Frau steht neben einer Zierbanane.

Die Pflanze für alles: Brot und Seile aus Zierbananen

11
Aug. 2025

Aktuelles

Negite Getas Gesicht und ihre Hände sind übersät von hellem Fruchtfleisch. Die Landwirtin kniet im Schatten von hochgewachsenen Stauden der Zierbanane, auch unter dem Namen Ensete bekannt. Eine der Pflanzen haben Dorfbewohner gerade gefällt. Negite setzt ihren Bambusschaber auf einen dicken Blattstiel, der vor ihr auf ein Stück Holz gespannt ist, und trennt so mit schnellen Bewegungen das Mark von den Fasern. Später wird sie es gemeinsam mit der klein gehackten Pflanzenwurzel verarbeiten und in einem mit Blättern ausgekleideten Erdloch vergraben. Dort fermentiert die Masse für Wochen oder sogar Monate. Aus dem Teig backt Negite schließlich „Kocho“, ein flaches Brot.

Baum gegen Hunger

Im südäthiopischen Hochland ist „Kocho“ ein Grundnahrungsmittel. In guten Monaten wird es mit Fleisch oder Gemüse serviert. „Meist essen wir es aber trocken zum Kaffee oder mit etwas Milch“, erklärt Negite. Außerdem stellt sie Pflanzenmehl her, das sie zu einem dickflüssigen Brei anrührt, der wie Suppe gelöffelt oder als Porridge gegessen wird.

Im Süden des Landes wird die Zierbanane seit Jahrhunderten kultiviert. Die Menschen vermehren die Staude, die der uns bekannten Banane stark ähnelt, deren Früchte aber ungenießbar sind. Im Volksmund heißt sie daher auch „falsche Banane“. „Wir nutzen nahezu jeden Teil der Pflanze“, erklärt Amona Tantu, ein Nachbar. Mit den langen Blättern werden Dächer abgedichtet oder sie dienen als Viehfutter. Für den 70-jährigen Amona ist die Zierbanane ein Zeitvertreib, der seiner Familie zusätzliches Einkommen bringt: Bei Regen oder am Abend dreht er aus den Blätterfasern Seile. Bis zu drei Stück schafft er innerhalb von zwei Wochen. 300 Birr, knapp fünf Euro, verdient er damit auf dem Markt.

Amona Tantu sammelt
Landwirt Amona knüpft aus den Fasern Seile, die er auf dem Markt verkauft.

Die Zierbanane wird von etwa 20 Millionen Menschen in Äthiopien genutzt. Rund fünfzehn Pflanzen reichen, um eine Person ein Jahr lang zu ernähren. Der „Baum gegen Hunger“, wie die Staude auch genannt wird, ist anspruchslos – sie überlebt Dürreperioden, ist mehrjährig und lässt sich das ganze Jahr über ernten. Wissenschaftler sehen in ihr eine Lösung für die Zukunft: Während es bei Mais und Weizen angesichts von Klimaerwärmung und Wetterextremen zu hohen Ernteeinbrüchen kommen wird, könnte die Staude in einem größeren Umfang innerhalb Äthiopiens angebaut werden. Und auch über die Ländergrenzen hinweg, in Uganda, Ruanda oder Kenia, könnte sie die Ernährung vieler Millionen Menschen sichern. Für Negite ist die Zierbanane schon heute überlebenswichtig. „Sie ernährt meine Kinder und Enkel und ich verdiene sogar etwas Geld durch sie“, sagt sie. „Die Pflanze ist wie ein Wunder.“

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