Für Kinder wäre die Schlammschlacht, die sich in Amerech Chutulos Vorgarten abspielt, ein Fest. Aber auch die mehr als dreißig Männer, die wadentief durch den Matsch stapfen, haben sichtlich Spaß bei ihrer Arbeit. Einer gibt klatschend den Takt vor, die anderen folgen ihm. Immer wieder mischen sie Wasser dazu, bis wenig später das Lehm-Erd-Stroh-Gemisch fertig ist zur Weiterverarbeitung. Mit bloßen Händen transportieren es die Männer ins Innere des Rohbaus und verputzen damit die frisch errichteten Wände.

Die Kraft der Gemeinschaft: Komm, wir bauen ein Haus!
Land & Leute
„Debo“, das äthiopische Gemeinschaftsprinzip
Wenn jemand im Dorf Chelbe Unterstützung braucht, so wie Amerech beim Bau ihres neuen Wohnhauses, kommt die Gemeinde zusammen. Während die Männer an diesem Morgen auf der Baustelle schuften, bereiten ihre Frauen das Mittagessen vor, kochen Kaffee oder versorgen die Arbeiter mit Wasser. Auch einige Jugendliche, die gerade Schulferien haben, ackern mit.

„Debo“ heißt dieses solidarische Prinzip in Äthiopien. Jeder gibt, was er kann und irgendwann, so die Überzeugung, profitiert jeder von der Kraft der Gemeinschaft. „Ich habe schon oft auf Baustellen geholfen“, berichtet Amerech. Sie ist Anfang 30, Mutter einer elfjährigen Tochter und allein für den Neubau verantwortlich. Ihr Mann ist als Soldat nur selten zuhause. Nach einem Gottesdienst vor fünf Monaten bat Amerech daher das Dorf um Unterstützung. Nachbarn sprangen ihr beim Abriss der alten, viel kleineren Wohnhütte bei. Mittlerweile stehen alle Außenwände des neuen Hauses auf einem Fundament aus Stein und Zement. Die Dorfbewohner helfen nicht nur mit Körperkraft und Arbeitszeit, sondern steuern auch Materialien bei: dickere Äste für die Wände oder Stroh für den Putz. Baumaterialien wie Wellblech für das neue Dach oder den Zement kaufte die Bauherrin dazu. Außerdem muss sie für das Honorar des Schreiners aufkommen, den sie als einzigen professionellen Handwerker beschäftigt. Umgerechnet etwas mehr als 800 Euro kostet sie das insgesamt. Amerech hat gespart. Sie handelt mit Getreide und kauft Landwirten ihre Milch ab, um daraus Käse zu machen, den sie auf dem Wochenmarkt verkauft. Außerdem schickt ihr Mann regelmäßig einen Teil seines Soldes. „Doch ohne die Hilfe unserer Nachbarn könnten wir uns das alles nicht leisten“, sagt Amerech. „Ich bin so glücklich, dass sie für uns einspringen!“ Sie hofft, dass ihr Mann bald wieder länger zuhause sein kann. Ihr neues Heim wird ein Schlafzimmer haben, eine Küche und ein Kinderzimmer. Das, so Amerechs größter Traum, soll sich ihre Tochter rasch mit einem kleinen Geschwisterchen teilen. „Ein schönes Zuhause hätten wir schon einmal.“

