Studierende am ATTC in Harar
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Frauenpower in Harar

Projekt: ATTC

Am “Agro Technical and Technology College” (ATTC), dem stiftungseigenen Ausbildungszentrum, werden Fachkräfte für die Zukunft Äthiopiens ausgebildet. Um besonders Frauen in ihrem Werdegang zu unterstützen, fördert ein schwäbisches Technologieunternehmen ihr Studium – und schenkt ihnen Chancen.

Erfolgreiche Studentinnen

Es hämmert, klappert, zischt. Mittendrin in der Werkshalle spannt die 21-jährige Eden Gulitat einen Metallstab in eine Drehmaschine, um einige Zentimeter des Materials abzutragen. „Das sind unsere ersten Teststücke“, erklärt sie und startet die Maschine. Über die vergangenen Semester haben die Studierenden der Fertigungstechnik am ATTC unterschiedliche Werkzeuge kennengelernt, ihren Umgang geübt und vieles über die Funktionsweise und Einsatzbereiche größerer Maschinen erfahren.

Die 21-jährige Eden studiert Fertigungstechnik am ATTC
Praktisches Arbeiten spielt am ATTC eine bedeutende Rolle.

Nun, zu Beginn ihres dritten Studienjahres, dürfen sie diese endlich selbst testen – unter dem wachsamen Blick von Lekeche Haile Michel. “Das sieht schon gut aus”, sagt die Dozentin, als sie an der Drehmaschine ankommt. “Pass aber auf, dass du nicht zu schmal wirst!”. Eden nickt und misst erneut den Durchmesser der Stange.

Technische Fachkräfte für morgen

Vor über 30 Jahren hat Menschen für Menschen das College in Harar im Osten Äthiopiens gegründet. Die Stiftung reagierte damit auf die Modernisierung der Gesellschaft, die damals langsam begann. Obwohl bis heute ein Großteil der Bevölkerung als Kleinbauern und -bäuerinnen lebt, wächst seither gleichzeitig ein Land heran, das qualifizierte Techniker, Ingenieure, und Mechaniker braucht: Überall entstehen Industrieparks ausländischer Investoren und die Regierung treibt eifrig Infrastrukturprojekte voran.

Neben Fertigungstechnik können Studierende am ATTC in Automobiltechnik oder Elektrik und Elektrotechnik einen Bachelorabschluss machen. Insgesamt 3.009 haben seit der Gründung des ATTC im Jahr 1992 ein technisches Diplom oder einen Bachelor erworben. Fünf Jahre dauert die Ausbildung. Nach einem ersten Orientierungsjahr, einem „Studium Generale“, entscheiden sich die jungen Menschen für einen Studiengang

Praktische Ausbildung am ATTC
Studierende der Fertigungstechnik arbeiten in der Werkshalle.

All ihre Kosten für Arbeitskleidung oder Lehrbücher, für neue Maschinen oder Werkzeuge in ihren Werkstätten, aber auch ihre Unterkunft und Verpflegung trägt die Stiftung. Unterstützt wird sie dabei auch von deutschen Unternehmen wie der Bürkert Werke GmbH & Co. KG. Rund 40 talentierten Frauen finanziert das schwäbische Technologieunternehmen ihre Ausbildung. Einigen ausgewählten plant Bürkert außerdem ein Praktikum in Deutschland anzubieten.

Gute Jobchancen

Eden ist eine der geförderten Studentinnen. Eigentlich wollte sie nach dem Abitur an einer staatlichen Universität studieren, doch sie verpasste die Zulassung um wenige Punkte. Gerade als sie beschloss in einem Café zu jobben, berichtete ihr ein Nachbar vom ATTC. “Der Unterricht ist viel praktischer als bei meinen Freunden an der Uni“, freut sie sich heute.

Hochkonzentriert: Eden darf sich selbst an der Drehmaschine ausprobieren.

“Dadurch sind wir besser auf die Arbeitswelt vorbereitet.” In Äthiopien suchen viele junge Frauen und Männer, darunter auch Edens älterer Bruder, trotz erfolgreichen Studiums lange nach einer Anstellung. Die Absolventen des ATTC erhalten oftmals schon vor ihrem Abschluss Jobangebote. “Ich bin mir sicher, dass ich schnell einen guten Job finde”, sagt Eden selbstbewusst. Neben ihr studieren nur drei weitere Mädchen. Kein Problem für sie. Als einzige Schwester unter drei Brüdern ist sie es gewohnt, sich in der Männerwelt durchzusetzen. “Es ist Schwachsinn zu glauben, dass bestimmte Berufe nichts für Frauen sind”, sagt sie.

Große Zukunftspläne

Die 22-jährige Ayinu Nagash sieht das genauso. Sie studiert, ebenfalls unterstützt von Bürkert, im vierten Lehrjahr Automechanik. Dass Ayinu am ATTC lernt, hat sie ihrem Ehrgeiz, aber auch ihrem deutlich älteren Bruder zu verdanken. Nachdem die Eltern an schwerer Krankheit starben, nahm er sie als Sechsjährige bei sich auf: in Bishoftu, einer größeren Stadt nahe ihres Heimatdorfes.

Praktischer Unterricht: Ayinu schraubt am Radlager eines Autos.

Ayinu möchte nach ihrem Abschluss einen Master absolvieren. Und weitere Erfahrungen sammeln – in den Fertigungsanlagen für militärische Fahrzeuge, die sich bei Bishoftu angesiedelt haben. Die beste Vorbereitung für ihren Traum einer eigenen Autowerkstatt.

Auch Maschinenbauerin Eden hegt große Zukunftswünsche. Seit ihrer Kindheit entwirft sie eigene Kleidung. “Ich möchte meine eigene Textilfirma gründen,“ erklärt sie. Alles soll aus ihrer Hand kommen: Die Designs und die Maschinen, die es braucht, um die Stücke in Masse zu produzieren. “Die Rohstoffe beziehe ich aus Äthiopien. Wir stellen die Kleidung vor Ort her, verkaufen sie im Land”, wünscht sich Eden.

Bis diese Pläne Wirklichkeit werden können, wird es noch eine Weile dauern. Eden und Ayinu stehen noch mehrere Semester am College bevor. Doch mit Träumen sind die zwei ambitionierten, jungen Frauen am ATTC bestens aufgehoben.

 

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