Eine strahlende Imkerin.

Start-ups für den Wandel

Projektgebiet: Dano
Schwerpunkt: Einkommen

In der Projektregion Dano gründet Menschen für Menschen mit Unterstützung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung landwirtschaftliche Kooperativen. Die Gemeinschaften verarbeiten Agrarerzeugnisse vor Ort weiter und schaffen auf diese Weise Arbeit für junge Frauen und Männer. Ein Besuch bei den Imkern von Dano. 

Das größte Start-up-Unternehmen im Projektgebiet Dano steht auf einer Lichtung außerhalb der Kleinstadt Seyo und beschäftigt mehrere Hunderttausend fleißige Mitarbeiterinnen. Das Wellblechdach des Firmensitzes funkelt weithin sichtbar. Wer sich ihm nähert, erblickt rund 50 gelbe Holzkisten, aufgereiht auf zwei Etagen eines Holzgerüstes. Ein Summen in der Luft zeugt von Betriebsamkeit – und darf zugleich als Warnung verstanden werden: Spätestens mit dem Schritt auf das Firmengelände drohen Attacken der Belegschaft – und die können sehr gefährlich sein!

“Vor allem die Bienenvölker, die wir erst kürzlich hier angesiedelt haben, sind unheimlich aggressiv” sagt Zenebech Azefa. Die 26-Jährige ist eine von 17 jungen Frauen und Männern aus Seyo, die im April 2016 mit Unterstützung von Menschen für Menschen eine Imker-Kooperative gegründet haben.

Eine strahlende Imkerin aus Dano.
Bevor die 26-jährige Zenebech Azefa Teil der Imkerkooperative wurde, war sie arbeitslos.

Für sie alle ist das der erste richtige Job seit dem Schulabschluss. “Ich hatte nach der Schule versucht, Arbeit als Putzfrau zu finden – keine Chance”, erzählt Zenebech. “Um wenigstens ein bisschen was zu verdienen, ging ich mit einer Decke auf den Markt und verkaufte Salz und Chilischoten.” Freunde erzählten ihr, dass die Stiftung junge Leute suche, die sich als Imker probieren wollten. Zenebech meldete sich – und wurde ausgewählt. “Ich hatte zwar keine Ahnung von Imkerei”, sagt Zenebech. “Aber ich kann arbeiten. Und ich wusste: Das ist meine Chance.”

Arbeit und Entwicklung auf dem Land

Die Imker-Kooperative von Seyo ist Teil des “Grünen Innovationszentrums”, das Menschen für Menschen im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) umsetzt. Ziel der Initiative, die 2015 in der Projektregion Dano, rund 230 Kilometer westlich der Hauptstadt Addis Abeba, ins Leben gerufen wurde, ist es, die landwirtschaftliche Produktion zu steigern – und Verdienstmöglichkeiten für junge Menschen wie Zenebech Azefa zu schaffen. “Viele Kleinbauern in dieser Gegend produzieren mittlerweile mehr, als sie selbst konsumieren”, sagt Demere Anno, der das Projektgebiet Dano leitet. “Indem wir dafür sorgen, dass ihre Produkte vor Ort weiter verarbeitet werden, schaffen wir Arbeit und Entwicklung auf dem Land.”

50 Bienenkästen unter einem Wellblechdach.

Der Schlüssel zum Erfolg sind unterschiedliche Kooperativen, die mit Hilfe von Menschen für Menschen gegründet wurden. Eine Arbeitsgemeinschaft etwa kauft Bauern Ölsaat ab, um Speiseöl zu produzieren. Eine weitere kauft Ernteabfälle und Überbleibsel aus der Landwirtschaft, um Tierfutter herzustellen. Wieder andere produzieren Saatgut oder betreiben mobile Dreschmaschinen, mit denen sie Bauern die Arbeit vor Ort erleichtern oder stellen Honig her, wie Zenebech Azefa mit der Imkerkooperative.

Beratung, Trainings und Maschinen werden von Menschen für Menschen gestellt. Nach dieser Starthilfe arbeiten die Gemeinschaften auf eigene Rechnung. “410 vormals Arbeitslose, vor allem junge Frauen und Männer, profitieren bereits von dem Projekt”, sagt Demere Anno. Hinzu kommen die Bauern und Menschen aus der Region, die indirekten Nutzen aus den neuen Wertschöpfungsketten ziehen.

Im Bienenhaus von Zenebech Asefas Gruppe sind zwar erst in 25 der 50 gelben Kästen Bienenvölker zu Hause, doch die jungen Leute arbeiten fieberhaft daran, auch die übrigen Boxen mit Leben – und tierischer Arbeitskraft – zu füllen. Dazu zimmern sie schmale hölzerne Röhren und hängen sie in Bäumen in der Gegend auf.

Ein Bienenkasten wird gebaut.
Hausbau: Die Imker pressen Wabenplatten für die Bienenkästen. In ein derart präpariertes Zuhause ziehen die Tiere gerne ein.

“Wenn sich ein Volk darin eingenistet hat, holen wir die Röhren herunter und bringen sie zum Bienenhaus”, erklärt Zenebech. Dann beginnt der schwierigste – und riskanteste – Part: “Wir leeren die Röhre auf einer Plane aus und hindern die Bienen mit einem künstlichen Sprühregen am Wegfliegen.” Nun folgt die Suche nach der Königin, die irgendwo in dem schwarzen Insektenhaufen, von Arbeiterinnen geschützt, herumkrabbelt. Ist die Königin aber erst einmal in der Hand des Imkers, geht es ganz schnell: Sie wird in einen der Bienenkästen gebracht, wohin die anderen Bienen ihr automatisch folgen. Künstliche Waben aus Wachs, die Zenebech und die anderen in Handarbeit hergestellt haben, bieten den Tieren im Inneren des Kastens ein angenehmes neues Zuhause. Das Volk zieht ein.

Kooperativen bilden Wertschöpfungsketten

Den Honig verkaufen die Imker an eine weitere Kooperative, die ihn von Wachsresten und anderen Verunreinigungen befreit und an eine dritte Kooperative weiterreicht, die ihn in Gläser abfüllt und etikettiert. Anschließend übernimmt eine vierte Kooperative den Transport zu Händlern in der Region. Die so errichtete Wertschöpfungskette gibt rund sechzig Jugendlichen Arbeit.

Projekte wie das “Grüne Innovationszentrum” bieten Lösungen für zwei der drängendsten Probleme von Entwicklungsländern wie Äthiopien. Sie wirken der dramatisch hohen Jugendarbeitslosigkeit entgegen. Und sie steigern die Produktivität der kleinbäuerlichen Landwirtschaft.

Ein Mann mit einer Wachsplatte.
Junge Männer und Frauen produzieren Wachsplatten und bauen Bienenkästen, um wilde Bienenvölker zu fangen.

“Unser Ziel ist es, vor Ort marktkonforme Güter zu produzieren. So helfen wir den Menschen, von den Reichtümern ihrer Region zu profitieren, bekämpfen Arbeitslosigkeit und tragen zur Nahrungsmittelsicherheit bei”, sagt Peter Renner, Stiftungsvorstand von Menschen für Menschen. “Der viel beschworene Kampf gegen Fluchtursachen – er beginnt genau hier.”

Im sicheren Abstand zum Bienenhaus streift Zenebech Azefa den Schutzanzug ab. Der Schweiß steht ihr auf der Stirn. Zeit für eine Mittagspause. Selbst nach zwei Jahren wirft das Bienenhaus noch nicht so viel ab, dass alle Mitglieder der Kooperative ausschließlich davon leben können. “Aber so ist das nun mal, wenn man ein Unternehmen gründet. Man muss geduldig sein und hart arbeiten.” Eins habe ihr die Arbeit nach Jahren der Perspektivlosigkeit aber schon jetzt zurückgegeben, sagt sie: Selbstrespekt. “Früher habe ich mich vor Freunden und Verwandten geschämt, weil ich keine Arbeit hatte. Das ist jetzt vorbei.”

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