Kinder und Erwachsene folgen seiner rauen Stimme, bilden um ihn einen Halbkreis. Fayera braucht sie für seine Darbietung, sie sind die Inspiration für seine improvisierten Texte. Er ist ein sogenannter Azmari. Seit Jahrhunderten ziehen die wandernden Balladensänger durch Dörfer, überbringen Nachrichten und Gerüchte, kommentieren das Alltagsgeschehen. Sie dichten Liebeslieder auf Hochzeiten, Taufen und anderen Festlichkeiten oder fordern ihr Publikum mit Witz und Spötteleien heraus. Doch Azmaris treten nicht nur zur Unterhaltung auf, in ihren bissigen Texten prangern sie Missstände oder soziale Ungerechtigkeit an, attackieren Machthaber. Während der Herrschaft des Diktators Mengistu Haile Mariam, der die Barden auch für seine Propaganda nutzte, wurden kritische Sänger gleichzeitig verfolgt. Seit den 1990er Jahren lebt die Tradition trotz der Einflüsse westlicher Musik in Äthiopien wieder auf. Über das Land verteilt gibt es „Azmari-Bets“, Gaststätten, in denen die Sänger das Abendprogramm füllen.