“Ich gebe dir eine Spritze zur lokalen Betäubung”, sagt Schwester Beletetsch, 24. “Ischi!”, sagt Getu unter dem dunklen Tuch, das sein Gesicht abdeckt und nur eine Öffnung für das rechte Auge freilässt: “Okay!” Seine Hände sind fahrig. “Wie lange schon hast du diese Augenschmerzen?”, fragt die Krankenschwester. “Eigentlich schon immer”, antwortet Getu. Ob beim Viehhüten, beim Spielen mit Freunden oder in der Schule: ohne Unterlass ist da dieser Schmerz im rechten Auge. Es fühlt sich an, als ob Sandkörner auf den Augapfel drücken und reiben. Das Auge tränt, juckt und brennt. Manchmal bleibt Getu in der fensterlosen Hütte, wenn die Freunde draußen mit einem Stoffball spielen, weil der Schmerz in der Dunkelheit leichter zu ertragen ist und das Auge weniger tränt als in der grellen Sonne.
Getu leidet am Trachom (griechisch für “raues Auge”), einer chronischen Bindehautentzündung, die durch schlechte sanitäre und hygienische Lebensumstände verursacht wird. Im ersten Stadium der Krankheit setzen sich die Bakterien namens Chlamydia trachomatis an der Innenseite des Oberlides fest. Der Organismus wehrt sich, es bilden sich Lymphfollikel, gelbliche Erhebungen. Die Follikel platzen und vernarben – dadurch zieht sich die Lid-Innenseite zusammen. Die Folge: Das Lid mit den Wimpern dreht sich nach innen ein. Nun scheuern die Wimpern bei jedem Lidschlag und jeder Augenbewegung an der Hornhaut des Auges.