Lemma mein Vorbild.

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Aber wie könnten die 352 Mädchen und 360 Jungen in den Klassen eins bis sechs an dieser Grundschule je vernünftig lernen? Wie sollten sie hier jemals eine Chance erhalten, ihre Träume zu verwirklichen? Während die Kinder in der Pause draußen herumtollen, nutzt das Vieh die Gelegenheit: Es gibt in den Unterrichts-Verschlägen weder Fenster noch Türen. Hühner spazieren hinein, auch eine Kuh. In aller Seelenruhe frisst sie ein Schulheft. Ein schlimmer Verlust für den Besitzer: Zuhause wird es Ärger geben. Ein Schulheft kostet 20 Cent – viel Geld für die Eltern.

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Solide lernen

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In den neuen solide gebauten Schulgebäuden ist für die Kinder von Sephera endlich ein Lernen unter menschenwürdigen Bedingungen möglich.

Staub und Vieh in den Räumen, das Hocken auf dem Boden in fensterlosen Verschlägen: all das wird bald der Vergangenheit angehören. Unweit der Behelfsschule hat Menschen für Menschen in den vergangenen Monaten unter Mithilfe der Bevölkerung neue Gebäude errichtet: insgesamt zwölf Klassenzimmer plus ein neues Haus für Lehrerbüros und Bücherei.

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Die Gebäude sind solide gebaut, mit Betonfundamenten, gemauerten Wänden und verzinkten Dächern. Lamellenfenster schützen vor dem Staub. Ab dem neuen Schuljahr im September werden die Kinder von Sephera hier lernen. Sie werden in ordentlichen Bänken sitzen und der Lehrer hat genug Platz für große Zeichnungen und Anschriebe: In die Wände der Klassenräume sind riesige Schreibtafeln eingelassen.

Die Schule von Sephera entsteht im Rahmen des ehemaligen Bildungsprogramms ABC-2015, mit dem Menschen für Menschen dabei half, die Startchancen für möglichst viele Kinder mit neuen Schulen zu verbessern. Immer noch können sechs von zehn Kindern in Äthiopien den Schulunterricht nicht altersgerecht besuchen – weil es in ihrer Nähe keine Schulgebäude gibt oder nur solche, in denen wie in den Verschlägen von Sephera das Lernen so schwerfällt, dass sie zu Hause bleiben und auf dem Hof helfen. Weil Karlheinz Böhm früh erkannte, dass alle Entwicklung über Bildung führt, hat Menschen für Menschen seit Bestehen der Organisation insgesamt 363 Schulen neu gebaut und bestehende Schulen erweitert. 114 Schulbibliotheken wurden errichtet und mit Büchern ausgestattet.

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Ali Muhammed, 13 Jahre alt:
Ali Muhammed, 13 Jahre alt: “Ich möchte Forscher werden und neue Medikamente erfinden.”
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Noch ehe mit dem Bau einer Schule begonnen wird, werden Verträge mit der Regierung abgeschlossen, die den Erhalt und die Ausstattung der Schulen nach Fertigstellung regeln. So wird vermieden, dass langfristige Abhängigkeiten entstehen. Von Menschen für Menschen geschulte Komitees aus Gemeindevertretern, Eltern und Lehrern übernehmen die Verantwortung, die Schulen langfristig zu unterhalten und zu betreiben – so ist die Nachhaltigkeit der Bauten auf Jahrzehnte gewährleistet.

Die Schulen werden abends und in den Ferien auch genutzt, um Weiterbildungskurse für Erwachsene, wie zum Beispiel Alphabetisierungskurse, abzuhalten. Bislang haben rund 280.000 Frauen und Männer an solchen von der Stiftung organisierten Lese- und Schreibkursen teilgenommen, und damit auch ihr Selbstbewusstsein aufgewertet.

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Von links: Ali Adem, 10, Banschialem Gedefeyu, 10, und Merdia Jenus, 12, freuen sich auf die neuen Lernbedingungen.

“Ich bin stolz auf mein Land. Wir haben so viele landwirtschaftliche Erzeugnisse. Kaffee etwa, oder Erdnüsse. Das Problem ist, dass wir diese Produkte zu billig in die reichen Länder exportieren müssen”, sagt Ali Muhammed, der wache Sechstklässler aus Sephera. “Wir müssen selbst Fabriken bauen und unsere Produkte veredeln und verarbeiten, dann erzielen wir bessere Preise.”

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Stolz sei er auch auf die Natur in seinem Heimatland: “Es gibt hier so viele wilde Tiere. Es ist wichtig, dass wir sie bewahren und unter Naturschutz stellen.”

Fabriken bauen, die Wirtschaft entwickeln, die Natur schützen: Das geht nur mit tüchtigen Ingenieuren, Ökonomen und Ökologen. Im Dorf Sephera ist mit der neuen Schule der Grundstein für eine gut ausgebildete junge Generation gelegt.

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Die Stiftung Menschen für Menschen - Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe ist eine öffentliche Stiftung des bürgerlichen Rechts. Sie wird beim Finanzamt München unter der Steuernummer 143/235/72144 geführt und wurde zuletzt mit Bescheid vom 6. September 2021 wegen Förderung steuerbegünstigter Zwecke von der Körperschafts- und Gewerbesteuer befreit und somit als gemeinnützige Organisation anerkannt.