Das Gold der Bienen

Projektgebiet: Dano
Schwerpunkt: Einkommen

Durch das Grüne Innovationszentrum in Seyo haben die Menschen vor Ort nun direkt an der Wertschöpfung teil. Für junge Unternehmer wie Imker Shuguti ergeben sich so ganz neue Perspektiven.

Im Garten hinter Shuguti Shalamas Hütte summt es. Unzählige Bienen schwirren um elf Bienenkästen, sie landen auf sattgelben Blüten und fliegen zum nahe gelegenen Fluss, um zu trinken und Wasser zum Kühlen ihres Stocks zu sammeln.

Langsam schreitet Shuguti an den Kästen entlang. Er prüft, ob sich irgendwo Termiten, Spinnen oder Ameisen angesammelt haben – die natürlichen Feinde seiner Bienen. Eine Imkerjacke schützt ihn dabei. Der schmale 22-Jährige hat sie von Menschen für Menschen nach einem Imkertraining der Stiftung erhalten. Dort lernte er, wie er verbesserte Bienenkästen aus Holz bauen kann. Sechs hat er bisher gefertigt. Sie stehen, vor der Sonne geschützt, unter einem mit trockenem Gras bedeckten Dach. Genauso wie weitere direkt einsatzbereite moderne Bienenstöcke, die Shuguti zu einem vergünstigten Preis von der Äthiopienhilfe gekauft hat.

Schon früher hat er sein Glück als Imker versucht: Mit den geflochtenen Körben, die er in die Bäume hängte, um wilde Bienen anzulocken, gewann er damals maxi­mal zwei Kilo Honig pro Stock. Die erste Ernte aus seinen neuen Bienenkästen steht ihm noch bevor. “Ich rechne mit mehr als 200 Kilo.”

Start-ups und Wertschöpfungsketten

Diese Ernte wird Shuguti an die Kooperativen im Grünen Innovationszentrum in Seyo verkaufen: Eine von ihnen verarbeitet den Honig weiter, andere Jungunter­nehmer füllen ihn ab und ein weiteres Unternehmen vermarktet ihn. 2015 hat Menschen für Menschen das Zentrum gemeinsam mit der Deutschen Gesell­schaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in der Kleinstadt im Projektgebiet Dano ins Leben gerufen.

In dieser Gegend gedeihen Nigersamen, Mais, Sojaboh­nen besonders gut, doch bislang wurden diese Roh­stoffe von den hier lebenden Bauern kaum weiterver­arbeitet. Großhändler kauften sie zu einem sehr günstigen Preis an und transportierten sie ab. Das Zentrum dient dazu, diese Abschöpfung von Gewinnen zu verhindern: Ziel ist es stattdessen, Wertschöpfungs­ketten vor Ort aufzubauen und Einkommen vor allem für die vielen arbeitslosen jungen Menschen zu schaffen.

Gesellschaftliche Entwicklung und Einkommen

Äthiopien ist ein Land, das in die Zukunft blickt: Rund 60 Prozent der Menschen sind unter 25 Jahre alt. Fehlen den Jungen jedoch Chancen, vor allem auf dem Arbeitsmarkt, steigt ihre Frustration. Sie wandern aus oder lehnen sich gegen die Regierung auf – im schlimmsten Fall mit Gewalt. Im Projektgebiet Dano haben wir deswegen in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ein „Grünes Innovationszentrum“ geschaffen, das landwirtschaftliche Produktions- und Vertriebsgemein­schaften fördert. So wollen wir auf dem Land lokale Wertschöpfungsketten schaffen und vor allem jungen Frauen und Männern Zukunftsperspektiven bieten.

 

Über 400 Frauen und Männer haben sich bislang in Start-ups organisiert. In der Gründungsphase erhielten sie ein Startkapital und Maschinen. In Trainings lernten sie, wie sie Honig weiterverarbeiten, Tierfutter herstellen und aus den Nigersamen wertvolles Öl produzieren können. Mittlerweile arbeiten die Kooperativen selbstständig. “Wir wollen jetzt noch mehr Menschen eine Perspektive bieten und die Produktion von Honig und Tierfutter weiter ausbauen”, beschreibt Tesfalidet Gebrekidan, stellvertretender Leiter des Projektgebiets Dano, das Ziel der bis 2021 angesetzten zweiten Projektphase, mit der 800 Frauen und arbeits­lose Jugendliche erreicht werden sollen.

Imkerei – ein kostbarer Wirtschaftszweig

Allein in Shugutis Gemeinde hat Menschen für Menschen 37 junge Imker geschult. Wie er beliefern sie die Kooperativen in Seyo und werden noch mehrmals die Woche von Entwicklungshelfern der Stiftung besucht. “Das Imkern ist vor allem für die Menschen, die kein oder wenig eigenes Ackerland besitzen, eine gute Möglichkeit, Einkommen zu erwirtschaften”, sagt Tesfalidet. “Shugutis kleiner Garten reicht, um mit den Bienen genug Geld zu verdienen.”

Noch wertvoller als der Honig ist dabei das Bienenwachs. Pro Kilo bezahlen seine Abnehmer am Grünen Innovationzent­rum umgerechnet knapp 5,50 Euro. An einem Kilo Honig verdient der Jungimker etwa 4 Euro. “Früher habe ich das Wachs einfach weggeworfen. Ich wusste nicht, wie viel es wert ist”, sagt Shuguti. Mit dem Erlös der ersten 18 Kilo hat er sich zwei Schafe gekauft. “Wenn ich etwas Geld gespart habe, kaufe ich mir einen Ochsen”, sagt Shuguti.

Nach der dritten Klasse brach er die Schule ab, um seiner Familie auf dem Feld zu helfen. Dass er als An­alphabet in dem Training von Menschen für Menschen einen Beruf erlernen konnte, macht ihn stolz: “Früher habe ich ir­gendwie versucht, Honig zu gewinnen, heute bin ich professioneller Imker”, sagt Shuguti grinsend. Er hat einen zweijährigen Sohn. “Elias soll lesen, schreiben und rechnen lernen und später studieren”, sagt er. “Für seine Zukunft werde ich hart arbeiten.” Die Bienen werden ihm dabei helfen.

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