So geht das nicht!“, ruft Mudaye Mun seinem Gegenüber entgegen. „Du hast den Spielstein schon angefasst, also musst du ihn auch setzen!“. „Er hat Recht. Bitte beginne mit deinem Zug“, stimmt Spielleiter Niguse Zida ruhig aber entschieden zu. Wie fast jeden Sonntag nach der Kirche haben sich die drei in Niguses Vorgarten getroffen und hocken im Schatten eines Mangobaumes um ein rechteckiges Holzbrett. In ihm sind vierzehn Löcher eingekerbt, zwei große an den kurzen und je sechs kleinere an der langen Seite. „Okay, okay“, gibt Mudayes Gegner Adise Adale nach und greift nach den Kugeln in der Kuhle vor ihm, verteilt je eine von ihnen gegen den Uhrzeigersinn klackernd in den nachfolgenden Mulden.

Altes Spiel, neues Wir – Eine Partie Lame verbindet
Land & Leute
Mehr als nur ein Spiel – Lame verbindet Menschen
Die Männer spielen Lame, ein traditionelles Gesellschaftsspiel. Ähnliche gibt es auch in anderen afrikanischen Ländern, sogar weltweit. Kalaha, Oware, Sungka heißen sie dort, oder in Deutschland: Bohnenspiel. Einige Regeln unterscheiden sich, aber im Grunde ist das Ziel immer das Gleiche: Dem Gegner möglichst viele Spielfiguren durch geschicktes Verteilen der eigenen Steine abzunehmen.

Viel braucht man für den Aufbau nicht: Ein paar kleine Kieselsteine oder Samen reichen als Figuren. Und das Spielfeld lässt sich einfach auf den sandigen Boden zeichnen. Das Holzbrett, das Niguse gehört, ist hingegen von einem Schreiner hergestellt. Er nutzt es auch, wenn er bei Lame-Wettkämpfen in einer der lokalen Ligen antritt, oder wenn er als Trainer das Bezirksteam auf ein Turnier vorbereitet. Niguse hat selbst schon viele davon gewonnen. In seinem Haus hängen Gold-, Silber- und Bronzemedaillen.
Doch seine wahre Begeisterung für das Spiel liegt abseits der Auszeichnungen: „Lame bringt uns zusammen“, erklärt Niguse. Nachbarn, die sich eigentlich gerade wegen etwas stritten, säßen dann stundenlang um das Spiel zusammen. Und statt rumzuhängen und Dummheiten zu machen, würden Jugendliche auf andere Gedanken kommen. Klar konkurrierten die Spieler, doch „das Spiel verbindet und schafft Frieden!“
Gelernt hat Niguse das Spiel von seinem Vater, der es wiederum von seinem Vater gezeigt bekam. „Man darf das Geschehen nie aus den Augen verlieren und muss erahnen, welche Züge der Andere als nächstes vorhat“, verrät er. Sein bisher erfolgreichster Nachwuchs ist seine Tochter. „Sie hat ebenfalls schon eine Medaille gewonnen“, sagt er stolz.
Das Spiel unterm Mangobaum ist vorbei, Mudaye der Sieger. Er streckt Adise seine Hand entgegen. Dieser schlägt ein und fügt herausfordernd hinzu: „Dieses Mal hattest du mehr Glück, aber nächsten Sonntag bezwing ich dich!“

