Die neue Bibliothek begeistert die Studierenden

Zentrum der Aufklärung: Äthiopiens moderne Nationalbibliothek

30
Juli 2025

Aktuelles

Es herrscht Stille. Nur ganz leise hört Sinbone Shuferi die Geräusche der Millionenmetropole: Das Hupen von Autos, ihre Motoren, die Sirene eines Krankenwagens. Sinbone sitzt im vierten Stock der Nationalbibliothek, mitten in Addis Abeba. Abwechselnd blickt die 18‑Jährige auf die Zettel, die vor ihr liegen, und durch die großen Fenster gen Himmel. Lautlos bewegt sie ihre Lippen, während sie ihre Notizen wiederholt. Seit zwei Monaten studiert Sinbone in der äthiopischen Hauptstadt.

 

Wie alle Studierenden des Landes muss sie zunächst ein Orientierungsjahr absolvieren. Sie lernt über Wirtschaft, Geschichte und Weltgeschehen, über Sozialanthropologie, intensiviert ihr Englisch. Mit diesem „Studium Generale“ sollen die jungen Frauen und Männer auf einen einheitlichen Wissenstand gebracht werden. „Übermorgen stehen meine allerersten Uniprüfungen an“, erzählt Sinbone. Bisher lernte sie in der Bibliothek ihrer Universität. Kurz vor den Klausuren taten es ihr immer mehr Studierende gleich. „Es war viel zu voll und stickig“, berichtet sie. Ein Kommilitone nahm Sinbone mit in die Nationalbibliothek.

Modernes Wissenszentrum: die Nationalbibliothek Abrehot

Die Studentin ist begeistert: „Es ist alles neu, sauber und groß.“ 2022 wurde die „Abrehot Library“ als größte öffentliche Bibliothek des Landes eröffnet. Bis zu 2.500 Menschen finden auf den insgesamt 19.000 Quadratmetern gleichzeitig Platz. „Abrehot“ ist Amharisch und bedeutet „Aufklärung“. Die umgerechnet über 20 Millionen Euro, die der Bau kostete, wurden aus Spenden finanziert. Die Regierung, allen voran Premierminister Abiy Ahmed, hatte weltweit um Gelder für öffentliche Einrichtungen in der Hauptstadt geworben. Die mehr als eine Million Bücher der Bibliothek wurden ebenfalls gespendet: von Hilfsorganisationen sowie seitens der äthiopischen und ausländischen Regierungen.

Sinbone lernt in der Abrehot Library
Sinbone hofft auf gute Noten: dafür lernt sie vor den Prüfungen täglich.

„Aber auch viele Einzelpersonen halfen. Meist Äthiopierinnen und Äthiopier, die in Amerika oder Europa leben“, erklärt der leitende Bibliothekar Wake Seifu. Neben Schulbüchern gibt es Sammlungen zu Geographie, Geschichte, Medizin, zu Architektur oder Literatur. Außerdem Zeitungen und Magazine, sowie Forschungsarbeiten. Es gibt eine Abteilung für Blindenschrift, eine Kinderbücherei und Konferenzräume. Für dieses Angebot und die moderne Architektur hat Sinbone aktuell keinen Kopf. Die Studentin, die einmal Anwältin werden möchte, ist nervös. „Ich weiß nicht, wie streng die Dozenten an der Uni bewerten“, sagt sie. Wenn die Prüfungen geschafft sind, möchte sie endlich wieder mit ihren Freundinnen Kaffee trinken gehen. Und in die Bibliothek zurückkehren. „Ich liebe äthiopische Romane“, sagt sie. „Hier kann ich sie in Ruhe lesen.“

Mehr spannende Geschichten aus unserem Äthiopien-Blog