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Werkstätten der Zukunft

Schwerpunkt: Bildung
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Rund 70 Prozent der Äthiopierinnen und Äthiopier sind jünger als 30 Jahre. Auf ihren Schultern ruhen daher viele Hoffnungen für eine bessere Zukunft des Landes. Damit die jungen Frauen und Männer greifbare berufliche Perspektiven erhalten, fördert Menschen für Menschen moderne fachliche Ausbildungsstätten. In Adi Gudom, im Norden Äthiopiens, zum Beispiel. Oder in Sheno nahe Addis Abeba. Ein Jahr nach ihrer Fertigstellung ziehen die Handwerksschulen eine erste Bilanz.

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In Adi Gudom wie auch an den anderen von Menschen für Menschen ausgestatteten TVETs ist der Frauenanteil hoch.

Wenn Yordanos Tirumay morgens aufwacht, wandert ihr Blick durch die dunkle Kammer, die seit einem Jahr ihr Zuhause ist: An der Wand entlang, vorbei an einem ausgeblichenen Beyoncé-Poster und einer Marien-Ikone, dann hinüber zu der Waschschüssel, die neben der wackeligen Holztür auf einem Tischchen steht. Das war‘s.

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2 Quadratmeter, eine nackte Glühbirne an der Decke, kein Fenster. Diesen Verschlag teilt sich die 18-jährige Yordanos mit der 19-jährigen Awet Hagezom. Und beide teilen sich nachts eine schmale Pritsche.

Man möchte Mitleid mit den Mädchen haben, die so beengt leben müssen, doch die beiden plaudern und lachen, als sie wenig später – in blauen Overalls – die Tür öffnen, auf die staubige Straße treten und sich zu ihrer Schule aufmachen. Seit einem Jahr absolvieren Yordanos und Awet eine Schlosserausbildung im Zentrum für “Technical and Vocational Education and Training“ (TVET), einer handwerklich-technischen Berufsschule in der nordäthiopischen Kleinstadt Adi Gudom.

Drei Jahre noch, dann haben sie ihren Abschluss in der Tasche. Für die Töchter armer Kleinbauern ginge damit ein Traum in Erfüllung. “Von der Familie getrennt zu leben, ist nicht leicht für uns”, sagt Yordanos. “Aber das nehmen wir auf uns, denn diese Ausbildung kann unser Leben verändern!”

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Das TVET schließt eine Lücke, die Nachfrage ist groß

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Das TVET in Adi Gudom besuchen derzeit 351 Lehrlinge.

Zehn Minuten später haben Yordanos und Awet das TVET erreicht. Ein Dutzend Flachbauten, verstreut auf einem kargen Gelände. Die Fassaden leuchten zitronengelb, Blechdächer funkeln in der Sonne. Dazwischen wachsen ein paar zarte Bäumchen, noch zu jung, um Schatten zu spenden.

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Sie sind, wie alles hier, kaum älter als ein Jahr: Das TVET wurde erst 2014 von Menschen für Menschen errichtet und mit den nötigen Maschinen ausgestattet. Seither werden hier junge Frauen und Männer in verschiedenen Lehrwerkstätten zu Tischlern, Automechanikern, Elektrikern, Schlossern und IT-Fachkräften ausgebildet. Die Ausbildungsprogramme dauern bis zu vier Jahre.

“Derzeit haben wir hier 351 Lehrlinge, künftig sollen es aber bis zu 500 sein”, sagt Biniam Welegebrial, 34, der Direktor der Schule. Die Nachfrage ist groß: Bisher gab es in dieser Gegend nur in Mekele, der Hauptstadt der Region Tigray, eine vergleichbare Ausbildungsstätte. “Mekele ist aber 30 Kilometer entfernt, die tägliche Busfahrt oder die Unterkünfte dort kann sich kaum jemand leisten”, so Biniam. Und selbst wenn: Die Schule in Mekele hat nicht Platz für alle jungen Leute in der Region, die eine Ausbildung machen wollen. Die Folge: Viele bleiben ohne berufliche Perspektive. Allein im Jahr 2015 hätten, so Rektor Biniam, in der Gemeinde Hentalo Wajerat, zu der Adi Gudom gehört, rund 3.000 Schülerinnen und Schüler die Klassenstufe 10 absolviert.

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Ausbilderin Lemlem Gebre-Tinsa erklärt in der Schlosserwerkstatt eine Maschine.

“Aber nur 20 Prozent von ihnen konnten im Anschluss auf eine weiterführende Schule wechseln. Alle anderen müssen sehen, wo sie bleiben.” Viele suchen ihr Glück in Addis Abeba. Um überleben zu können, müssen sie jeden Job annehmen. Eine Ausbildung oder ein Studium sind dann nicht mehr möglich.

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Manche wandern gar nach Saudi-Arabien aus, in der Hoffnung, dort ein wenig Wohlstand zu erlangen. “Die meisten kommen einige Jahre später völlig frustriert zurück, weil sie merken, dass ihnen keine Möglichkeit gegeben wird, sich beruflich zu entwickeln”, so Biniam. Für diese Rückkehrer und andere junge Leute, die keinen Ausbildungsplatz erhalten haben, hat das TVET in Adi Gudom ein eigenes Trainingsprogramm aufgesetzt: Es dauert wenige Wochen und bildet die Teilnehmer zu Hilfsarbeitern aus.

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Die Frauen behaupten sich selbstbewusst

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Auch Yordanos Tirumay, die an diesem Vormittag an der Werkzeugfräse arbeitet, hätte ohne das neu gegründete TVET in Adi Gudom keine Chance auf einen Ausbildungsplatz gehabt. Sie ist in Korkora geboren, einem 2.000-Seelen-Dorf, etwa 10 Kilometer von Adi Gudom entfernt. Ihre Eltern bauen Weizen und Zwerghirse auf einem kleinen Stück Land an.

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“Es war nicht leicht, sie davon zu überzeugen, dass ich Schlosserin werden will”, sagt TVET-Schülerin Yordanos Tirumay über ihre Eltern.

Als ältestes von sieben Kindern wäre es Yordanos‘ Aufgabe gewesen, im Haushalt und auf dem Feld zu helfen. Doch das Mädchen brachte schon immer gute Noten heim, und so erlaubten ihre Eltern ihr zunächst den Schulbesuch bis zur 10. Klasse – und dann den Schritt ins TVET.

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“Es war nicht leicht, sie davon zu überzeugen, dass ich Schlosserin werden will”, sagt Yordanos Tirumay. Technische Berufe sind in Äthiopien, mehr noch als in der westlichen Welt, eine Männerdomäne. Doch langsam wandeln sich die Rollenbilder.

Ein Vorbild fand Yordanos am TVET in Adi Gudom: Lemlem Gebre-Tinsa, 23 Jahre alt, ist gelernte Schlosserin. Als weibliche Ausbilderin in einem “Männerberuf” ist sie eine Seltenheit, nicht nur in Adi Gudom. “Am Anfang waren die männlichen Schüler ein wenig skeptisch”, erzählt Lemlem und schmunzelt. “Aber solche Zweifel kenne ich ja schon lange. Auch meine Eltern dachten mal, ich würde mit der Ausbildung nur meine Zeit und ihr Geld verschwenden.” Sich gegen die Widerstände der patriarchalen Gesellschaft durchzusetzen, sei nicht einfach. “Aber wenn wir für unsere Träume kämpfen und gute Arbeit leisten, werden wir akzeptiert”, ist Lemlem überzeugt. In der Schlosserwerkstatt von Adi Gudom wundert sich jedenfalls niemand mehr über die zierliche Lehrerin an den schweren Maschinen.

Berufliche Perspektiven für junge Menschen zu schaffen, ist ein entscheidender Baustein für ein zukunftsfähiges Äthiopien. Denn das Land erlebt derzeit vor allem in Städten, wo der wirtschaftliche Aufschwung spürbar ist, einen tiefgreifenden demografischen Wandel. Auch eine bessere medizinische Versorgung und mehr Bildung haben dazu beigetragen, dass die Geburtenrate im Land in den vergangenen 25 Jahren drastisch gesunken ist. Bekam eine Frau 1990 im Durchschnitt mehr als sieben Kinder, sind es 2014 nur noch etwa vier. Bis 2030 könnte die Zahl gar auf 2,6 Kinder pro Frau fallen. Die Folge ist eine Gesellschaft, deren Altersstruktur Chancen wie Risiken birgt. Ein großer Bevölkerungsanteil im arbeitsfähigen Alter, der nur wenige Kinder und Rentner mitversorgen muss, kann zum Wachstumsmotor einer ganzen Volkswirtschaft werden. Gelingt es jedoch nicht, diesen jungen Menschen Perspektiven zu bieten, locken Kriminalität und Drogen, drohen Radikalisierung und eine verschärfte Landflucht. Ein kollektives Scheitern einer solchen Menge junger Menschen könnte das ganze Land destabilisieren.

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Äthiopien muss in die junge Generation investieren

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Wie hoch die Jugendarbeitslosigkeit in Äthiopien derzeit ist, lässt sich nur schwer sagen. Auf dem Land soll sie gering sein, doch die große Mehrheit arbeitet hier unentgeltlich auf den Höfen der Eltern mit. In den Städten wird der Anteil der jungen Menschen ohne ausreichende Beschäftigung derweil auf mehr als 45 Prozent geschätzt. Ein Notstand, der sich nur beheben lässt, wenn die Wirtschaft des Landes radikal modernisiert wird. Entwicklungsexperten wie der nigerianische Wirtschaftswissenschaftler Professor Samuel Igbayato fordern deshalb – nicht nur für Äthiopien – mehr Ausbildungsplätze in technischen und kaufmännischen Berufen sowie mehr Unterstützung für Unternehmensgründungen, kurz: mehr Investitionen in die Jugend. Ihr Schicksal, so könnte man Igbayatos Analyse zusammenfassen, entscheidet über das Schicksal zahlreicher afrikanischer Länder.

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Tadese Wolde Berhan (19), einer der Schüler am TVET im Adi Gudom.

“Der Weg von Ackerbau und Viehzucht hin zu Industrie und Dienstleistung ist steini”, sagt Tadele Kebede, 45, Direktor des TVET in Sheno. Hier, 80 Kilometer nordöstlich von Addis Abeba, hat Menschen für Menschen in den Jahren 2014 und 2015 eine völlig marode Ausbildungsstätte neu aufgebaut und die Werkstätten und Lehrräume eingerichtet.

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Mit dem Ergebnis, dass die Rate erfolgreicher Absolventinnen und Albsolventen von 34 auf 90 Prozent angestiegen ist. “Das Problem ist aber, dass längst nicht alle, die bei uns einen Abschluss machen, eine Anstellung finden”, so Kebede. Er ermutigt seine Schülerinnen und Schüler deshalb, sich selbstständig zu machen. “In einem wachsenden Industriemarkt finden auch kleine Handwerksbetriebe ihre Kunden.” Ohne Unterstützung sei eine Firmengründung jedoch schwierig. Helfen soll ein staatliches Förderprogramm, das den Studierenden 80 Prozent der nötigen Mittel leiht. Auch Menschen für Menschen baut zurzeit ein Programm für Start-ups auf.

Yordanos Tirumay und Awet Hagezom, die beiden angehenden Schlosserinnen aus Adi Gudom, wollen sich ebenfalls eines Tages selbstständig machen. “Wir wollen Türen, Tore und Fenstergitter fertigen”, sagt Yordanos. Was es auf dem Markt gibt, sei oft ziemlich fantasielos, findet sie. “Unsere Produkte wären von höherer Qualität und sähen viel besser aus.” Bis Yordanos und Awet ihre kleine Firma haben, werden noch ein paar Jahre vergehen. “Aber wir legen schon jetzt jeden Monat etwas für unseren Plan zurück.”

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Bald ist die Zeit der Plagen zu Ende

Schwerpunkt: Bildung
Projektgebiet: Borena
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Im Dorf Kelecha Jibat ist der Besuch der alten Schule die reinste Plage. Am Lehmboden der Schulhütten lauern Sandflöhe, die sich in die nackten Füße der Kinder bohren. Termiten fressen die Holzkonstruktionen an. Staub und Hitze setzen den Schülern zu. Das alles soll bald vorbei sein. Menschen für Menschen baut moderne Schulgebäude für die 1.500 Kinder im Dorf.

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Gegen die Sandflöhe: Die Jungs sammeln Kuhdung auf den Feldern.

Jeden Freitag das gleiche Ritual im Dorf Kelecha Jibat: Schüler schwärmen in alle Richtungen aus, um auf Wegen und an Feldrainen Kuhfladen zu sammeln. Der Dung soll vor einem fürchterlichen Plagegeist schützen, der seine Opfer schier in den Wahnsinn treiben kann. Tunga penetrans, der gemeine Sandfloh, liebt den Staub trockener Lehmböden.

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Hier wartet er auf seine Opfer, seien es Mäuse, Haustiere oder Menschen. Feuchte Böden, mit Dung vermischt, hasst der Blutsauger dagegen. Einige Mädchen mischen den Dung mit bloßen Händen mit Wasser an. Dann streichen sie die mörtelähnliche Masse mit ihren Handflächen sorgfältig überall am Boden ihres Klassenzimmers aus. In Kelecha Jibat wie auch in vielen anderen Schulen in Äthiopien sorgt der Sandfloh dafür, dass ein Mal pro Woche die Schule einen halben Tag ausfällt: Statt Mathe oder Biologie steht immer freitags Schädlingsbekämpfung auf dem Stundenplan.

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Fürchterliche Bisse

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“Was für eine Vergeudung an Unterrichtszeit!”, sagt Direktor Zekios Dida, 26. Zumal viele Kinder trotzdem von dem Parasiten befallen werden. Der junge Direktor stammt aus dem Dorf, einst besuchte er selbst die Schule. “Es macht mich traurig und wütend, dass die Kinder heute immer noch mit den gleichen unhaltbaren Zuständen kämpfen wie ich damals”, sagt er ernst. “Oh ja, die Sandflöhe sind fürchterlich! Ihre Bisse jucken dermaßen, dass man nachts nicht mehr schlafen kann. Du glaubst, du wirst verrückt.”

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Mit Vorliebe bohren sich Sandflöhe unter den Zehennägeln in die Haut der Kinder.

Die Weibchen, einen halben bis einen Millimeter winzig, bohren sich mit Vorliebe an den Zehennägeln unter die Haut. Sie saugen Blut und können nach mehreren Tagen zu einer Kugel von 2 bis 3 Millimetern Durchmesser anwachsen.

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Bevor das Tier festgebissen in der Haut nach etwa zwei Wochen stirbt, legt es Hunderte von Eiern, die auf den Untergrund fallen und sich innerhalb von drei Wochen über das Larven- und Puppenstadium zu neuen Flöhen entwickeln.

Medizinische Fachbücher empfehlen die chirurgische Entfernung des Flohs unter Lokalanästhesie. Doch im ländlichen Äthiopien gibt es diese Möglichkeit nicht.

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“Nach einem Biss müssen die Kinder zwei bis drei Tage warten, bis der Sandfloh sich mit Blut vollgesogen hat”, erklärt Direktor Zekios. “Dann nimmt man eine Nadel und versucht, ihn zu entfernen.” Natürlich gibt es bei dieser Methode Infektionen. “Manche Betroffenen können vor Schmerzen kaum gehen”, sagt der Direktor. Es gibt auch Fälle, in denen Füße durch nicht sachgerecht behandelte Infektionen auf Dauer geschädigt wurden. Feste Schuhe schützen vor dem Parasiten. Aber außer den Lehrern trägt niemand Socken und geschlossene Halbschuhe. Die Kinder haben billige Sandalen aus Gummi und Plastik an den nackten Füßen, manche gehen auch barfuß.

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Schulleiter Zekios zeigt die marode Bausubstanz: “Termiten fressen die Holzkonstruktion an.” Die Klassenzimmer sind staubig, dunkel und viel zu klein für die zahlreichen Schüler.

Die Sandflöhe sind die schlimmste Plage, aber der Alltag hat noch weiteres Mühsal für Lehrer und Schüler parat. Direktor Zekios zeigt die von Termiten angefressene Holzkonstruktion der Schulbibliothek. “Wir können die Bibliothek nicht mehr benutzen”, sagt er: “Einsturzgefahr!”

 

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Zwar entsendet der äthiopische Staat Lehrer bis in die entlegensten Winkel des Landes, wenn es in den Kommunen und Bezirken Unterrichtsräume gibt. In den armen Landstrichen gibt es aber nur ein winziges Steueraufkommen und kein Budget für solide Gebäude. Also bauen die Gemeinden zusammen mit den Eltern einfache Häuser mit Gerüsten aus Holzstangen und Ästen, über die mit Strohvermischter Lehm geworfen wird. Diese Verschläge halten aber kaum länger als ein Jahrzehnt.

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Erst im vergangenen Jahr ist ein zum Glück bereits außer Dienst gestelltes, durch Termitenfraß morsches Gebäude mit vier Klassenräumen über Nacht eingestürzt. Damit ist die Raumnot der Schule noch größer. Die Hälfte der Schüler wird vormittags und die andere Hälfte nachmittags unterrichtet. Teils wird der Unterricht draußen, im Schatten von Bäumen abgehalten. Zwar hat eine amerikanische Hilfsorganisation vor einigen Jahren Schulbänke gestiftet, aber sie reichen nicht für alle Mädchen und Jungen in den großen Klassen mit mehr als 80 Kindern. Deshalb sitzen viele auf Steinen am Boden, die Hefte liegen auf den Beinen. Es gibt kaum Licht in den Schulhütten mit ihren kleinen Fenstern, dafür Hitze und Staub.

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Die alte Grundschule im Dorf Kelecha Jibat, wo Menschen für Menschen nun eine neue Schule baut.
Die alte Grundschule im Dorf Kelecha Jibat, wo Menschen für Menschen nun eine neue Schule baut.
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Viele Schulabbrecher

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“Es ist sehr schwierig, unter diesen Bedingungen durchzuhalten”, sagt der Direktor. “Von Schuljahr zu Schuljahr sind weniger Kinder da.” Die erste Klassenstufe an der Schule ist vierzügig, die zweite noch dreizügig. Aber ab der dritten Stufe gibt es nur noch zwei Parallelklassen. Im achten Schuljahr ist die Zahl der Schüler derart zusammengeschmolzen, dass es nur noch eine einzige Klasse gibt. Es gibt also eine immense Zahl an Schulabbrechern, denen ohne Abschluss nichts bleibt, als das Leben der Eltern zu führen: als mittellose Kleinbauern, die ihre Armut in die nächste Generation weitertragen.

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Die solidesten Gebäude weit und breit: Die neue Schule von Menschen für Menschen im Projektgebiet Borena.
Die solidesten Gebäude weit und breit: Die neue Schule von Menschen für Menschen im Projektgebiet Borena.
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Deshalb will Menschen für Menschen nun Abhilfe schaffen. Das Dorf im Projektgebiet Dano wird vier solide und helle Schulgebäude mit insgesamt 16 Klassenzimmern erhalten. “Damit haben wir endlich genug Räume – mehr als 50 Kinder pro Klasse wird es nicht mehr geben”, freut sich Schulleiter Zekios. Außerdem baut die Äthiopienhilfe Lehrerzimmer und eine Schulbibliothek. Bislang gab es keine Straße nach Kelecha Jibat. Deshalb planierte der Bulldozer der Stiftung eine Piste von rund 20 Kilometern Länge bis zu dem Dorf, damit das Baumaterial transportiert werden konnte. Mitte 2016 sollen die 1.500 Schüler und 21 Lehrer die neuen Gebäude in Betrieb nehmen. Große Lamellenfenster sorgen dann für Licht und Luft und auf den betonierten Böden der Klassenzimmer gehört die Sandfloh-Plage der Vergangenheit an.

So erhalten die Kinder von Kelecha Jibat eine echte Chance, etwas aus ihrem Leben zu machen. “Ich möchte Astronomie studieren”, sagt Siebtklässler David Adunja, 13. In der ländlichen Weite des Projektgebiets Dano leuchten die Himmelskörper am Nachthimmel besonders hell: “Es ist ein Meer von Sternen, sie sind unzählbar!”

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“Wenn ich nachts zum Himmel blicke, denke ich: So gerne möchte ich mehr über die Sterne wissen!
“Wenn ich nachts zum Himmel blicke, denke ich: So gerne möchte ich mehr über die Sterne wissen!” David Adunja, 13.
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Erwachsene Gedanken

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Merera Tesfaye hat mit seinen 13 Jahren bereits konkrete Zukunftspläne.

Ihre Gedanken klingen erwachsen. In Äthiopien gibt es nicht das soziale Netz eines europäischen Wohlfahrtstaates, das den Einzelnen auffängt. Deshalb verstehen die Kinder früh, was Achtklässler Merera Tesfaye, 13, so formuliert: “Die Welt ist auf Wissen aufgebaut. Ohne Bildung bist du ein Nichts.”

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Im kommenden Jahr wird sich Merera einen Schlafplatz in Seyo mieten, der nächstgelegenen Stadt, und das dortige Gymnasium besuchen. Auch diese weiterführende Schule wurde bereits von Menschen für Menschen mit Schulgebäuden modernisiert. Merera peilt eine Laufbahn als Lehrer an. “Lehrer schaffen das Fundament, damit junge Leute Ingenieure, Ärzte oder Wissenschaftler werden können”, sagt er ernst: “Damit ist der Lehrerberuf der wichtigste Beruf, den es gibt.”

“Früher fühlte ich mich schwach, ich war ständig in der Gesundheitsstation, aber wirklich helfen konnten sie mir dort nicht”, sagt Masay. “Doch in den vergangenen zwei Jahren war ich kein einziges Mal dort!” Die Töchter Derebe, 16, und Bogale, 15, können die weiterführende Schule in der Kleinstadt Seyo besuchen, die von Menschen für Menschen erweitert und modernisiert wurde: “Nun können wir die Kosten für die Schuluniformen und einen Schlafplatz in Seyo tragen.”

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Lernen für die Zukunft

Schwerpunkt: Bildung
Projektgebiet: Dano
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Von Termiten zerfressene Wände, löchrige Böden und finstere Klassenräume haben das Lernen für die Schüler im Dorf Kekero Jibat bisher zur Qual gemacht. Viele fehlen oft oder brechen die Schule vorzeitig ab. Durch den allgegenwärtigen Staub leiden die Kinder und Jugendlichen unter Atembeschwerden. Auf dem Nachbargelände beginnt Menschen für Menschen nun mit dem Bau einer neuen Schule, in der es hell und staubfrei sein wird und genug Platz für alle ist.

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Der Lehrer steht auf Zehenspitzen, reckt seinen dünnen rechten Arm nach oben und schreibt mit Kreide in der Regionalsprache Oromo “Respekt” an die Tafel: Mit diesem Wort sollen die Mädchen und Jungen der 5. Klasse an der Kekero Jibat Higher Primary School einen Satz bilden. Lehrer Gamachu Hailu ist zwölf Jahre alt und drängt sich normalerweise mit den anderen Schülern Schulter an Schulter auf den Bänken des Klassenraums. Doch heute hat er die Aufgabe und Ehre, einen erkrankten Lehrer zu vertreten, denn er gehört zu den zehn besten Schülern der Schule. Sie springen in Notfällen ein und unterrichten ihre Klassenkameraden – in Mathe, in Englisch oder, wie Gamachu, in Oromo. Ein Schüler, zwei Köpfe größer als Gamachu, tritt vor und kritzelt eine Antwort an die Tafel. Der Aushilfslehrer ist nicht glücklich: “Das kannst du doch besser! Der Nächste bitte!”, ruft er streng.

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Einsatz in der Not: Ist der Lehrer krank, übernimmt auch mal der zwölfjährige Gamachu Hailu den Unterricht.
Einsatz in der Not: Ist der Lehrer krank, übernimmt auch mal der zwölfjährige Gamachu Hailu den Unterricht.
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Bücher müssen geteilt werden

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Dicht gedrängt hocken die Drittklässler im dunklen Klassenzimmer. Lehrerin Korani Fininsa gibt ihr Bestes, ihnen trotzdem etwas beizubringen.

Zwar werden heute in Äthiopien mehr als doppelt so viele Kinder eingeschult wie noch zum Millenniumswechsel, doch vor allem in ländlichen Regionen fehlt es an Schulen. Und die, die es gibt, sind oft, wie die Schule in Kekero Jibat, in einem sehr schlechten Zustand.

 

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Sie wurden ohne modernes Gerät aus Holz, Lehm und Stroh erbaut. Die Wände bröckeln, sie sind von Termiten angefressen. In vielen Räumen klaffen Löcher im Lehmboden. Durch die kleinen, fensterähnlichen Öffnungen dringt nur wenig Licht in die Klassenzimmer. Erst wenn sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, sind Kinder in den Ecken zu erahnen.

409 Jungen und 308 Mädchen aus den umliegenden Dörfern besuchen die erste bis achte Klasse an der Schule im Projektgebiet Dano, das rund 200 Kilometer südwestlich von Addis Abeba liegt. Für sie gibt es sechs Klassenräume, 13 Lehrer, einen Rektor und seinen Vertreter. Selbst wenn alle Lehrkräfte da sind, reichen Personal und Räume nicht, um alle Schüler gleichzeitig zu unterrichten. Deshalb kommen sie in Schichten: Morgens die Erst- bis Viertklässler, nachmittags die Klassen fünf bis acht. Lehrbücher müssen sich die Schüler teilen, meist zu fünft. Abwechselnd nehmen sie die Bücher mit nach Hause. “Wir haben die Gruppen, die sich Hefte und Bücher teilen, bewusst zusammengestellt. In jedem Team gibt es immer mindestens einen sehr guten Schüler”, sagt Korani Fininsa, 28, die Naturwissenschaften unterrichtet. “So können sich die Schüler gegenseitig helfen.”

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Nur wenn sich die Schüler die Bücher teilen, haben sie alle eine Chance, aus ihnen zu lernen.
Nur wenn sich die Schüler die Bücher teilen, haben sie alle eine Chance, aus ihnen zu lernen.
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Der Baum wird zur Bibliothek

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“Ganz egal, wo ich in der Schule hingehe, es ist immer voll. Wir haben leider keine Bibliothek oder einen anderen ruhigen Raum”, erzählt der Musterschüler Gamachu. Auch bei ihm zu Hause ist es nicht besser. Mit sechs Geschwistern wohnt er im Dorf Belfa, 15 Minuten zu Fuß von der Schule entfernt. “Zum Lernen und für die Hausaufgaben setz ich mich unter einen Baum. Das ist der einzige Ort, wo ich mich konzentrieren kann.” Wenn es regnet oder dunkel wird, muss der fleißige Junge abbrechen.

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Dass sich die Schüler auf marode Bänke quetschen müssen, macht Rektor Tamene Errenso traurig.

“Er könnte noch besser in der Schule sein, wenn er eine gute Umgebung zum Lernen hätte”, sagt Tamene Errenso, der 30-jährige Rektor der Schule. Doch die gibt es an der Schule in Kekero Jibat nicht. Dass Lehrer und Direktor ihm so viel zutrauen, ihn Unterricht halten lassen und sich um ihn kümmern, hat Gamachu selbstbewusst gemacht.

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Vorbilder habe er nicht, denn das, was er erreichen will, hat in seinem Dorf noch niemand geschafft: Gamachu möchte Medizin studieren. “Wenn Menschen in meinem Dorf krank werden, fehlt es an Ärzten und Medizin. Das muss sich ändern. Ich will für sie da sein können.”

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Der Staub, der krank macht

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Um seine Schüler zu motivieren, ihnen Ratschläge und Anweisungen zu geben, lässt sie Rektor Tamene täglich vor Schulbeginn antreten. Er schaut dann von einem kleinen, grasbewachsenen Hügel auf seine Schüler und ruft: “Teilt euch eure Zeit gut ein! Helft euren Eltern, aber macht auch eure Hausaufgaben.” Oder er erinnert sie an bevorstehende Prüfungen: “Lernt dafür! Mit guten Noten könnt ihr es irgendwann auf die Universität schaffen.” Schwatzen die Kinder sonst wild durcheinander, wagt es während der Ansprache keiner zu sprechen.

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Tägliche Begrüßung: Trotz der misslichen Umstände motiviert Rektor Tamene Errenso die Schüler zum Lernen.
Tägliche Begrüßung: Trotz der misslichen Umstände motiviert Rektor Tamene Errenso die Schüler zum Lernen.
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“Hoffentlich kann ich in der neuen Schule endlich konzentriert lernen, ohne ständig husten zu müssen.” URGE MIRKANA,18 SCHÜLERIN

Unter ihnen lauscht auch Urge Mirkana dem Direktor. Sie ist 18 Jahre alt und besucht erst die 6. Klasse. Viele ihrer Mitschüler sind fünf oder sechs Jahre jünger als sie. Von allen Kindern, die in Äthiopien eingeschult werden, absolvieren nicht einmal die Hälfte die Grundschule. Viele müssen die Klasse wiederholen, da sie nur unregelmäßig am Unterricht teilnehmen konnten.

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Gründe sind oft zu weite Schulwege oder die Notwendigkeit, auf dem Feld der Familie mitzuarbeiten und Vieh zu hüten. Bei Urge waren es Staub und bröckelnder Lehm, die sie krank machten. Überall bedeckt ein Staubfilm den Boden, jeder Schritt wirbelt ihn auf. Urge litt unter chronischen Hustenanfällen, die schließlich so heftig waren, dass sie zu Hause blieb. Vier Jahre lang.

“Ich wollte aber unbedingt wieder zurück an die Schule, auch wenn ich wusste, dass es mir gesundheitlich dann wieder schlechter gehen würde”, erzählt sie und lächelt verlegen. Sie möchte in der Forschung arbeiten, wie ihr Vorbild Gebisa Ejeta. Der Genetiker, der wie sie aus einem Dorf im westlichen Zentraläthiopien stammt, züchtete eine Sorghum-Hirse, die besonders widerstandsfähig gegen Dürre und Schädlinge ist. 2009 wurde er dafür mit dem Welternährungspreis ausgezeichnet. Für ihre Karriere geht Urge auch am Wochenende zur Schule. Dann finden kostenlose Nachhilfestunden statt. “Das ist der coolste Unterricht der ganzen Woche”, sagt sie. Auch die Lehrer wie Korani Fininsa kommen gerne. “Dann hole ich das auf, was ich unter der Woche nicht schaffe: einzeln auf Kinder eingehen.”

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Mit der Not arrangieren

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Gute Schüler als Aushilfslehrer, die tägliche Ansprache des Direktors, Lerngruppen, Nachhilfeunterricht am Wochenende – Lehrer, Rektor und Schüler der Schule in Kekero Jibat haben gelernt, das Beste aus den misslichen Umständen zu machen. Bisher blieb ihnen auch nichts anderes übrig. Doch jetzt plant Menschen für Menschen den Bau einer neuen Schule. 2020 soll sie direkt neben der jetzigen eröffnet werden. Während ihres 38-jährigen Bestehens hat die Stiftung bereits 435 Schulen im ländlichen Äthiopien gebaut oder erweitert. Das Geld, das sie in den Neubau steckt, ist gut investiert: Die Gebäude mit Platz für zwölf Klassenräume werden auf erhöhten Betonfundamenten stehen, Ziegelwände, verzinkte Dächer und große Lamellenfenster auf beiden Längsseiten haben: Vorbei der Staub und die Dunkelheit. Tische, Bänke und Materialien wie wichtige Nachschlagewerke kommen dazu. Nach der Fertigstellung der Schule wird sich die Regierung um den Betrieb und die Instandhaltung kümmern. Das ist vertraglich geregelt. So soll eine langfristige Abhängigkeit verhindert und die Nachhaltigkeit der Schule für Jahrzehnte gesichert werden.

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Bildung als Werkzeug

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Ohne Bildung keine Entwicklung. Mit Ihrer Spende schenken Sie Kindern in Äthiopien eine bessere Zukunft.

Schon jetzt freut sich Urge Mirkana auf ein Klassenzimmer, aus dem sie nicht mehr ständig wegen eines Hustenanfalls fliehen muss. Auch Gamachu Hailu ist sich sicher, dass alle gut mit der neuen Schule umgehen werden.

 

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Zu einschneidend sind die Erfahrungen mit den schlechten Bedingungen, unter denen sie heute noch die Schule besuchen müssen: “Ich freue mich sehr, dass meine Mitschüler und ich einen Ort bekommen, wo wir richtig lernen können”, sagt er. “Denn Bildung ist unser Werkzeug, um uns und unser Land zu verändern.”

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Späte Chance auf Bildung

Schwerpunkt: Bildung
Projektgebiet: Borena
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In Äthiopien können rund 50 Prozent aller Menschen, die 15 Jahre oder älter sind, nicht lesen und schreiben. Das hemmt die Entwicklung des Landes, weil den Menschen die Basis dafür fehlt, sich Wissen selbst anzueignen. Die Alphabetisierungskurse von Menschen für Menschen helfen, das Bildungsniveau zu steigern.

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Tiringo Maschaw ist erst 29 Jahre alt und schon vom Leben gezeichnet. Um ihre leuchtenden Augen haben sich Falten in die Haut gegraben, ihre Hände sind rau von der Arbeit. Seit ihrer Kindheit schuftet sie in der Landwirtschaft. Mit sieben Jahren trieb sie das Vieh auf die Weide, mit neun holte sie Wasser von der Quelle, mit zehn packte sie bei der Ernte mit an.

“Unsere Eltern hätten mich und meine Geschwister gerne zur Schule geschickt. Aber wir waren sehr arm. Wir mussten arbeiten”, erzählt sie. Anfangs sei sie neidisch gewesen, dass andere Kinder im Dorf mit Heften und Büchern unterm Arm zur Schule marschierten, während sie mit einer Rute in der Hand die Herde antrieb oder schwere Kanister schleppte. “Irgendwann habe ich das akzeptiert.”

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Den Teufelskreis durchbrechen

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“Wer lesen, schreiben und rechnen kann, tritt selbstbewusster auf” Lehrer Beyene Tadesse im Dorf Menejeba

Als Tiringo zwölf Jahre alt war, lernte sie einen Jungen aus dem Dorf kennen. Er war ein paar Jahre älter als sie, die beiden trafen sich heimlich. Wenig später war Tiringo schwanger. “Als meine Tochter zur Welt kam, war ich sehr glücklich. Aber mit der Zeit wurde mir klar, was es für mich bedeutete, so jung Mutter zu werden.”

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Während andere Kinder im Dorf die Welt auch spielend und lernend erkunden konnten, musste sie Verantwortung übernehmen wie eine Erwachsene. “Ich bin stolz auf das, was ich geleistet habe”, sagt sie. “Aber der Preis war hoch: Ich habe nie lesen und schreiben gelernt.”

Biografien wie die von Tiringo Maschaw sind in Äthiopien und anderen Entwicklungsländern keine Seltenheit. Der Weltbildungsbericht der UNESCO 2016 zeigt: Etwa 758 Millionen Menschen auf der Welt sind Analphabeten, fast zwei Drittel von ihnen sind Frauen. Bereits 1966 haben die Vereinten Nationen mit der Einführung des “Weltalphabetisierungstags”, der jährlich am 8. September stattfindet, auf das globale Problem hingewiesen. Seither hat sich die Situation verbessert, doch bis heute ist mangelnde Bildung ein Problem in Entwicklungsländern.

Der größte Anteil der Analphabeten verteilt sich auf nur zehn Länder, zu denen auch Äthiopien gehört: Rund 50 Prozent aller Menschen im Land, die 15 Jahre oder älter sind, können weder lesen noch schreiben. Viele Kinder müssen auf dem Feld mit anpacken, andere sind zu schwach für den weiten Fußmarsch zur nächsten Schule. Eine Folge von Mangelernährung. Viele Mädchen verpassen während ihrer Menstruation den Unterricht. Sie bleiben zu Hause, weil ihnen Wechselwäsche und Binden fehlen.

Auch Traditionen können ein Bildungshemmnis sein: In ländlichen Regionen, wo die Menschen das Überleben ihrer Familien seit Generationen mit den bloßen Händen sichern, gilt Schulbildung zum Teil als überflüssig. Warum die Zeit mit Büchern verschwenden, wenn das Getreide reif ist? Auf diese Weise pflanzt sich der Mangel an Bildung immer weiter fort.

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Wie schwierig es ist, diesen Teufelskreis zu durchbrechen, zeigt sich im Dorf Menejeba in der zentraläthiopischen Region Borena. In einem einfachen Holzhaus mit Wellblechdach steht Beyene Tadesse vor einer Klasse. Seine Hände sind voller Kreidestaub, gerade hat er etwas an die Tafel geschrieben. “Kebede kauft sich eine Hose”, liest er vor. “Bitte übertragt den Satz in eure Hefte”, sagt Beyene.

Die rund 70 Schüler sind hoch konzentriert, nur ihre kratzenden Bleistiftminen durchbrechen die Stille im Raum. Auch Tiringo Maschaw müht sich, die Worte aufs Papier zu bringen. Sie gehört zu den jüngeren Schülern hier. Viele Frauen und Männer sind weit über 60 Jahre alt. Manche sitzen zum ersten Mal auf einer Schulbank.

Wie Adamasu Ali: Der 68-Jährige mit dem silbergrauen Haar ist der älteste Schüler im Alphabetisierungskurs von Menejeba. Aufmerksam folgt er den Lektionen an diesem Tag. Was die Schule für ihn bedeute? “Ich lerne die Welt noch einmal neu kennen”, sagt Adamasu. Seit er ein wenig lesen und schreiben kann, spüre er eine nicht gekannte Unabhängigkeit, vor allem auf dem Wochenmarkt: Als Verkäufer von Getreide und Eiern an seinem eigenen Stand – und als Kunde an anderen Ständen.

“Früher musste ich mir alles von Freunden und Bekannten vorlesen und vorrechnen lassen”, sagt er. Welcher Preis ist fair? Wer gibt Rabatte? Als Analphabet ohne Kenntnisse im Umgang mit Zahlen habe er ständig Angst gehabt, betrogen zu werden. “Das ist jetzt vorbei.”

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“Ich lerne die Welt noch einmal neu kennen.” ADAMASU ALI, 68
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Seit rund fünf Jahren bietet Menschen für Menschen in der Projektregion Borena funktionale Alphabetisierungskurse für Erwachsene an. Wer gar nicht lesen und schreiben kann, beginnt mit dem Grundkurs. Nach einem bestandenen Test wechseln die Teilnehmer zu den Fortgeschrittenen. “Rund 80 Prozent bestehen die Prüfung beim ersten Mal”, erzählt Kursleiter Beyene stolz. Die Nachfrage ist seit Jahren ungebrochen: Derzeit besuchen rund 1.300 Erwachsene in Menejeba und den umliegenden Dörfern einen Alphabetisierungskurs. “Drei Mal pro Woche ist Unterricht”, berichtet Beyene.

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Anfangs verzweifeln viele

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Schülerinnen und Schüler des Alphabetisierungskurses im Dorf Menejeba.

Die hohe Frequenz soll auch die Fehlzeiten ausgleichen: “Die Menschen arbeiten hart, um bescheiden leben zu können. Deshalb muss man verstehen, dass die Feldarbeit schon mal vorgeht.” Und jene, die erscheinen, seien mit den Gedanken oft bei ihrem Vieh oder der bevorstehenden Ernte, so Beyene.

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„Will man es ihnen verübeln? Wie wertvoll Wissen ist, erkennen sie oft nicht sofort.” Vor allem am Anfang, wenn Beyene die Grundlagen der amharischen Silbenschrift lehrt, verzweifeln viele seiner Schülerinnen und Schüler fast. Umso glücklicher ist er, wenn sie dranbleiben. Denn wer die erste Durststrecke übersteht, profitiert unmittelbar: “Die Texte, die wir lesen, vermitteln wertvolles Wissen – von Hygiene über Gesundheit bis zur Landwirtschaft.” Ein Lehrplan, der zeigt, wie eng Alphabetisierung und persönliche Entwicklungschancen miteinander verknüpft sind. “Wer lesen und schreiben kann, ist in der Lage, sich selbst neue Fähigkeiten anzueignen und tritt selbstbewusster auf”, weiß Lehrer Beyene.

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Teil der Gesellschaft werden

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Funktionale Alphabetisierung vermittelt neben Kenntnissen im Lesen, Schreiben und Rechnen alltagsrelevantes Wissen, z. B. über Landwirtschaft, Gesundheit und Familienplanung.

Tiringo Maschaw sagt, als Kind sei es ihr egal gewesen, dass Buchstaben für sie keinen Sinn ergaben. “Doch als meine Tochter anfing, mir Verpackungsaufschriften vorzulesen, war mir das unangenehm.” Später zogen ihr Onkel und ihre Schwester nach Addis Abeba und wollten mit ihr per SMS in Kontakt bleiben. Doch Tiringo hatte Angst vor der fremden Welt aus Worten und Zahlen.

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Ihre Tochter überzeugte sie schließlich, lesen und schreiben zu lernen. “Sie hilft mir bis heute, wenn ich mit einer Aufgabe nicht weiterkomme.” Einfache Texte versteht Tiringo mittlerweile und sie schreibt Kurznachrichten an ihre Verwandten in der Hauptstadt. Anträge und Dokumente signiert sie jetzt mit ihrem Namen, anstatt wie früher mit ihrem Fingerabdruck. “Ich fühle mich erst jetzt wie ein richtiger Teil der Gesellschaft.”

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Traumberuf dank ATTC

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Als Kind hätte sich Misrak Tilahun nicht träumen lassen, eines Tages zu studieren. Heute ist sie für die Sicherheit auf Flughäfen verantwortlich – dank Menschen für Menschen und dem Agro Technical and Technology College (ATTC). Hier erzählt Misrak, wie sie zu ihrem Traumberuf kam.

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“Ich wurde in einem Dorf in Ostäthiopien geboren. Als wir Kinder waren, sahen meine Freunde und ich manchmal ein Flugzeug am Himmel. Dann liefen wir rufend und winkend in seine Richtung. Wir dachten, man könne uns da oben hören! Als ich älter war, beobachtete ich, wie die ATTC-Studenten aus unserer Nachbarschaft morgens in den Bus stiegen. Ich bewunderte sie, ich wollte auch studieren!

Aber mein Vater hatte nur einen kleinen Kiosk und hätte sich meine Ausbildung nie leisten können. Das Studium an staatlichen Universitäten kostet zwar nichts, aber allein die Bücher wären uns zu teuer gewesen. Meine einzige Chance war das ATTC von Menschen für Menschen. Als die Zusage kam, war ich überglücklich: Ich konnte studieren!

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Für Misrak Tilahun ist ein Traum in Erfüllung gegangen.

Ich entschied mich für Elektrotechnik, weil ich einen Schwager habe, der in diesem Beruf arbeitet. Er war immer schon mein Vorbild. Nach meinem Abschluss arbeitete ich zunächst für die staatlichen Elektrizitätswerke. 2011 bewarb ich mich bei der zivilen Luftfahrtbehörde.

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Als Senior-Inspektorin bin ich heute für die Sicherheit auf den Rollfeldern der vier internationalen und 13 inländischen Flughäfen in Äthiopien verantwortlich. Meine Kollegen und ich prüfen regelmäßig die gesamte Technik und schulen die Mitarbeiter. Das ist viel Verantwortung, aber das mag ich. Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen!”

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Die Zukunftsschmiede

Schwerpunkt: Bildung
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Am “Agro Technical and Technology College” (ATTC) in Harar qualifizieren sich junge Frauen und Männer in praxisorientierten Studiengängen in agrarökologischen und handwerklichtechnischen Berufen. Das 1992 von Menschen für Menschen gegründete College gilt als eines der besten des Landes. Es versorgt die wachsende Wirtschaft mit Fachkräften und ebnet Jugendlichen aus einfachen Verhältnissen den Weg aus der Armut.

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Es ist Montagmorgen und in der Lehrwerkstatt fliegen die Funken. Neben dem Eingang schweißen eine junge Frau und ein junger Mann schwere Stahlstreben zu einer Treppe zusammen.

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Praktisches Arbeiten spielt am ATTV eine bedeutende Rolle.

In sicherem Abstand tüfteln Kommilitonen an einer Übungsaufgabe: ein Stück Fallrohr aus Pappe nachbauen. Für Kedest Zewdu an der Werkzeugmaschine wird es derweil ernst. Sie soll heute eine Stahlscheibe in ein Zahnrad verwandeln.

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Prof. Dr. Donnchad Mac Cárthaigh (66), der Präsident des ATTC.

Der 66-jährige Präsident des ATTC war seit 1988 Professor für Baumschulwirtschaft an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Weihenstephan-Triesdorf in Freising nördlich von München. 2009 wechselte er an die staatliche Adama-Universität unweit von Addis Abeba.

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Als er Anfang 2015 das Angebot bekam, das ATTC zu leiten, überlegte er nicht lange. „Die Schule ist eine Institution im Land“, sagt Mac Cárthaigh. Vor allem wegen ihrer Praxisnähe sei sie beliebter als staatliche Colleges oder Universitäten.

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Der Campus lehrt Verantwortung

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Rund 1.500 Bewerbungen um einen Studienplatz gehen jedes Jahr ein. Ein Aufnahmetest entscheidet darüber, wer einen der 220 Plätze erhält, die jährlich neu zu vergeben sind. Wer sich einschreibt, kann nach vier Jahren den Bachelor of Science in einem der drei technischen Studiengänge Fertigungstechnik, Elektrik & Elektrotechnik oder Automobiltechnik erwerben. Der Studiengang Agrarökologie endet nach drei Jahren mit dem Bachelor-Abschluss.

Während dieser Zeit ist das ATTC den Studierenden nicht nur eine Schule, sondern auch ein Zuhause. Neben Lehrwerkstätten und Seminar räumen umfasst das weitläufige College-Gelände Wohnheime, eine Kantine, eine Bibliothek und einen Sportplatz. “Das Leben auf dem Campus lehrt die jungen Leute, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen”, sagt Mac Cárthaigh. Firmenchefs, die ihn auf der Suche nach Personal ansprechen, fragten auch nach solchen “Soft-Skills”, den sozialen Kompetenzen.

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Lernen und Leben auf dem Campus: Die Studierenden des ATTC büffeln gemeinsam im Seminarraum.
Lernen und Leben auf dem Campus: Die Studierenden des ATTC büffeln gemeinsam im Seminarraum.
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Äthiopien den Weg in die Zukunft ebnen: Das war das Ziel der Stiftung Menschen für Menschen, als sie das ATTC 1992 in Harar in Ostäthiopien gründete. Damals begann der Fortschritt zaghaft das Land zu erfassen. Modernisierung und Industrialisierung wurden zunächst in der Hauptstadt Addis Abeba sichtbar. Die Nachfrage nach Fachkräften stieg.

Mit dem ATTC hat Menschen für Menschen ein Trainingszentrum geschaffen, an dem junge Talente unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten einen Abschluss erreichen können. Das College finanziert sich zu einhundert Prozent aus Spenden, das bedeutet: Alle laufenden Kosten der Abteilungen wie neues Werkzeug, Arbeitskleidung oder Bücher, aber auch Unterkunft und Verpflegung für die Studenten trägt die Stiftung. So bleibt die Aufnahmeprüfung die einzige Hürde auf dem Weg zum Studium am ATTC.

25 Jahre nach der Gründung des ATTC gilt Äthiopien als “Afrikanischer Tiger”. Das Bruttoinlandsprodukt wächst seit 2014 um acht bis zwölf Prozent im Jahr. Große Firmen, vor allem aus China und Indien, errichten Produktionsstätten im Land. In den kommenden fünf Jahren soll sich das Straßennetz verdoppeln, die Energieproduktion vervierfachen.

Tausende Kilometer Eisenbahnnetz und Millionen von Jobs sollen entstehen. Zwar leben nach wie vor über 70 Prozent der Äthiopier als kleinbäuerliche Selbstversorger auf dem Land. Doch gleichzeitig wächst ein zweites, ein modernes Äthiopien heran. Ein Land, das Ingenieure und Mechaniker braucht.

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Solide Ausstattung

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Georg Pickel, Leiter des Fachbereichs Automobiltechnik

“Unsere Absolventen sind bei Arbeitgebern begehrt”, sagt Georg Pickel, 62, der den Fachbereich Automobiltechnik leitet. Der Kfz-Meister und Maschinenbau-Ingenieur aus Deutschland lebt seit 1993 in Äthiopien.

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Er sieht einen Grund für den Erfolg seiner Absolventen in der guten Betreuung der Studierenden am ATTC. Ein weiterer sei die solide technische Ausstattung. Einen modernen Elektromotor lässt seine Lehrwerkstatt zwar vermissen, “aber sonst haben wir alles da – vom Automatikgetriebe bis zum computergestützten Fehlersimulator.” Wer das College abschließt, habe eine gute Chance auf einen Job. Unternehmen, von der kleinen Werkstatt bis zur staatlichen Fluggesellschaft Ethiopian Airlines, seien interessiert, Hochschulen und Behörden ebenfalls. Wer eine Stelle ergattert, unterstützt von seinem Gehalt später oft auch die Eltern und Geschwister finanziell.

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Eine Sämaschine für bessere Ernten

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Doch das ATTC ist mehr als eine Ausbildungsstätte, die junge Frauen und Männer für den wachsenden modernen Arbeitsmarkt fit machen will. In der Tradition ihrer Trägerstiftung Menschen für Menschen hat das College die enorme Bedeutung der kleinteiligen Landwirtschaft für die Zukunft Äthiopiens erkannt. “Wir entwickeln Geräte, die auch in den Projektregionen der Stiftung eingesetzt werden”, sagt Teshome Bogale. Der 43-Jährige war an einer staatlichen Universität angestellt, bevor er vor sechs Jahren die Leitung des Fachbereichs für Fertigungstechnik übernahm.

Dort tüfteln Studierende und Lehrende derzeit an einer mechanischen Sämaschine für die weit verbreitete Zwerghirse Teff. “Bisher schleudern viele Bauern ihr Saatgut einfach aufs Feld”, sagt Fachbereichsleiter Teshome. “Die Maschine, die wir entwickeln, hilft ihnen, die Samen in regelmäßigen Abständen auszubringen. Das erhöht ihre Erträge.”

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“Mit meinem Abschluss möchte ich meinen Eltern zu mehr Erträgen in der Viehwirtschaft verhelfen.” – Iawidenfu Basazinew, Student der Agrarökologie

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Das hat die Entwicklungshilfeorganisation Oxfam hellhörig werden lassen: Sie hat Interesse an dem Gerät signalisiert. Von der handbetriebenen Erdnussschälmaschine bis zum elektrischen Zwiebelhacker, von der Pastinake bis zur Kletterbohne: Am ATTC werden Gerätschaften entwickelt und Gemüsesorten gezüchtet, von denen kleine Bauern und Dienstleister profitieren können.

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Braune Blöcke im Ziegelsteinformat – echte Powerriegel für das Milchvieh.

Ein zentrales Produkt ist der dunkle Brei, den Iawidenfu Basazinew an diesem Nachmittag in einem Eimer anrührt. Der 23-Jährige trägt einen beigefarbenen Overall, der ihn als Studenten der Agrarökologie ausweist.

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Heute stellt er mit seinen Kommilitonen aus dem vierten Jahrgang Viehfutterblöcke her. “Wir mischen Weizen, Kalk, Salz und einiges mehr zu einer zähen Masse, pressen sie zu Quadern und lassen sie in der Sonne trocknen”, erklärt Iawidenfu. Das Ergebnis sind braune Blöcke im Ziegelsteinformat – echte Powerriegel für das Milchvieh: 16 Liter pro Tag geben die Kühe, die auf der Farm des ATTC leben.

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Für eine bessere Zukunft

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“Die Kühe meiner Eltern waren mager, oft krank und gaben höchstens zwei Liter Milch am Tag”, erinnert sich Iawidenfu. Als Kind und Jugendlicher war er stets von Schulschluss bis Sonnenuntergang mit den Tieren unterwegs gewesen, doch die Ausbeute an Milch blieb gering.

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Iawidenfu Basazinew träumt von einer eigenen Herde.

“Wenn ich meinen Abschluss habe, möchte ich meinen Eltern zu mehr Erträgen in der Viehwirtschaft verhelfen”, sagt Iawidenfu. Und er träumt von einer eigenen Herde: “70 Tiere, die richtig viel Milch geben – das wär’s!”

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Auch Kedest Zewadu, die in der Werkstatt am Zahnrad feilt, möchte sich nach ihrem Abschluss gerne selbstständig machen. “Anfangs vielleicht mit einer kleinen Schlosserei“, sagt sie. „Aber später möchte ich richtige Maschinen bauen und reparieren.” Es habe Leute gegeben, die ihr davon abraten wollten, Fertigungstechnik zu studieren, sagt sie. “Sie meinten, das sei nichts für eine Frau.” Kedest ließ sich von solchen Stimmen nicht beeindrucken. “Warum soll ich nicht den Beruf lernen, der mir Spaß macht?” Ein paar Monate noch, dann wird sie das ATTC verlassen. Sie werde das Leben auf dem Campus vermissen, sagt sie, freue sich aber auch auf die Zukunft. Als ATTC-Absolventin habe sie schließlich gute Aussichten auf eine Arbeit.

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Kidist Zewadu zeigt Zweiflern, dass auch Frauen ein Fertigungstechnik-Studium meistern können.

Aber es geht ihr nicht nur darum: “Diese Schule hat mir den Weg zu einem besseren Leben geöffnet. Was ich daraus mache, soll nicht nur mir dienen. Ich will mit anpacken, wenn wir dieses Land voranbringen!”

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Die Stiftung Menschen für Menschen - Karlheinz Böhms Äthiopienhilfe ist eine öffentliche Stiftung des bürgerlichen Rechts. Sie wird beim Finanzamt München unter der Steuernummer 143/235/72144 geführt und wurde zuletzt mit Bescheid vom 6. September 2021 wegen Förderung steuerbegünstigter Zwecke von der Körperschafts- und Gewerbesteuer befreit und somit als gemeinnützige Organisation anerkannt.