Maßgeschneiderte Entwicklung
Schwerpunkt: Einkommen
Mestaet Tegegne ist erst Mitte dreißig, doch ihre Töchter werden bereits erwachsen: Teseta ist 18, Muluset 16. Sohn Asaino ist acht Jahre alt, er wurde kurz nach dem Tod ihres Mannes geboren. “Mein Mann starb an Tuberkulose”, sagt die Witwe aus dem Dorf Billy im Projektgebiet Borena.
Tuberkulose tritt häufig als Begleiterkrankung einer HIV-Infektion auf. Auch Mestaet ist HIV-positiv und deshalb häufig geschwächt. “Früher war es fürchterlich”, erzählt sie. Entweder sie lag krank in der Hütte oder sie versuchte verzweifelt, einen Job als Tagelöhnerin auf dem Bau zu bekommen. Dort schleppte sie Wasser für die Mörtel- und Betonherstellung für einen Hungerlohn: “Manchmal hatte ich das Gefühl wahnsinnig zu werden vor Sorge, den Kindern etwas zum Essen zu beschaffen.”
Die Ausbildung von Menschen für Menschen wurde für die Witwe zum Rettungsanker. Zusammen mit Almaz Getachew, 20, und Leke Demeke, 19, lernte sie drei Monate lang das Schneidern. Der Lehrer wurde von der Äthiopienhilfe bezahlt. Darüber hinaus erhielten die Frauen eine finanzielle Unterstützung, mit der sie in der Ausbildungszeit ihre Kinder versorgen und gleichzeitig eine Nähmaschine kaufen konnten – mit Fußantrieb, denn in ihrem Dorf gibt es keinen Strom.
Seither stehen sie jeden Samstag mit einem Stand auf dem Markt und verkaufen ihre geschneiderten Röcke, Hosen und Jacken. Weil sie wenig Geld haben, können sie nur wenig Stoff kaufen und auf Vorrat produzieren. Meist bringen die Kunden den Stoff mit, die Schneiderinnen nehmen die Maße und am nächsten Markttag holt der Kunde seine Kleidung ab.
Drei Aufträge pro Tag
Am Anfang sei es nicht leicht gewesen, Kunden zu bekommen, erzählen sie. Aber zum Glück stand das neue Schuljahr bevor, und viele Kinder in der Gegend brauchten neue Uniformen. “So begann der Umsatz langsam zu wachsen.” Im Schnitt hätten sie etwa drei Aufträge pro Tag und erzielten im Monat ein Einkommen von 1.500 Birr, umgerechnet rund 60 Euro. “Ein toller Verdienst!”, sagt Mestaet. “Jetzt haben wir genug zu essen, ich kann meine Schulden zurückzahlen, und sogar eine kleine Summe sparen.”
Doch es mangelt ihnen nicht nur an Kraft. Mais füllt den Magen, aber er liefert nicht alle Vitamine und Spurenelemente. “Als ich schwanger war, bin ich zur Gesundheitsstation, weil ich so schwach war”, erzählt Workenesch. “Sie sagten, ich litte unter Blutarmut.” Eine Folge von Eisenmangel – für Frauen in Äthiopien, die viele Kinder bekommen und keine abwechslungsreiche Kost zu sich nehmen, ist das eine alltägliche Diagnose. Zwar nimmt Workenesch nun Eisentabletten. “Aber immer noch fühle ich mich häufig schwindelig”, erzählt die Bäuerin, “alles dreht sich um mich herum.”
Nun habe sie auch wieder Kraft für ihr ehrenamtliches Engagement:
Im Anti-AIDS-Programm von Menschen für Menschen wirkt sie als Aktivistin, erzählt in Frauengruppen von ihrer Infektion, klärt darüber auf, wie sie vermeidbar ist und wie man die Medikamente bekommt, die das Virus in Schach halten. “Ich bin ein Opfer des Unwissens geworden”, sagt Mestaet. “Jetzt kämpfe ich dafür, dass anderen das gleiche Schicksal erspart bleibt.”